VwGH 90/11/0174

VwGH90/11/017425.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der Maria W in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K gegen die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch vorläufige Abnahme des Führerscheines, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §76 Abs1;
KFG 1967 §76 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verursachte am 8. August 1990 um 21.05 Uhr als Lenkerin eines Pkws in St. Johann in Tirol einen Verkehrsunfall. Die auf dem Gendarmerieposten St. Johann i.T. um 21.49 Uhr und um 21.50 Uhr vorgenommene Untersuchung der Atemluft ergab Werte von 0,79 und 0,86 mg/l. Ein Beamter dieser Dienststelle erklärte hierauf der Beschwerdeführerin, daß ihr Führerschein vorläufig abgenommen werde und stellte eine Bestätigung darüber aus.

In der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, die vorläufige Abnahme ihres Führerscheines kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkend am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Diese Annahme wird unter anderem dann nicht gerechtfertigt sein, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenktätigkeit beendet, und nichts dafür spricht, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (siehe das hg. Erkenntnis vom 6. März 1990, Zl. 89/11/0257, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Die Beschwerdeführerin hält die vorläufige Abnahme ihres Führerscheines deshalb für rechtswidrig, weil mangels objektiver Anhaltspunkte kein Grund zur Annahme bestanden habe, sie werde die Lenktätigkeit fortsetzen. Sie habe auch keinen dahingehenden Versuch unternommen, sondern vielmehr dafür Vorsorge getroffen, daß sie von ihrem Lebensgefährten nach Hause gebracht werde.

Die belangte Behörde hält in ihrer Gegenschrift die vorläufige Abnahme des Führerscheines der Beschwerdeführerin deshalb für berechtigt, weil dem Gendarmeriebeamten in diesem Zeitpunkt einerseits nicht bekannt gewesen sei, daß die Beschwerdeführerin von ihrem Lebensgefährten nach Hause gebracht werde, und sie andererseits ausdrücklich erklärt habe, den Führerschein und ihr Fahrzeug für die Fahrt zur Arbeit dringend zu benötigen.

Im vorliegenden Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Abnahme ihres Führerscheines in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat. Aus der Anzeige des Gendarmeriepostens St. Johann in Tirol vom 8. August 1990 und den Aussagen des als Zeuge vernommenen Rev.Insp. K ergibt sich weiters, daß der nach dem Unfall beim Gendarmerieposten abgestellte Pkw der Beschwerdeführerin zwar schwere Beschädigungen aufwies, aber noch betriebsbereit war. Auch dies wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Angesichts dessen stand für die Gendarmeriebeamten keineswegs fest, daß die Beschwerdeführerin die Lenktätigkeit bereits beendet habe, sondern lag die Annahme nahe, sie werde zumindest versuchen, nach dem Ende der Amtshandlung ihr Kraftfahrzeug nach Hause zu lenken. Die Beschwerdeführerin hat zwar vorgebracht, sie habe ihren Freund (Lebensgefährten) nach dem Unfall verständigt, dieser sei auch zum Gendarmerieposten gekommen und es sei dadurch für ihre Heimfahrt vorgesorgt gewesen. Ihren Aussagen anläßlich der Vernehmung durch das Bezirksgericht Kitzbühel am 28. März 1991 läßt sich aber nichts entnehmen, was die bekämpfte Maßnahme als rechtswidrig erscheinen ließe. Dort gab sie nämlich an, vor dem Hinuntergehen (gemeint: vom Gendarmerieposten zu dem davor abgestellten Kfz der Beschwerdeführerin, aber nach erfolgter Führerscheinabnahme) sei sie von Rev.Insp. K gefragt worden, wie sie nun nach Hause kommen würde. Sie habe geantwortet, daß ihr Freund unten sei und sie mit ihm nach Hause fahren könne. Aus der Schilderung des Geschehensablaufes durch die Beschwerdeführerin ergibt sich nicht, daß ihr Freund noch vor Abnahme ihres Führerscheines im Gendarmerieposten erschienen und daß den Gendarmeriebeamten gegenüber erklärt worden wäre, die Beschwerdeführerin würde von ihrem Freund nach Hause gebracht werden und es wäre auch das Wegschaffen ihres Pkws durch eine dazu geeignete Person sichergestellt. Es kann dahinstehen, ob bereits eine derartige Erklärung ausgereicht hätte, um die Befürchtung, die Beschwerdeführerin werde versuchen, einen Pkw selbst zu lenken, zu zerstreuen. Da die Beschwerdeführerin bei ihrer Vernehmung gar nicht behauptet hat, von der Führerscheinabnahme eine derartige Erklärung abgegeben zu haben, vermag der Verwaltungsgerichtshof die der bekämpften Maßnahme zugrundeliegende Annahme, es sei angesichts der gegebenen Umstände zu befürchten, daß die Beschwerdeführerin zumindest versuchen werde, nach dem Ende der Amtshandlung einen Pkw neuerlich in Betrieb zu nehmen, nicht als unbegründet zu erkennen. Diese Annahme allein schon rechtfertigte die Abnahme des Führerscheines der Beschwerdeführerin. Bemerkt sei, daß es in diesem Zusammenhang allein auf den Kenntnisstand der Gendarmeriebeamten im Zeitpunkt der Setzung dieser Maßnahme ankommt. Daher kommt einer allfälligen späteren Erklärung wie auch dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin ihrem Vorbringen zufolge tatsächlich mit ihrem Freund nach Hause gefahren und daß ihr Pkw mit Hilfe ihrer Schwester vom Gendarmerieposten weggebracht worden sei, von vornherein keine rechtliche Bedeutung zu. Bei diesem Ergebnis brauchte nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob auch Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, die Beschwerdeführerin werde "in der Nacht noch oder zumindest sehr früh am Morgen" (so die Aussage des Rev.Insp. K bei seiner Vernehmung durch das Bezirksgericht Kitzbühel am 28. März 1991) mit einem Kraftfahrzeug zu ihrer Arbeitsstelle in Scheffau fahren.

Da sich die Beschwerde aus den angeführten Gründen als nicht begründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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