Normen
SHG NÖ 1974 §9 Abs1;
SHV NÖ 1974 §1 Abs1;
SHG NÖ 1974 §9 Abs1;
SHV NÖ 1974 §1 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Unter dem Datum 22. November 1989 erließ die NÖ Landesregierung (die belangte Behörde) gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer einen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Ihrer Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 14. Juli 1989, 13-S-85125, wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) 1950, BGBl. Nr. 172, teilweise Folge gegeben.
Gemäß § 9 des NÖ Sozialhilfegesetzes (NÖ SHG), LGBl. 9200-7, in Verbindung mit § 1 lit. d und § 5 der Verordnung über Sozialhilfen, LGBl. 9200/1, in der jeweils geltenden Fassung, wird Ihnen eine Leistung aus dem Titel "Hilfe zum Lebensunterhalt" zuerkannt. Für den Zeitraum vom 1. Februar 1987 bis 31. Dezember 1987 beträgt die Hilfe zum Lebensunterhalt mtl. S 2.013,--, vom 1. Jänner 1988 bis 31. Mai 1988, vom 1. Juli 1988 bis 30. September 1988 sowie vom 1. Dezember 1988 bis 31. Dezember 1988 S 2.069,-- mtl. und ab 1. Jänner 1989 S 2.123,-- mtl. Zusätzlich erhalten Sie in den Monaten Mai und November 1987 je eine Sonderzahlung von S 2.013,--, im Mai 1988 eine Sonderzahlung von S 2.069,-- und in den Monaten Mai und November 1989 je eine Sonderzahlung von S 2.123,--."
Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus:
Der Beschwerdeführer lebe im Haushalt seiner Eltern, die eine Landwirtschaft betrieben. Er habe sich selbst (in seiner zur Zl. 88/11/0004 anhängig gewesenen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde) als "Unterhaltsangehöriger" bezeichnet. Da sich in seinen Wohnverhältnissen keine Änderung ergeben habe, und er nach wie vor im Haushalt seiner Eltern lebe, sei er als "Haushaltsangehöriger" einzustufen. Wesentlich für diese Beurteilung sei nicht, ob der Beschwerdeführer verheiratet sei oder nicht, sondern daß er mit unterhaltspflichtigen Angehörigen im gleichen Haushalt lebe. Die Annahme der Erstinstanz, daß der Beschwerdeführer als Haushaltsangehöriger zu bezeichnen sei, und er einen Teil seines Lebensunterhaltes von anderen Personen erhalte, sodaß hinsichtlich dieses Teiles eine Hilfe zum Lebensunterhalt nicht zu gewähren sei, sei nach Ansicht der belangten Behörde aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens durchaus schlüssig. Seitens der Gemeinde E. sei mitgeteilt worden, daß der Beschwerdeführer keine eigene Haushaltsliste ausgefüllt habe, sondern in der seiner Eltern angeführt sei; auch habe der Beschwerdeführer keinen eigenen Erhebungsbogen über die Müllbeseitigung abgegeben. Anläßlich eines Hausbesuches sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer Mitbenützer der Dusche, des WC, des Kühlschrankes und der Waschmaschine seiner Eltern sei, und daß das Zimmer des Beschwerdeführers über keinen eigenen Stromzähler verfüge. Alle diese Kriterien seien für die Beurteilung, ob jemand alleinstehend oder haushaltsangehörig sei, maßgeblich. Aufgrund der Ermittlungen sei der Beschwerdeführer nicht als Alleinstehender anzusehen; er lebe vielmehr in Hausgemeinschaft mit seinen Eltern. Der Beschwerdeführer habe zur Deckung des durch die Leistungen seiner Eltern nicht abgegoltenen Teiles des notwendigen Lebensbedarfes (i.S. des § 9 Abs. 1 NÖ SHG) Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Es werde ihm eine monatliche Geldleistung in der Höhe des geltenden Richtsatzes für einen Haushaltsangehörigen ohne Anspruch auf Familienbeihilfe zuerkannt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, wobei sich der Beschwerdeführer vor allem dadurch in seinen Rechten verletzt erachtet, daß er nicht als Alleinstehender im Sinne des NÖ SHG angesehen worden sei.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Einwand der Unzuständigkeit der belangten Behöre wird zu Unrecht erhoben. Der Behauptung, die belangte Behörde habe "die Entscheidung an die BH delegiert" ist entgegenzuhalten, daß zur Entscheidung über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach Abschnitt II des NÖ SHG - nur dies ist Gegenstand des Abspruches des bekämpften Bescheides - gemäß § 53 Abs. 2 leg. cit. in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, in zweiter Instanz die Landesregierung berufen ist. Die vom Beschwerdeführer kritisierten Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides berühren die sachliche Zuständigkeit i.S. des § 53 NÖ SHG nicht.
2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 NÖ SHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der den notwendigen Lebensunterhalt für sich und seine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend selbst beschaffen kann und nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
§ 1 Abs. 1 der Verordnung über Sozialhilfen, LGBl. 9200/1, sieht zur Sicherung des Lebensunterhaltes monatliche Geldleistungen unter Anwendung von Richtsätzen in unterschiedlicher Höhe für Alleinstehende (lit. a), für Haushaltsvorstände (lit. b), für Haushaltsangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe (lit. c), für Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe (lit. d) und für Pflegekinder (lit. e) vor.
2.2. Die belangte Behörde hat der von ihr dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid aus dem Titel Hilfe zum Lebensunterhalt zuerkannten Leistung spruchmäßig den Richtsatz des § 1 Abs. 1 lit. d (für Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe) der vorgenannten Verordnung zugrunde gelegt. Damit hat sie die Rechtslage verkannt.
3. Die im § 1 Abs. 1 der zitierten Sozialhilfe-Verordnung verwendeten Begriffe erfassen zwei verschiedene, in § 9 Abs. 1 NÖ SHG vorgezeichnete Konstellationen: einerseits den Fall, daß eine Person (nur) "für sich" der Hilfe bedarf, anderseits den Fall, daß jemand "für sich und seine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen" auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen ist. Nur im zweitgenannten Fall kommen die - zwischen den Mitgliedern einer solchen Personengruppe differenzierenden - Begriffe "Haushaltsvorstand" und "Haushaltsangehöriger" (mit oder ohne Anspruch auf Familienbeihilfe) zum Tragen. Mit dem Begriff "Alleinstehender" wird demnach ausschließlich der erstgenannte Fall erfaßt. (Vgl. dazu das zwar zum Tiroler Sozialhilfegesetz ergangene, aber auch hier maßgebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1989, Zl. 87/11/0267.)
Der Beschwerdefall ist dadurch gekennzeichnet, daß die belangte Behörde - die von ihr im angefochtenen Bescheid getroffenen Tatsachenfeststellungen zugrunde gelegt - Hilfsbedürftigkeit i.S. des § 9 Abs. 1 NÖ SHG allein für den Beschwerdeführer (und nicht auch in Ansehung seiner mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern) angenommen hat. Damit aber ist der Beschwerdeführer als "Alleinstehender" i.S. des § 9 Abs. 1 NÖ SHG iVm § 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung über Sozialhilfen zu qualifizieren.
4. Indem die belangte Behörde demgegenüber den Beschwerdeführer als Haushaltsangehörigen ohne Anspruch auf Familienbeihilfe eingestuft und dementsprechend für die Bemessung der monatlichen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers den Richtsatz gemäß § 1 Abs. 1 lit. d der Sozialhilfe-Verordnung herangezogen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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