VwGH 90/17/0123

VwGH90/17/012314.8.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Stefan S in N, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 7. Februar 1990, Zl. MDR - Sch 17/89 u. Sch 19/89, betreffend Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art131;
B-VG Art132;
GSpG 1962;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §1 Abs1 Z9;
VwGG §27;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs2;
B-VG Art131;
B-VG Art132;
GSpG 1962;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §1 Abs1 Z9;
VwGG §27;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 4/7, vom 5. April 1989 wurde dem Beschwerdeführer "gemäß §§ 1 Abs. 1 Z. 9, 11, 14 und 17 Abs. 1 und 2 des Vergnügungssteuergesetzes 1987 - VGSG, LGBl. für Wien Nr. 43/1987" für die Durchführung von Ausspielungen unter Verwendung von Losen (Glückshäfen) in seinem Betrieb in Wien, während des Zeitraumes 1. Mai bis 30. September 1988 eine Vergnügungssteuer von insgesamt S 225.374,-- zuzüglich eines Verspätungs- und eines Säumniszuschlages vorgeschrieben. In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, im Zuge amtlicher Erhebungen sei festgestellt worden, daß vom Beschwerdeführer in seinem Betrieb während des genannten Zeitraumes Ausspielungen von Warenpreisen mittels Loszetteln durchgeführt worden seien. Auf den hiebei verwendeten, nicht amtlich aufgelegten Loszetteln (Stückpreis: S 3,--) seien die Symbole des Kartenspiels (Buben, Damen, Könige und Asse) aufgedruckt gewesen. Der Teilnehmer an der Ausspielung habe, um einen Hauptpreis zu gewinnen, Loszettel mit vier gleichartigen Kartensymbolen vorzuweisen gehabt. Hieraus ergebe sich das Vorliegen des Steuertatbestandes gemäß § 1 Abs. 1 Z. 9 und § 11 VGSG ("Tombolaspiele, Glückshäfen und Juxausspielungen"). Wenn auch der Gesetzgeber die vorerwähnten Steuertatbestände im Vergnügungssteuergesetz nicht näher definiert habe, so sei doch der Inhalt dieser Begriffe auf Grund des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 169/1962, sowie dessen Novellen unschwer zu ermitteln. Im Beschwerdefall handle es sich um "Glückshäfen" im Sinne des § 33 Glücksspielgesetz 1962. Ob nun ein erzielbarer Gewinn die Ziehung bestimmter, auf den Loszetteln aufscheinender Zahlen, Punkte, Figurensymbole oder eine Kombination von solchen zur Voraussetzung habe, sei für die Beurteilung dieser Ausspielungen als "Glückshäfen" ohne maßgebliche Bedeutung. Der Umstand, daß die gegenständlichen Ausspielungen im Bereich des Wiener Volkspraters stattgefunden hätten, könne deren Qualifikation als "pratermäßige Volksbelustigungen" im Sinne des § 33 Vergnügungssteuergesetz für Wien 1963, BGBl. Nr. 11 idF der Novellen LGBl. Nr. 37/1976 und Nr. 16/1981, nicht begründen, weil die Steuerpflicht für Warenausspielungen unabhängig vom Betriebsort alle Unternehmer derartiger Veranstaltungen treffe. Die ziffernmäßige Richtigkeit des Bemessungsergebnisses sei vom Beschwerdeführer anerkannt worden.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, bei seinen sogenannten "Verlosungen" würden überhaupt keine Lose im engeren Sinn ausgegeben. Vielmehr würden zusammengefaltete Zettel zum Preis von S 3,-- ausgegeben, die eigentlich einen Bonus oder Warengutschein darstellten. Jeder dieser Zettel sei mit dem Bezug von Ware verbunden, lediglich die Höhe des Warenwertes sei unterschiedlich. Demnach werde mit jedem Kauf eines solchen "Zettels" auch Ware oder ein Gegenstand erworben. Weiters stellte der Beschwerdeführer in der Berufung den Antrag, die "Abgabennachforderung bis zur Entscheidung über vorliegende Berufung auszusetzen".

Mit Bescheid vom 29. Juni 1969 wies der Magistrat der Stadt Wien, MA 6 Abgabenhauptverrechnung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung der Einhebung für die oben genannte Abgabenschuld ab.

Auch dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission beide Berufungen als unbegründet ab. Hinsichtlich der Berufung gegen den Abgabenbescheid vom 5. April 1989 (Spruchpunkt I.) führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, im Zuge einer Überprüfung am 17. September 1988 hätten Revisionsorgane des Magistrates festgestellt, der Beschwerdeführer führe Warenausspielungen in der Form durch, daß Lose um S 3,-- verkauft würden, auf denen verschiedene Symbole bzw. Punkte abgebildet seien. Ziel des Spielers sei es, eine bestimmte Kombination von Symbolen bzw. eine bestimmte Punkteanzahl zu erreichen, um einen Preis unterschiedlicher Warenkategorien zu gewinnen. Laut Niederschrift vom 28. Februar 1989 habe der Beschwerdeführer in der Saison 1988 im Standort Wien, das Spiel "4 gewinnt" durchgeführt. Der Käufer eines Zettels (a S 3,--) müsse versuchen, vier gleiche Symbole (vier Buben, vier Damen, vier Könige, vier Asse) zu haben, um einen Hauptgewinn zu bekommen. Die Rechtsansicht der Abgabenbehörde erster Instanz sei zutreffend. Wenn der Beschwerdeführer zusammengefaltete Zettel zum Preis von S 3,-- an das Publikum abgegeben habe, sei darin ein Losverkauf gelegen, denn der Käufer habe durch den Kauf nicht eine bestimmte Ware erwerben können, sondern lediglich die Möglichkeit gehabt, einen Gewinn zu machen. Selbst wenn mit jedem Los ein Gewinn verbunden gewesen wäre, könne dies zu keiner anderen Beurteilung führen, da der glücksspielhafte Charakter des Vorganges dadurch nicht geändert werde. Ein Vergleich mit einem Bon, der zum Bezug einer vom Kunden frei gewählten Ware berechtigte, sei verfehlt, da mit dem Erwerb eines Bons oder einer Gutscheinmünze kein Element des Zufalls verbunden sei, der für das Glücksspiel (Ausspielung) typisch sei. Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung sei durch Zeitablauf gegenstandslos geworden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach seinem Vorbringen ficht der Beschwerdeführer den vorliegenden Bescheid "wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des gesamten Inhaltes nach" an, doch läßt der Inhalt der Beschwerde insgesamt klar erkennen, daß sich der Beschwerdeführer lediglich in seinem Recht auf Nichtfestsetzung von Vergnügungssteuer verletzt erachtet (vgl. hiezu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11 525/A). Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid (gemeint sohin nur: in seinem Spruchpunkt I.) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist folgendes festzuhalten:

Der Beschwerdeführer bezeichnet in der vorliegenden Beschwerde als belangte Behörde die "Bundeshauptstadt Wien, Magistratsdirektion". Dieser Umstand hinderte jedoch nicht, die Beschwerde einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen. Welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, kann nämlich nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Es ist daher jene Behörde Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. März 1986, Zl. 85/18/0078, Rechtsatz teilweise veröffentlicht in Slg. Nr. 12 088/A). In seinem Erkenntnis vom 29. April 1983, Zl. 81/17/0137, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Sinne etwa auch die Bezeichnung eines Rechtsträgers - damals die "Stadtgemeinde Innsbruck" - und nicht eines bestimmten Organes eines Rechtsträgers - damals die "Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck" als belangte Behörde - für hinreichend erachtet.

So auch hier: Obwohl die belangte Behörde weder die "Bundeshauptstadt Wien, Magistratsdirektion", geschweige denn der als Abgabenbehörde ERSTER Instanz eingeschrittene Magistrat der Stadt Wien, MA 4 - Referat 7, sein konnte, ist doch bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens die ABGABENBERUFUNGSKOMMISSION der Bundeshauptstadt Wien als belangte Behörde zu erkennen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 9 des am 1. Jänner 1988 in Kraft getretenen VGSG unterliegen unter anderem folgende im Gebiet der Stadt Wien veranstaltete Vergnügungen einer Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes:

...

9. Tombolaspiele, Glückshäfen und Juxausspielungen (§ 11).

Zum Unterschied davon galten nach der bis zu dem genannten Zeitpunkt geltenden Rechtslage (§ 2 Abs. 1 Z. 11 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. Nr. 11, idF LGBl. Nr. 16/1981) Ausspielungen unter Verwendung von Losen (Tombolen usw.) als steuerpflichtige Vergnügungen im Sinne des § 1 dieses Gesetzes.

Bei der Wahl der neuen Formulierung "Tombolaspiele, Glückshäfen und Juxausspielungen" hat sich der Landesgesetzgeber erkennbar an der Regelung und den Definitionen des Glücksspielgesetzes 1962 orientiert und (nurmehr) die dort genannten Ausspielungen der Vergnügungssteuer nach dieser Gesetzesstelle unterworfen. Nach § 33 Glücksspielgesetz 1962 sind Glückshäfen Ausspielungen, bei denen die Spieler durch Ziehung die auf ihre Spielanteile (Loszettel) entfallenden Treffer oder Nieten ermitteln oder zu deren Ermittlung beitragen. Juxausspielungen sind nach § 34 leg. cit. Ausspielungen, bei denen auf jeden Spielanteil (Loszettel) ein Treffer entfällt und die Spieler durch Ziehung die auf ihre Spielanteile entfallenden Treffer ermitteln. Die folgenden Bestimmungen dieses Gesetzes enthalten Regelungen über die Übertragung des Rechtes des Bundes zur Durchführung unter anderem solcher Ausspielungen an dritte Personen und weitere Bestimmungen über die Durchführung dieser Ausspielungen. So dürfen etwa nach § 39 Abs. 3 leg. cit. bei Tombolaspielen, Glückshäfen und Juxausspielungen nur die von der Österreichischen Glücksspielmonopolverwaltung aufgelegten und mit Kontrollvermerk versehenen Spielanteile verwendet werden. Gemäß § 43 Abs. 1 ist das Spielergebnis durch öffentliche Ziehung zu ermitteln.

Daraus ergibt sich, daß die gegenständliche Ausspielung keineswegs dem § 1 Abs. 1 Z. 9 VGSG subsumiert werden kann. Ein Tombolaspiel scheidet begrifflich aus. Ob, wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung behauptet hat, jeder der von ihm verkauften Zettel mit dem Bezug von Ware verbunden ist, was zunächst auf eine Juxausspielung nach § 34 Glücksspielgesetz hindeuten würde, hat die belangte Behörde zwar in Außerachtlassung ihrer Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsermittlung nicht geklärt. Dies ist jedoch ohne rechtliche Bedeutung, weil die weiteren Merkmale von Glückshäfen und/oder Juxausspielungen im Sinne des Glücksspielgesetzes - und damit auch im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 9 VGSG - fehlen. Es wurde insbesondere das Spielergebnis nicht durch öffentliche Ziehung ermittelt; vielmehr hat der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen "Lose" verkauft, wobei der Käufer bei Erwerb und damit Besitz von vier Zetteln mit gleichen Symbolen das Recht auf Bezug eines "Hauptgewinnes" hatte.

Da die belangte Behörde die Rechtslage im aufgezeigten Sinn verkannte, war ihr Bescheid schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen werden mußte. Hiebei konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil das VwGG den Zuspruch von Einheitssatz nicht kennt und die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.

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