VwGH 91/01/0024

VwGH91/01/002418.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des I B in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 1990, Zl. 4.300.736/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, reiste am 23. August 1990 aus Ungarn kommend in das Bundesgebiet ein und stellte am 29. August 1990 einen Antrag auf Asylgewährung. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde machte der Beschwerdeführer geltend, er gehöre der ungarischen Minderheit an und sei Baptist. Er sei nicht Mitglied einer politischen Gruppierung gewesen und habe an der Revolution in seinem Heimatland als Demonstrant teilgenommen. Seit der Revolution sei er nicht von der Behörde vorgeladen worden. Er sei aber während eines in Rumänien verbrachten Urlaubs im August 1990 Angriffen einer rumänischen Gruppe ausgesetzt gewesen. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland deshalb verlassen, weil Angehörige der ungarischen Minderheit seit der Auseinandersetzung im März 1990 als Menschen zweiter Klasse behandelt würden und erschwerte Arbeitsbedingungen auf sich nehmen müßten. Außerdem bestehe keine Möglichkeit, die ungarische Sprache in der Öffentlichkeit zu sprechen. Er habe wegen Schwierigkeiten mit der Polizei in Ungarn, das kein politisches Asyl gewähre, dort keinen Asylantrag gestellt.

Mit Bescheid vom 3. September 1990 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe seine Heimat aus politischen und religiösen Gründen verlassen und könne dorthin nicht mehr zurück.

Er ersuche daher um nochmalige Überprüfung der geltend gemachten Fluchtgründe.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer habe wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Insbesondere könnten die auf seine Zugehörigkeit zur ungarischen Minderheit zurückzuführenden Benachteiligungen nicht als hinreichend gravierende Eingriffe in die Grundrechte des Beschwerdeführers gewertet werden, die den in der Flüchtlingskonvention angesprochenen Sachverhalten unterstellt werden könnten. Der Beschwerdeführer sei über Ungarn, einen Mitgliedsstaat der Genfer Konvention, in das Bundesgebiet eingereist, habe aber trotz der gegebenen Möglichkeit dort nicht um Asyl angesucht. Es sei daher nicht glaubwürdig, daß der Beschwerdeführer gravierenden Eingriffen in seine Grundrechte ausgesetzt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit seinem Vorbringen ausreichend auseinanderzusetzen. Die Feststellung des angefochtenen Bescheides, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, eine konkrete Verfolgung seiner Person nachzuweisen, sei nicht hinreichend begründet. So habe die belangte Behörde keine Ermittlungen über die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfolgung aus politischen und religiösen Gründen angestellt und ihm auch keine Gelegenheit zur nochmaligen Ausführung seiner Fluchtgründe geboten. Die belangte Behörde habe die ihr obliegende Manuduktionspflicht verletzt, die unvollständige Protokollierung des Vorbringens des Beschwerdeführers vor der Behörde I. Instanz nicht beachtet und nicht bekannt gegeben, auf welche Informationen sie ihre Feststellungen über die Lage der ungarischen Volksgruppe in Rumänien stütze. Auch lasse der angefochtene Bescheid Feststellungen über die Erfolgschancen eines Asylansuchens in Ungarn bzw. über die Gefahr aus diesem Land nach Rumänien abgeschoben zu werden vermissen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zur Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe keine Erhebungen über die gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen getroffen, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der Begünstigung seiner Rechtsstellung vorzubringen. Anfragen etwa an jene staatlichen Stellen des Heimatlandes, dessen Schutz der Asylwerber gerade nicht in Anspruch nehmen will, sind aus naheliegenden Gründen des Schutzes der Person des Asylwerbers nicht zweckmäßig und zielführend (vgl. hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0299, vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332, und viele andere).

Zu der vom Beschwerdeführer gerügten Unterlassung der Manuduktion hat der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen ausgeführt, daß es nicht Aufgabe der Berufungsbehörde ist, Asylwerbern im Berufungsverfahren Unterweisungen darüber zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen auszuführen und welche Fluchtgründe sie anzugeben haben, damit ihrem Verlangen auf Anerkennung als Konventionsflüchtling entsprochen werden kann (vgl. für viele andere das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1989, Zl. 89/01/0082). Eine Verletzung der Manuduktionspflicht kann somit im Vorgehen der belangten Behörde nicht erblickt werden.

Weder das Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme noch das in seiner Berufung läßt eine konkrete gegen ihn gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende Verfolgung aus den in der Flüchtlingskonvention angeführten Gründen erkennen. Der belangten Behörde ist daher auch zuzustimmen, wenn sie die in einem Land allgemein herrschenden politischen Verhältnisse, im vorliegenden Fall insbesondere gewisse Benachteiligung von Personen, die nicht der rumänischen Volksgruppe angehören, für sich allein nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen hat (vgl. für viele andere das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1989, Zl. 89/01/0102).

Inwieferne der Beschwerdeführer Benachteiligungen infolge seiner Religionszugehörigkeit habe hinnehmen müssen, hat er in keiner Weise dargetan. Im Lichte der angeführten Judikatur kann der belangten Behörde sohin nicht der Vorwurf rechtswidrigen Vorgehens gemacht werden, wenn sie der Frage der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers keine weitere Bedeutung beigemessen hat.

Soweit der Beschwerdeführer die Protokollierung seines mündlichen Vorbringens durch die Behörde erster Instanz als ergänzungsbedürftig rügt, ist ihm - abgesehen davon, daß sich diese Argumentation als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung darstellt - entgegenzuhalten, daß ein Vernehmungsprotokoll nicht mehr enthalten kann, als der Vernommene angibt und daß er selbst diese in Gegenwart eines Dolmetschers verfaßte und ihm verständlich vorgelesene Niederschrift über seine Einvernahme mit seiner Unterschrift akzeptiert hat.

Überlegungen über die Erfolgsaussichten eines in Ungarn abgegebenen Asylansuchens anzustellen, war die belangte Behörde nicht gehalten. Die Frage einer allfälligen Abschiebung aus Ungarn in sein Heimatland hat der Beschwerdeführer erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufgeworfen, sodaß darauf nicht mehr einzugehen war.

Die sohin unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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