VwGH 90/10/0170

VwGH90/10/017028.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der NÖ Landesregierung vom 2. August 1990, Zl. II/3-4204-90, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Berufung in einer Verwaltungsstrafsache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft A (in der Folge: BH) vom 2. Jänner 1990 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des NÖ Naturschutzgesetzes eine Geldstrafe von S 1.500,-- verhängt. Aufgrund seines Einspruches vom 1. Februar 1990 erließ die BH mit Datum 6. Februar 1990 ein Straferkenntnis (im folgenden kurz: Straferkenntnis), mit welchem über den Beschwerdeführer wiederum eine Geldstrafe von S 1.500,-- verhängt und der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens mit S 150,-- bestimmt wurden. Laut dem im Akt erliegenden Rückschein wurde dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer als Empfänger der Sendung am 8. Februar 1990 übernommen.

Der Beschwerdeführer brachte am 24. April 1990 bei der BH eine schriftliche Eingabe ein, in der er ausführte, er habe am 11. April 1990 ein Mahnschreiben der BH erhalten, in dem er zur Bezahlung der "Geldstrafe von S 1.650,--" aufgefordert worden sei. Daraufhin habe er seinen Vertreter im Verwaltungsverfahren, Dr. K., aufgesucht, der über telefonische Anfrage bei der BH die Auskunft erhalten habe, das Mahnschreiben beziehe sich auf ihren Strafbescheid, der vom Beschwerdeführer "eigenhändig mit Rückschein, datiert vom 8.2.1990, übernommen" worden sei. Tatsächlich sei dem Beschwerdeführer ein derartiger Bescheid nicht zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe sich am 8. Februar 1990 an seinem Arbeitsplatz in Deutschland befunden. Dazu werde auf die beigelegte Bestätigung des dortigen Dienstgebers hingewiesen, derzufolge der Beschwerdeführer in der Zeit vom 7. bis 9. Februar 1990 in D-8130 Starnberg gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer stellte abschließend den Antrag auf Zustellung des Strafbescheides. Subsidiär beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, er sei mangels Bescheidzustellung an der fristgerechten Einbringung eines Rechtsmittels gehindert gewesen. Gleichzeitig erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen das Straferkenntnis.

Mit Bescheid der BH vom 26. April 1990 wurde der Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer habe nach seinem eigenen Vorbringen das Mahnschreiben der BH am 11. April 1990 erhalten und damit Kenntnis von der Versäumung der Berufungsfrist gehabt oder erlangen können. Daher habe mit diesem Tage die Wiedereinsetzungsfrist begonnen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei aber erst am 24. April 1990 - somit verspätet - eingebracht worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, es sei ihm der Strafbescheid der BH A bisher nicht zugestellt worden, weshalb eine "Verfristung der Wiedereinsetzung" nicht vorliegen könne. Gleichzeitig wiederholte der Beschwerdeführer sein Begehren auf Zustellung des Straferkenntnisses.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 2. August 1990 wurde der Berufung gegen den den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers zurückweisenden Bescheid der BH vom 26. April 1990 keine Folge gegeben und dieser Bescheid bestätigt (Punkt I). Gleichzeitig wurde die Berufung gegen das Straferkenntnis der BH als verspätet eingebracht zurückgewiesen (Punkt II).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid spricht nicht über das Begehren des Beschwerdeführers auf Zustellung des Straferkenntnisses der BH ab. Mangels eines derartigen Abspruches kann daher der Beschwerdeführer insoweit in seinen Rechten durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt sein.

2. Gemäß § 71 Abs. 2 AVG 1950 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990) muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Die belangte Behörde hat in der Frage der Verspätung des Wiedereinsetzungsantrages keine von der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides abweichende Auffassung vertreten, sondern sich insoweit mit der wörtlichen Wiedergabe dieser Begründung begnügt. Der Beschwerdeführer ist der dort dargelegten Auffassung, wonach die Wiedereinsetzungsfrist mit 11. April 1990 zu laufen begonnen habe, nie entgegengetreten. Auf dem Boden dieser Auffassung entspricht die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages wegen Fristversäumung dem Gesetz.

Davon abgesehen wäre für den Beschwerdeführer auch im Falle einer meritorischen Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nichts zu gewinnen gewesen. Die belangte Behörde ging in Ansehung des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes (Nichtzustellung des Straferkenntnisses der BH) im Gegensatz zum diesbezüglichen, mit dem Wiedereinsetzungsantrag übereinstimmenden Berufungsvorbringen davon aus, daß das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt worden sei. Sie zog daraus den Schluß auf das Nichtvorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach einem auf die Behauptung, der betreffende Bescheid sei nicht rechtswirksam zugestellt worden, gestützten Wiedereinsetzungsantrag deshalb kein Erfolg beschieden sein kann, weil im Falle der Richtigkeit dieser Behauptung mangels rechtswirksamer Zustellung eine Rechtsmittelfrist gar nicht zu laufen begonnen hätte und daher auch nicht hätte versäumt werden können (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 11. Mai 1987, Zl. 86/10/0095, und vom 25. Oktober 1988, Zl. 88/11/0110). Dem ausschließlich so begründeten Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers hätte daher auch im Falle seiner Rechtzeitigkeit kein Erfolg beschieden sein können.

3. Gemäß § 51 Abs. 3 VStG 1950 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990) beträgt die Berufungsfrist zwei Wochen. Die Zurückweisung der am 24. April 1990 eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers als verspätet entspricht sohin, da bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt war (vgl. dazu näher das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Slg. 12275/A), unter der Voraussetzung dem Gesetz, daß das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer vor dem 10. April 1990 rechtswirksam zugestellt worden ist.

Die belangte Behörde ging von der Annahme aus, der Beschwerdeführer habe das Straferkenntnis am 8. Februar 1990 persönlich übernommen. Dies ergebe sich aus der eigenhändigen Unterschrift des Beschwerdeführers auf dem Zustellnachweis (Rückschein). Die vom Beschwerdeführer beigebrachte Bestätigung seines Arbeitgebers sei nicht geeignet, die durch die Unterschrift bestätigte Tatsache der Bescheidübernahme zu widerlegen.

Der Beschwerdeführer bemängelt, daß zur Frage, ob er den Rückschein am 8. Februar 1990 in X trotz behaupteter Ortsabwesenheit unterschrieben haben konnte, keine Ermittlungen gepflogen worden seien. Das insoweit maßgebliche Beweismittel, nämlich der mit 8. Februar 1990 datierte Rückschein, sei dem Beschwerdeführer mangels Parteiengehörs nicht bekannt gewesen. Dieser Rückschein sei von ihm nicht unterfertigt worden. Wer mit seinem Namen die Unterfertigung vorgenommen habe, sei ihm nicht bekannt.

Der Beschwerdeführer vermag mit diesem Vorbringen keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde, der besagte Rückschein weise die eigenhändig beigesetzte Unterschrift des Beschwerdeführers auf. Der Gerichtshof stützt sich dabei auf den Vergleich dieser Unterschrift mit den Unterschriften des Beschwerdeführers auf Schriftstücken im Akt der Erstbehörde (Rückschein betreffend Strafverfügung, Einspruch, Vollmacht, Rechnungen) und auf der Vollmacht für den Beschwerdevertreter. Alle diese Unterschriften stammen ganz augenscheinlich von ein und derselben Person. Dafür, daß gerade die Unterschrift auf dem in Rede stehenden Rückschein gefälscht worden wäre, findet sich weder ein Anhaltspunkt noch ist hiefür ein Motiv ersichtlich. Die Beschwerde enthält dazu überhaupt kein Vorbringen.

Unabhängig davon ist allerdings die Frage zu sehen, ob die Übernahme des das Straferkenntnis enthaltenden Poststückes durch den Beschwerdeführer entsprechend der in der RS-Rubrik "Übernahmsbestätigung" aufscheinenden Datumsangabe (sie stammt augenscheinlich nicht vom Beschwerdeführer) tatsächlich bereits am 8. Februar 1990 (Donnerstag) erfolgt ist - dies wurde im Verwaltungsverfahren unter Hinweis auf die beigebrachte Bestätigung des Dienstgebers über den arbeitsbedingten Aufenthalt des Beschwerdeführers in Bayern vom 7. bis 9. Februar 1990 bekämpft -, oder erst nach seiner Rückkehr an die Abgabestelle. Diese Frage kann indes dahinstehen. Denn selbst wenn das letztere zuträfe, änderte dies nichts daran, daß die belangte Behörde im Hinblick auf die eigenhändig beigesetzte Unterschrift des Beschwerdeführers auf dem Rückschein unbedenklich davon ausgehen konnte, der Beschwerdeführer habe das Poststück mit dem Straferkenntnis persönlich übernommen und es sei ihm daher das Straferkenntnis rechtswirksam zugestellt worden. Daß dies jedenfalls lange vor dem 10. April 1990 der Fall gewesen ist, ergibt sich daraus, daß die BH - sie hatte zunächst für das Einlangen des Zustellnachweises eine Frist bis 10. März 1990 vorgemerkt - mit der (auf der Rückseite des Konzeptes des Straferkenntnisses angebrachten) Kanzleiweisung vom 6. März 1990 die Verständigung der Naturschutzabteilung und das Einlegen des Straferkenntnisses verfügt hat, was voraussetzt, daß der Rückschein für das Straferkenntnis spätestens an diesem Tage der BH vorgelegen ist.

Da der Beschwerdeführer erst am 24. April 1990 - sohin lange nach dem Ende der Berufungsfrist - Berufung gegen das Straferkenntnis erhoben hat, liegt die eingangs erwähnte Voraussetzung vor. Die Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung entspricht dem Gesetz.

4. Aus diesen Erwägungen ist die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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