VwGH 90/14/0137

VwGH90/14/013712.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N (Bundesrepublik Deutschland) gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 29. März 1990, Zl. 82.153-8/89, betreffend Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. b Finanzstrafgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
EStG 1972 §76;
FinStrG §1;
FinStrG §33 Abs2 litb;
FinStrG §98 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
EStG 1972 §76;
FinStrG §1;
FinStrG §33 Abs2 litb;
FinStrG §98 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im April 1985 wurde bei der F. GmbH eine Lohnsteuerprüfung durchgeführt, anläßlich derer keinerlei Lohnverrechnungsunterlagen vorgelegt wurden. In der Folge holte das Finanzamt von der Gebietskrankenkasse die Sozialversicherungsbeitragsunterlagen ein und errechnete daraus die Lohnabgaben, wobei sich für den Prüfungszeitraum ein Gesamtbetrag an Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag (samt Zuschlag) in Höhe von S 294.424,84 ergab. Da an das Finanzamt lediglich insgesamt S 74.737,-- abgeführt worden waren, verblieb ein Verkürzungsbetrag von insgesamt S 219.687,84. Der auf den Prüfungsfeststellungen basierende Nachforderungsbescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Verantwortlicher der F. GmbH in den Jahren 1980 bis 1982 fortgesetzt vorsätzlich eine Verkürzung an Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfond für Familienbeihilfe (samt Zuschlägen) in der Höhe von S 219.687,84 insoferne bewirkt, als er unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes entsprechenden Lohnkonten die genannten Abgaben nicht in voller Höhe an das Finanzamt abgeführt habe, wobei er den Eintritt des Erfolges nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten habe. Der Beschwerdeführer habe hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 90.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Tage) verhängt.

Die belangte Behörde führte im wesentlichen aus, ordnungsgemäße Lohnkonten seien für die F. GmbH keinesfalls geführt worden. Handelsrechtliche Geschäftsführerin sei zwar die Ehegattin des Beschwerdeführers gewesen; er selbst habe aber nicht nur als gewerberechtlicher Geschäftsführer fungiert, sondern auch die steuerlichen Belangen der GmbH wahrgenommen. Er sei damit auch für den Lohnsteuerabzug verantwortlich gewesen. Die belangte Behörde billigte den Schuldspruch der Erstbehörde, die dem Beschwerdeführer vorgeworfen hatte, er sei seit 1980 laufend von Buchhaltungskräften auf die Mißstände im Bereich der Buchhaltung und Lohnverrechnung aufmerksam gemacht worden, auch in subjektiver Hinsicht. Sie sei angesichts der festgestellten groben Diskrepanzen der Überzeugung, daß der Beschwerdeführer qualifizierten Vorsatz (Wissentlichkeit) zu verantworten habe, zumal auch unter steuerlichen Laien allgemein bekannt sei, daß Lohneinkünfte in voller Höhe dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen seien.

Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer erkennbar in seinem Recht, nicht der Abgabenhinterziehung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden, verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1972 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer oder Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfond für Familienbeihilfen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält.

Den kursorischen Beschwerdegründen kann entnommen werden, daß der Beschwerdeführer behauptet, bei der F. GmbH für die ordnungsgemäße Abfuhr der Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge nicht verantwortlich gewesen zu sein, in eventu nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Unbestritten bleibt, daß bei der GmbH keine dem § 76 EStG 1972 entsprechenden Lohnkonten geführt wurden und daß es hiedurch zu einer Abgabenverkürzung gekommen ist.

Der Beschwerdeführer wendet sich somit im wesentlichen gegen die Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde über die Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten bei der GmbH und gegen die Anlastung von Vorsatz. Auf diesen, auch wenn er vom Gesetz in der Form der Wissentlichkeit gefordert wird, kann in der Regel nur aus äußeren Umständen geschlossen werden. Auch die Frage danach, was der Täter zur Tatzeit für gewiß gehalten hat, ist somit eine Tatfrage, deren Beantwortung von der Würdigung der Beweise abhängt. Eine Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung würde nicht inhaltliche Rechtswidrigkeit nach sich ziehen, sondern nur eine Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Folge haben, die nur im Falle ihrer Wesentlichkeit zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führt. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer nur inhaltliche Rechtswidrigkeit behauptet, obwohl er die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, hindert die Untersuchung seines Vorbringens unter dem richtigen rechtlichen Gesichtspunkt aber nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1989, Zl. 89/14/0008).

Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden Kontrollbefugnis (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 548 ff) hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde einer Überprüfung aber stand:

Die Behauptung des Beschwerdeführers, er wäre allenfalls das eine oder andere Mal in steuerlichen Belangen eingeschritten, widerspricht den im angefochtenen Bescheid dargestellten Ergebnissen des Beweisverfahrens völlig. Aus der Aussage des Beschwerdeführers vom 8. September 1983, den Aussagen seiner Ehegattin und einer weiteren Zeugin sowie seinem aktenkundigen Einschreiten für die GmbH ergibt sich hinreichend deutlich, daß er in - auch steuerlichen - Belangen der GmbH das Sagen hatte und seine Ehegattin nur pro forma als (handelsrechtliche) Geschäftsführer fungierte. Der Beschwerdeführer ist nicht in der Lage, gegen die diesbezügliche eingehende Beweiswürdigung der belangten Behörde irgendwelche konkreten Argumente ins Treffen zu führen.

Dem von ihm betonten Handelsregisterstand kommt in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu: Für die Annahme der Täterschaft genügt die faktische Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Abgabepflichtigen; eines

- rechtsgeschäftlichen oder organmäßigen - Vollmachtsverhältnisses bedarf es nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1987, Zl. 86/15/0022, Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, § 33 Anmerkungen 4 und 5). Als "faktischer Geschäftsführer" (vgl. Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, Seite 566 f) trifft den Beschwerdeführer aber die finanzstrafrechtliche Verantwortung für die Führung der Lohnkonten.

Was die Frage vorsätzlichen Handelns anlangt, ist vorauszuschicken, daß bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG lediglich für den Verkürzungserfolg die Schuldform der Wissentlichkeit nötig ist und für die Pflichtverletzung - auch bloß bedingter - Vorsatz genügt (vgl. zu lit. a der zitierten Bestimmung das hg. Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 84/15/0134; weiters Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, aaO, § 33 Anm. 2 und Entscheidung 37; Sommergruber-Reger, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, § 33 Anm. 3 d).

Der Beschwerdeführer beschränkt sich in der Beschwerde darauf, das Vorliegen von Vorsatz zu bestreiten, ohne hiefür irgendwelche Gründe anzubieten.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer wiederholt auf die Mißstände auch in der Lohnverrechnung aufmerksam gemacht worden war, ist es nicht rechtswidrig, hinsichtlich der Lohnkontenführung zumindest bedingten Vorsatz anzunehmen. Der belangten Behörde kann unter den gegebenen Umständen aber auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie zum Ergebnis gelangt ist, der Beschwerdeführer habe hinsichtlich des Verkürzungserfolges wissentlich gehandelt. Nicht einmal in der Beschwerde wird behauptet, es sei dem Beschwerdeführer unbekannt gewesen, daß die Unterlassung der Führung ordnungsgemäßer Lohnkonten eine Abgabenverkürzung zur Folge haben werde, wie sie schließlich in beträchtlicher Höhe auch eingetreten ist.

Dem Beschwerdeführer ist es somit nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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