VwGH 90/10/0175

VwGH90/10/017518.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Umweltanwalts des Landes Steiermark gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. September 1990, Zl. 6-53 Vo 1/1-1990, betreffend Ausnahmebewilligung zum Fangen und Halten von Singvögeln (mitbeteiligte Parteien: 1.) A,

  1. 2.) B, 3.) C, 4.) D, 5.) E, 6.) F, 7.) G, 8.) H, 9.) I, 10.) J,
  2. 11.) K, 12.) L, 13.) M, 14.) N und 15.) O), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs4;
AVG §8;
NatSchG Stmk 1976 §13 Abs4;
NatSchG Stmk 1976 §13 Abs5;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §62 Abs4;
AVG §8;
NatSchG Stmk 1976 §13 Abs4;
NatSchG Stmk 1976 §13 Abs5;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. September 1990 wurde den mitbeteiligten Parteien (nach der Aktenlage Mitglieder des Vereins der Vogelfreunde in L und Umgebung) gemäß "§ 13 Abs. 3 lit. a" des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 - NSchG 1976, LGBl. Nr. 65, unter einer Reihe von Auflagen die Bewilligung erteilt, in der Zeit vom 15. September bis 30. November 1990 in bestimmten Fangbereichen Singvögel zu fangen und sie bis zum 15. Mai 1991 zu halten, und zwar zwei Fichtenkreuzschnäbel oder zwei Kiefernkreuzschnäbel, zwei Gimpel, zwei Stieglitze und zwei Zeisige. Gleichzeitig wurde die Entrichtung einer Verwaltungsabgabe vorgeschrieben.

In der Begründung wurde ausgeführt, die betroffenen Vogelarten fielen zwar unter den Schutz der (Steiermärkischen) Naturschutzverordnung, sie seien aber in ihrem Bestand nicht gefährdet. Im Gesetz vorgesehene Bewilligungsgründe lägen nicht vor, weil im vorliegenden Fall das Fangen und Halten (Stubenvogelhaltung) weder aus wissenschaftlichen noch aus Zuchtgründen erfolge. Der Verein der Vogelfreunde in L und Umgebung führe zwar immer wieder für seinen Standpunkt die 400 Jahre alte Tradition, seine 40-jährige einschlägige Tätigkeit und die an die heutige Zeit angepaßte Art der Ausübung des Fanges und des Haltens ins Treffen. Diese Argumente böten aber keine ausreichende Rechtfertigung für die angestrebte Bewilligung, weil auch Traditionen einem gewissen Wandel unterworfen seien und den geänderten Anschauungen angepaßt werden müßten. Gleichwohl habe die Behörde in Anbetracht dessen, daß die Aufgabe einer alten Tradition schmerzlich sein mag und keine gefährdeten Vogelarten betroffen seien, sowie mit Rücksicht auf die verdienstvolle Vogelbeobachtung durch den Verein erwogen, ungeachtet des Fehlens von Bewilligungsgründen die vorliegende Bewilligung zu erteilen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet. Die erstangeführte mitbeteiligte Partei (Obmann des Vereins der Vogelfreunde in L und Umgebung) hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der mit "Schutz der Pflanzen- und Tierwelt" überschriebene § 13 Abs. 1 NSchG 1976 ermächtigt in seinem Abs. 1 die Landesregierung, durch Verordnung näher angeführte Pflanzen und Tiere zu schützen. Auf Grund dieser Ermächtigung erging die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. Mai 1987 über den Schutz wildwachsender Pflanzen und von Natur aus freilebender und nicht der Jagdausübung unterliegender Tiere (Naturschutzverordnung), LGBl. Nr. 52. Aus der Aufzählung der geschützten Vögel in § 4 B dieser Verordnung ergibt sich, daß unter anderem die im angefochtenen Bescheid genannten Vogelarten ganzjährig geschützt sind.

§ 13 NSchG 1976 regelt in seinen Abs. 2 und 3 den Schutz von Pflanzen und in seinem Abs. 4 den Schutz von Tieren. Danach dürfen geschützte Tiere unter anderem nicht gefangen oder gehalten werden.

§ 13 Abs. 5 NSchG bestimmt:

"(5) Ausnahmen von den Schutzbestimmungen nach Abs. 2 bis 4 kann die Landesregierung auf Antrag im Einzelfall mit Zustimmung des Grundeigentümers (Verfügungsberechtigten) und bei Tieren nach Anhörung der Steirischen Landesjägerschaft für bestimmte Flächen bei reichlichem Vorkommen und gesichertem Weiterbestand

  1. a) aus wissenschaftlichen oder Zuchtgründen,
  2. b) zur Hintanhaltung von Schäden,
  3. c) aus gerechtfertigten wirtschaftlichen Gründen bewilligen."

    2. In der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei wird, ohne nähere Begründung, die Parteistellung des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und seine Berechtigung zur Einbringung der vorliegenden Beschwerde verneint.

    Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. Juni 1988 über Einrichtungen zum Schutze der Umwelt, LGBl. für Steiermark Nr. 78, hat der Umweltanwalt in behördlichen Verfahren im Vollziehungsbereich des Landes, die auch eine Vermeidung einer erheblichen und dauernden Beeinträchtigung von Menschen und der Umwelt zum Gegenstand haben, Parteistellung im Sinne des § 8 AVG 1950 sowie das Recht, gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Verfahren gemäß § 13 Abs. 5 NSchG 1976 betreffend Ausnahmen von den Schutzbestimmungen nach Abs. 2 bis 4 dieses Paragraphen haben im Sinne des § 6 Abs. 2 des vorhin genannten Gesetzes die Vermeidung einer erheblichen und dauernden Beeinträchtigung der Umwelt, näherhin der Pflanzen- und Tierwelt, zum Gegenstand. Das ergibt sich einerseits aus dem ausdrücklichen Zweck des § 13 NSchG 1976 ("Schutz der Pflanzen- und Tierwelt"; diese gehört, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, zu einer intakten Umwelt) und anderseits aus der Umschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung ("reichliches Vorkommen", "gesicherter Weiterbestand") sowie aus der Beschränkung der Bewilligungsgründe auf die in den lit. a bis c aufgezählten (vgl. das zur gleichlautenden Wendung in § 11 des NÖ Umweltschutzgesetzes 1984 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Februar 1988, Zl. 87/10/0011). Der Beschwerdeführer war daher berechtigt, am Verfahren vor der belangten Behörde als Partei teilzunehmen und gegen den dieses Verfahren abschließenden Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

    3. Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht schon wegen der Anführung einer unrichtigen Gesetzesstelle (§ 13 Abs. 3 lit. a statt richtig Abs. 5) mit einer zu seiner Aufhebung führenden Rechtswidrigkeit behaftet, weil es sich hiebei offenkundig nur um ein Versehen bei der Zitierung der von der belangten Behörde tatsächlich angewendeten Gesetzesstelle handelt und ein derartiges Versehen für sich allein noch nicht die Aufhebung eines Bescheides zur Folge hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1990, Zl. 90/10/0087, mit weiteren Hinweisen).

    4. Zu Recht allerdings erachtet der Beschwerdeführer die vorliegend erteilte Ausnahmebewilligung wegen des Fehlens eines gesetzlichen Bewilligungstatbestandes für rechtswidrig. Nach Lage des Falles kommen hier die in den lit. b und c des § 13 Abs. 5 angeführten Gründe von vornherein nicht in Betracht. Daß die in der lit. a dieser Gesetzesstelle genannten Gründe im vorliegenden Fall nicht vorliegen, hat die belangte Behörde selbst ausdrücklich angenommen. Die Gegenschrift tritt dem nicht konkret entgegen. Ihr Hinweis auf ein anderes Betätigungsfeld des Vereins, nämlich die "Beobachtung des Vogelzugs", hat mit dem hier zu beurteilenden Fangen und Halten von Singvögeln (Stubenvogelhaltung) nichts zu tun. Wenn in der Gegenschrift vorgebracht wird, daß durch das Fangen und kurzzeitige Halten der vom Bescheid betroffenen Vögel der Bestand dieser Vogelarten nicht gefährdet oder vernichtet werde, so ist dem entgegenzuhalten, daß § 13 Abs. 5 NSchG 1976 die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ausschließlich aus den in seinen lit. a bis c genannten Gründen vorsieht. Dazu zählt nicht auch die Pflege und Erhaltung von Traditionen. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenschrift lassen außer acht, daß die Rechtslage im Land Steiermark hiefür keine Grundlage bietet. Gleiches gilt für das Vorbringen in der Gegenschrift, wonach der Vogelfang auch zur Information der Bevölkerung, zur Gewinnung von Anschauungsmaterial für den Unterricht in Schulen u.dgl. wünschenswert sei.

    5. Aus den unter 4. angeführten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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