VwGH 90/19/0534

VwGH90/19/053418.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. September 1990,

1l. SH-20.504/26 - 1990/Dr. Ro/Ott, betreffend Pflegegeld nach dem O.ö. Behindertengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

BehindertenG OÖ 1971 §27 Abs3 lita;
BehindertenG OÖ 1971 §27 Abs3 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/11/0034, verwiesen, womit der Bescheid der belangten Behörde vom 23. Dezember 1987 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Mit diesem Bescheid war der für den Beschwerdeführer gestellte Antrag vom 20. August 1987 auf Gewährung von Pflegegeld nach § 27 Abs. 3 (lit. a) des O.ö. Behindertengesetzes 1971 (LGBl. Nr. 11, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 13/1977) abgewiesen worden.

Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. September 1990 dem erwähnten Antrag vom 20. August 1987 unter Berufung auf dieselbe Gesetzesstelle neuerlich keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 3 lit. a O.ö. Behindertengesetz 1971 in der obzitierten Fassung ist pflegebedürftig ein Behinderter, der infolge seines Leidens oder Gebrechens für einzelne lebensnotwendige wiederkehrende Verrichtungen dauernd der Wartung und Hilfe durch eine andere Person bedarf.

Diese Pflegebedürftigkeit des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht verneinen. Das von ihr ihrer Entscheidung unter anderem zugrunde gelegte Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen vom 28. März 1989 legt zunächst den körperlichen Zustand des Beschwerdeführers, insbesondere das (komplette) Fehlen des rechten Oberarmes, dar. In der Folge werden eine Reihe einzelner Tätigkeiten des täglichen Lebens behandelt, wobei der Amtssachverständige bei keiner derselben zum fachlichen Schluß kam, der Beschwerdeführer sei dabei auf die Hilfe einer anderen Person angewiesen. Lediglich zu den Punkten 4. (An- und Auskleiden), 15. (Waschen der Leib- und Bettwäsche) und 16. (Aufräumen und Reinigen der Wohnung) merkte dieser Amtssachverständige folgendes an: Zu 4.: Der Untersuchte benötige für spezielle Kleidung (z.B. Taucheranzug) oder Spezialkleidung mit komplizierten Verschlüssen eine Hilfe. Mitteleuropäische übliche Kleidung könne ohne fremde Hilfe angezogen werden. Zum Schuhebinden werde längere Zeit benötigt, außer der Untersuchte behelfe sich mit Schuhwerk mit Klett- oder Reißverschluß. Zu 15.: Zum Waschen der Leib- und Bettwäsche werde angemerkt, daß diese durch handelsübliche Waschmaschinen bewerkstelligt werden könne. Das Auswaschen von Einzelstücken oder Wringen sei nicht möglich bzw. schwierig. Mit technischen Hilfsmitteln, zum Beispiel einer Gegenklammer zum Befestigen der Wäschestücke, sei auch das Auswringen möglich. Zu 16.: Das Wischen und Reinigen des Fußbodens sei mit einem Tuchausdruckgerät möglich, spezielle Verrichtungen, zum Beispiel das Abnehmen von Vorhängen, seien nur sehr langsam möglich.

Diesem Gutachten - soweit es die vom Sachverständigen gezogenen fachlichen Schlüsse enthält - ist der Beschwerdeführer auf gleicher fachlicher Ebene nicht ausreichend entgegengetreten. Das von ihm ins Treffen geführte "Gutachten" des Primarius Dr. V. vom 24. März 1989 mußte die belangte Behörde nicht dazu bewegen, Zweifel an der Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorzitierten Gutachtens vom 28. März 1989 zu hegen, erschöpft sich doch die Äußerung vom 24. März 1989 - soweit für den vorliegenden Beschwerdefall überhaupt von Belang - darin, daß der Versehrte trotz guter Kompensationsmöglichkeit "immer wieder auf fremde Hilfe angewiesen" sei, sodaß man von einer "dauernden Pflegebedürftigkeit" sprechen könne. Eine Erläuterung wurde zu dieser Feststellung nicht gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof hält es sohin für unbedenklich, daß sich die belangte Behörde für ihren rechtlichen Schluß, die Pflegebedürftigkeit des Beschwerdeführers sei im Sinne des § 27 Abs. 3 lit. a des O.ö. Behindertengesetzes 1971 nicht gegeben, auf das zitierte Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen vom 28. März 1989 gestützt hat.

Der Beschwerdeführer verkennt mit seinen weitwendigen Ausführungen, daß es sich bei den in der soeben zitierten Gesetzesstelle angeführten Verrichtungen nur um solche handelt, die "lebensnotwendig" sind, was bedeutet, daß das Unterbleiben der diesbezüglichen Hilfeleistung den Behinderten in seiner menschlichen Existenz bedrohen muß (siehe zur vergleichbaren Regelung des § 33 Abs. 3 lit. a NÖ SHG das hg. Erkenntnis vom 20. November 1985, Slg. Nr. 11 952/A). Zu Recht hat die belangte Behörde daher darauf verwiesen, daß das Trocknen (Fönen) der Haare, das Binden von Krawatten, das Falten von Hemden und Pullovern sowie das Aufstülpen und Zuknöpfen des (linken) Hemdärmels in diesem Sinne keine "lebensnotwendigen" Verrichtungen darstellen. Gleiches gilt zweifellos für das Putzen von Schuhen. Weshalb die Vornahme von "Verrichtungen auf einer Leiter" lebensnotwendig sein sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht erkennbar. Gleiches gilt für das von ihm ins Treffen geführte Aufhängen von Kleidungsstücken im Kasten, wobei im übrigen auch nicht ersichtlich ist, weshalb dies beim Gebrechen des Beschwerdeführers nicht möglich sein sollte.

Die vom Beschwerdeführer weiters aufgezeigten einzelnen "lebensnotwendigen" Verrichtungen sind jeweils vom erwähnten Gutachten vom 28. März 1989 erfaßt, insbesondere geht daraus hervor, daß der Beschwerdeführer trotz seines Gebrechens zur täglichen Körperreinigung und -pflege, zur Zubereitung einfacher Speisen und zum "Zurechtmachen der Schlafstelle" in der Lage ist. Die "Behandlung von Verletzungen" stellt keine "wiederkehrende" Verrichtung im Sinne der angewandten Gesetzesstelle dar. Was aber die vom Beschwerdeführer angeführte Entfernung von seinem Wohnort zur nächsten Ortschaft (ca. 4 Kilometer) und die damit ins Treffen geführte Besorgung von lebensnotwendigen Gegenständen anlangt, so ist nicht erkennbar, weshalb der Beschwerdeführer auf Grund der bei ihm gegebenen Behinderung nicht in der Lage wäre, diese - allenfalls unter Einsatz eines Hilfsmittels - zu transportieren.

Zu solchen Hilfsmitteln (vgl. dazu das zitierte hg. Vorerkenntnis vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/11/0034) hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides schlüssig dargelegt, der Beschwerdeführer könne damit einzelne Verrichtungen ohne Hilfe einer anderen Person durchführen. So wurde darauf hingewiesen, daß das Reinigen des linken Armes samt Hand durch fix montierte Bürsten, die Nägelpflege mit Hilfe eines Nagelpflegegerätes durchfürbar seien. Das Waschen der Leib- und Bettwäsche könne mit Hilfe einer handelsüblichen Waschmaschine vorgenommen werden, das Auswaschen von Einzelstücken sei wohl schwierig, könne jedoch unter Verwendung einer "Gegenklammer" zum Befestigen der Wäschestücke beim Auswringen bewerkstelligt werden. Das Waschen und Reinigen des Fußbodens sei unter Zuhilfenahme eines Tuchausdruckgerätes, das Aufhängen von Wäsche zum Trocknen auf entsprechend niedrigen Wäschetrockengestellen möglich (in der Folge verwies die belangte Behörde - offenbar nur zur Illustration - auf eine Reihe von im Handel erhältlichen weiteren "technischen Hilfsmitteln" für einarmige Menschen).

Zu diesen Hilfsmitteln bringt der Beschwerdeführer vor, er habe sich bereits im Verwaltungsverfahren darauf berufen, finanziell nicht in der Lage zu sein, diese Hilfsmittel anzuschaffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits im Erkenntnis vom 10. Februar 1954, Slg. Nr. 3298/A, zum Ausdruck gebracht, daß ein Behinderter (dort: "Beschädigter" nach § 18 Abs. 1 KOVG) verpflichtet ist, auf eine ihm "zumutbare" Weise durch Übung oder durch technische Vorrichtungen sich selbst zu behelfen. Die Anschaffung der oben im einzelnen dargestellten, von der belangten Behörde angeführten Hilfsmittel ist dem Beschwerdeführer auch finanziell zumutbar, zumal er nach der Aktenlage imstande ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und ein durchschnittliches Einkommen zu erzielen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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