VwGH 90/13/0062

VwGH90/13/006216.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Voristzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Jänner 1990, Zl. GA 5-1502/1/90, betreffend Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen für das Kalenderjahr 1988, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §34 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs3;
VwRallg;
EStG 1972 §34 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte die Berücksichtigung von Darlehensrückzahlungen in der Höhe von S 79.404,-- als außergewöhnliche Belastung durch Eintragung eines entsprechenden Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1988 und begründete diesen Antrag damit, daß es seiner Frau gelungen sei, ein Insolvenzverfahren mit einem Zwangsausgleich zu beenden. Die Finanzierung dieses Zwangsausgleiches sei ihm und seiner Frau nur durch Aufnahme von Krediten möglich gewesen. Er habe sich dieser Hilfestellung nicht entziehen können, weil es ansonsten zu einer "Beendigung des Konkursverfahrens durch Abweisung" mit den entsprechenden Folgen für seine Ehefrau gekommen wäre. Im Hinblick auf ihr Lebensalter und ständige Exekutionen wäre ihr eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nicht gelungen.

Den vom Beschwerdeführer vorgelegten Ablichtungen ist zu entnehmen, daß die Rückzahlungen einen am 25. April 1986 abgeschlossenen Barkreditvertrag über S 250.000,-- und einen am 15. September 1987 geschlossenen Barkreditvertrag über S 35.000,-- betreffen.

In der Vorhaltsbeantwortung vom 23. August 1988 teilte der Beschwerdeführer mit, daß die Ehe am 21. August 1986 geschlossen worden sei, und wiederholte seine Begründung für die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen wäre nur dann zu bejahen, wenn Zwangsläufigkeit bereits bei Aufnahme der Kredite vorgelegen sei. Den Beschwerdeführer habe bei Aufnahme des ersten Kredites am 25. April 1986 weder die rechtliche noch die sittliche Pflicht zur Eingehung einer derartigen Verbindlichkeit getroffen, und zwar selbst dann nicht, wenn damals bereits eine außereheliche Lebensgemeinschaft zwischen ihm und seiner späteren Ehefrau bestanden habe. Die Aufwendungen auf Grund dieses Kreditvertrages seien daher nicht zwangsläufig entstanden. Die Aufwendungen auf Grund des zweiten Kreditvertrages hätten keine steuerlichen Auswirkungen, weil sie die zumutbare Mehrbelastung nicht überstiegen.

In der dagegen erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, der Abschluß des Barkreditvertrages vom 25. April 1986 sei zwangsläufig erfolgt, weil damals die Lebensgemeinschaft mit seiner nunmehrigen Ehefrau bereits fast zwei Jahre gedauert habe. Bei dieser Sachlage sei davon auszugehen, daß der Darlehensaufnahme am 25. April 1986 eine sittliche Verpflichtung des Beschwerdeführers zugrunde gelegen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte aus, für die Partner einer Lebensgemeinschaft bestehe keine rechtliche Ordnung ihres Gemeinschaftsverhältnisses, weshalb sich die Lebensgemeinschaft rechtlich von der Ehe, die unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehe und bei der das Gemeinschaftsverhältnis durch Gesetz eine bis ins Detail gehende Ordnung erfahren habe, wesentlich unterscheide. Es bestehe bei der Lebensgemeinschaft keine gesetzliche Verpflichtung zur gegenseitigen Leistung von Pflege und Unterhalt. Die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen sei zu verneinen, weil der Beschwerdeführer nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen nicht verpflichtet gewesen sei, einen Kredit von S 250.000,-- aufzunehmen, um Schulden seiner Lebensgefährtin abzudecken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1972 werden auf Antrag außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Außergewöhnlich ist eine Belastung, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (§ 34 Abs. 2 leg. cit). Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Für die Abzugsfähigkeit der gegenständlichen Darlehensrückzahlungen ist entscheidend, ob das Eingehen der Darlehensverpflichtung für den Beschwerdeführer zwangsläufig erfolgt ist. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob die Aufwendungen auf Grund des Darlehensvertrages vom 25. April 1986 dem Beschwerdeführer deshalb zwangsläufig erwachsen sind, weil er sich dem Abschluß dieses Vertrages aus sittlichen Gründen nicht entziehen konnte.

Was im Einzelfall sittliche Pflicht des Steuerpflichtigen ist, bestimmt sich nach den Vorstellungen billig und gerecht denkender Menschen darüber, welches Verhalten von dem Betreffenden in seiner Lebenssituation erwartet werden kann, widrigenfalls ihm von der Gesellschaft, der er angehört, mit Mißbilligung begegnet wird. Entscheidend ist daher nicht das subjektive Pflichtgefühl des Steuerpflichtigen, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen. Es reicht daher nicht aus, daß das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich ist, es muß vielmehr die Sittenordnung dieses Handeln gebieten (siehe das hg. Erkenntnis vom 26. April 1989, Zl. 86/14/0085, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Die außereheliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau allein zieht sittliche Pflichten der Lebensgefährten gegeneinander nicht nach sich, wie sie zwischen Eheleuten bestehen. Die außereheliche Lebensgemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, daß die Gefährten die für die Ehe wesentlichen gegenseitigen Pflichten nicht übernehmen wollen oder können. Die sittlichen Pflichten der Ehegatten haben aber gerade ihren Grund in der für die Ehe typischen Treue- und Beistandspflicht. Um der Ehe in bezug auf die sittlichen Pflichten der Partner gleichgehalten zu werden, müßte sich die außereheliche Lebensgemeinschaft bereits auf Dauer gerade in Fällen, die Treue und gegenseitige Beistandsleistung erforderten, derart bewährt haben, wie sich dies aus der Ehe ergeben sollte. Nur dann könnten auch die einer Ehe vergleichbaren gegenseitigen sittlichen Pflichten der Partner zwischen Gefährten einer außerehelichen Lebensgemeinschaft angenommen werden. Diese Voraussetzungen müßten auf Grund objektiver Anhaltspunkte feststellbar sein (siehe hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1986, Zl. 86/14/0004).

Wendet man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall an, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß die Auffassung der belangten Behörde, am 25. April 1986 habe für den Beschwerdeführer keine sittliche Pflicht zur Darlehensaufnahme bestanden, nicht rechtswidrig ist. Nach den im Akt befindlichen Meldezetteln ist die Lebensgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner späteren Ehegattin im Oktober 1984 begründet worden. Sie hat demnach im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme rund eineinhalb Jahre gedauert. Die Dauer dieser Lebensgemeinschaft ist zu kurz, um aus der Dauer allein schon ein in bezug auf die sittlichen Pflichten der Partner der Ehe gleichwertiges Gemeinschaftsverhältnis annehmen zu können. Durch objektive Anhaltspunkte feststellbare Umstände, in denen sich die Lebensgemeinschaft durch Treue und gegenseitige Beistandsleistung derart bewährt hätte, daß trotz der kurzen Dauer der Lebensgemeinschaft sich bereits sittliche Pflichten für die Partner wie in einer Ehe ergeben hätten, sind nicht hervorgekommen. Der in der Beschwerde in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Tatsache, daß die spätere Ehegattin des Beschwerdeführers, die damals unübersehbare finanzielle und berufliche Sorgen gehabt habe, ihn in besonderem Maße gebraucht habe und er ihr "mit Rat und Tat, aber auch mit Trost und Zuspruch helfen mußte", läßt die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen im eingangs beschriebenen Sinne nicht erkennen, weil ohne Vorliegen weiterer Umstände nicht davon ausgegangen werden kann, daß das Verhalten eines Mannes, der seiner Lebensgefährtin nach eineinhalbjähriger Dauer der Lebensgemeinschaft nicht durch Aufnahme eines Darlehens über S 250.000,-- zur Abdeckung ihrer Schulden aus der Zeit vor Beginn der Lebensgemeinschaft aushilft, von der Gesellschaft mißbilligt wird. Auch die vom Beschwerdeführer hervorgehobene Tatsache, daß er Magistratsbediensteter ist, ändert nichts an dieser Beurteilung, weil keine moralischen Gebote bekannt sind, die einem Magistratsbediensteten in der beschriebenen Situation ein anderes Verhalten vorschreiben als den übrigen Steuerpflichtigen.

Der Beschwerdeführer vertritt abschließend die Auffassung, "daß der Gesetzgeber selbst eine weitgehende Gleichstellung der Lebensgemeinschaft mit der Ehe erreichen will und die entsprechenden legistischen Schritte u.a. im Mietrecht, im Arbeitslosenversicherungsrecht und im Strafrecht bereits gesetzt hat", weshalb eine strenge Unterscheidung zwischen Lebensgemeinschaft und Ehe nicht zulässig sei.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß sich der Verwaltungsgerichtshof dadurch nicht veranlaßt sieht, von der oben wiedergegebenen, im zitierten Erkenntnis vom 13. Mai 1986 dargelegten Auffassung abzugehen. Aus der Tatsache, daß in einzelnen Rechtsnormen der Lebensgefährte gleich einem Ehegatten behandelt wird (vgl. § 72 StGB), folgt keineswegs eine "weitgehende Gleichstellung" der Lebensgemeinschaft mit der Ehe. Derartiges wird solange nicht gesagt werden können, als die maßgebenden Vorschriften der §§ 89 ff ABGB über die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nur für Ehegatten und nicht auch für Lebensgefährten gelten.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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