Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 6. Jänner 1922 geborene Beschwerdeführer steht auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Kärnten (LIA) vom 21. Jänner 1950 im Bezug einer Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) auf Grund einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 %. Als Dienstbeschädigungen wurden eine Bauchwandbruchoperation rechts und die Amputation des rechten Unterschenkels anerkannt.
Am 5. Februar 1988 stellte der Beschwerdeführer auf Grund einer behaupteten Verschlimmerung seines Leidenszustandes einen Antrag auf Rentenneubemessung, den das LIA mit seinem Bescheid vom 23. Juni 1988 gemäß den §§ 7, 8 und 52 KOVG 1957 abwies.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer - neben im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr strittigen medizinischen Einwendungen - geltend, seiner berufskundlichen Einschätzung gemäß § 8 KOVG 1957 sei nicht mehr der Beruf eines Verwaltungsbeamten, sondern jener eines selbständigen Bergbauern zugrunde zu legen, welchen der Beschwerdeführer seit seiner Pensionierung im Jahre 1982 in der Landwirtschaft seiner Ehegattin ausübe. Der Besitz sei 1987 an den Sohn des Beschwerdeführers verpachtet worden, seither sei der Beschwerdeführer in der Landwirtschaft nur mehr "mittätig". Als Bergbauer sei der Beschwerdeführer durch seine Dienstbeschädigung wohl zweifelsfrei "in der überdurchschnittlichen Berufsanforderung stark behindert", was eine Einschätzung gemäß § 8 KOVG 1957 mit 70 % ergeben müßte.
Abgesehen von weiteren medizinischen Ermittlungen ergänzte die belangte Behörde das Verfahren durch ein an die "Präs B im Hause" gerichtetes "Ersuchen um Stellungnahme zu den Berufungsvorbringen bzw. erforderlichenfalls um Durchführung einer neuerlichen berufskundl. Beurteilung". Diese Stellungnahme hatte nach einer überblickweisen Wiedergabe der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgenden auf den Beschwerdefall im besonderen bezogenen Wortlaut:
"Da der Genannte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben als Verwaltungsbeamter tätig war und in dieser Form die günstigste gesellschaftliche Stellung seines gesamten Erwerbslebens erreicht hat, ist diese Erwerbstätigkeit der berufskundlichen Beurteilung gemäß § 8 KOVG weiterhin zugrunde zu legen.
Daran ändern auch die in der Berufung vorgebrachten Einwendungen nichts, daß der Berufungswerber seit dem Jahre 1971 die Tätigkeit als Landwirt bereits nebenberuflich und seit seiner Pensionierung als Verwaltungsbeamter im Jahre 1982 hauptberuflich ausübt. Hiezu darf festgestellt werden, daß durch die im Jahre 1982 erfolgte Pensionierung das gesamte Berufsleben des Genannten abgeschlossen wurde und die nunmehrige freiwillige Tätigkeit als Landwirt daher keinen Berufswechsel darstellt. Darüber hinaus hat der Genannte die günstigste gesellschaftliche Stellung seines gesamten Erwerbslebens als Verwaltungsbeamter erreicht, sodaß an der Wahl der bisherigen billigerweise sozial zumutbaren Erwerbstätigkeit festgehalten werden muß."
Diesen Ausführungen hat der Beschwerdeführer in nach Gewährung des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahmen widersprochen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Mai 1990 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß den §§ 86 Abs. 1 KOVG 1957 und 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 1, 4, 7, 8, 51 und 52 KOVG 1957 keine Folge. Dabei stützte sich die belangte Behörde nach Ausführungen über den bisherigen Verfahrensverlauf und über die medizinische Einschätzung der MdE des Beschwerdeführers zur berufskundlichen Einschätzung nach § 8 KOVG 1957 auf die oben wörtlich wiedergegebene gutächtliche Stellungnahme. Sie erachtete auch diese Ausführungen als schlüssig. Die gegenteiligen Einwendungen im Rahmen des Parteiengehörs seien nicht dazu angetan, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Frage zu stellen, weshalb der Bescheid des LIA zu bestätigen gewesen sei.
Mit der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobenen Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer ausschließlich gegen die "berufskundliche, gemäß § 8 KOVG ergangene Entscheidung".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wie schon im Verwaltungsverfahren macht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde geltend, er habe mit seiner Pensionierung als Verwaltungsbeamter keinesfalls sein Erwerbsleben abgeschlossen; er übe nun den Beruf eines Bergbauern ebenso freiwillig aus wie früher jenen eines Verwaltungsbeamten. Die belangte Behörde habe zu Unrecht den Berufswechsel des Beschwerdeführers zum selbständigen Landwirt negiert und habe daher auch nicht schlüssig festgestellt, welcher Beruf der berufskundlichen der Einschätzung gemäß § 8 KOVG 1957 zugrunde zu legen sei. Rechtswidrig wäre auch eine allenfalls damit von der belangten Behörde vertretene Auffassung, der Beruf als selbständiger Landwirt sei in der gesellschaftlichen Stellung jenem eines (pensionierten) Verwaltungsbeamten nicht zumindest ebenbürtig. Richtigerweise hätte daher der berufskundlichen Beurteilung des Beschwerdeführers dessen berufliche Tätigkeit als Landwirt zugrunde gelegt werden müssen.
Gemäß § 8 KOVG 1957 ist bei Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit auch zu prüfen, ob sie bei Berücksichtigung der Tauglichkeit des Beschädigten zu einer Erwerbstätigkeit, die ihm nach seinem früheren Beruf oder nach seiner Vorbildung billigerweise zugemutet werden kann, höher als nach § 7 einzuschätzen ist. In diesen Fällen ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Bedachtnahme auf die Erfahrungen auf dem Gebiet der Berufskunde einzuschätzen; die Verdienstverhältnisse haben dabei außer Betracht zu bleiben.
Gemäß dem ersten Satz des § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist dann, wenn eine Voraussetzung für die Leistung einer Beschädigtenrente wegfällt, die Rente einzustellen; wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt, ist die Rente neu zu bemessen.
Die für eine Neubemessung der Beschädigtenrente maßgebende Veränderung kann auf medizinischem, aber auch auf berufskundlichem Gebiet gelegen sein. Ein Berufswechsel stellt im allgemeinen eine solche Veränderung dar, und zwar unabhängig davon, aus welcher Zeit der Rentenzuerkennungsbescheid stammt (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1958, Zl. 2483/56 = Slg. 4676/A, und die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1960, Zl. 501/57 = Slg. 5321/A).
Die Bejahung eines Berufswechsels hätte eine neue Begutachtung der MdE des Beschwerdeführers nach § 8 KOVG 1957 erforderlich gemacht. Die belangte Behörde hat jedoch davon mit der Begründung Abstand genommen, der Beschwerdeführer habe mit seiner Pensionierung als Verwaltungsbeamter sein Erwerbsleben "abgeschlossen", weshalb seine nunmehrige Tätigkeit in der Landwirtschaft nicht auf einen Berufswechsel zurückgehe. Der Verwaltungsgerichtshof teilt dazu die in der Beschwerde vertretene Auffassung, daß mit einer Pensionierung in einer Berufsstellung noch keineswegs zwingend der Abschluß des gesamten Erwerbslebens verbunden ist. Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsmeinung ist es durchaus möglich und zulässig, auch nach einer Pensionierung einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, welche gegebenenfalls einen Berufswechsel bedeutet. Der Beschwerdeführer ist auch damit im Recht, daß eine solche, nach erfolgter Pensionierung gewählte Erwerbstätigkeit trotz ihrer "freiwilligen" Ausübung durch den Betroffenen für eine Einschätzung im Sinne des § 8 KOVG 1957 entgegen der Auffassung der belangten Behörde in Betracht kommen könne, denn auch die vorher ausgeübte Tätigkeit ist ja freiwillig und nicht etwa gezwungenermaßen ausgeübt worden.
Die belangte Behörde hat sich schon aus diesem Grunde zu Unrecht mit den Rechtsausführungen in der von ihr eingeholten berufskundlichen Stellungnahme begnügt und eine neuerliche Begutachtung der MdE des Beschwerdeführers im Sinne des § 8 KOVG 1957 nicht veranlaßt. Unrichtig und für die schließliche Entscheidung irrelevant war dabei schon, daß von sachverständiger (berufskundlicher) Seite zur Rechtsfrage Stellung genommen wurde, deren Entscheidung ausschließlich den Behörden oblag. Da der daraus resultierende Verfahrensmangel auf eine Verkennung der Rechtslage zurückzuführen ist, hat die belangte Behörde dadurch den angefochtenen Bescheid mit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.
Bei der demnach im fortgesetzten Verfahren nachzuholenden ergänzenden berufskundlichen Begutachtung wird jedoch vorweg zu klären sein, welche berufliche Stellung der Beschwerdeführer in der Landwirtschaft tatsächlich bekleidet hat. Der bisherige Akteninhalt legt nämlich die Vermutung nahe, daß der Beschwerdeführer persönlich niemals selbständiger Landwirt, jondern jeweils nur Mitarbeiter im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Ehegattin bzw. seines Sohnes gewesen ist. Es wird dies bei der Beurteilung, in welcher Berufsstellung der Beschwerdeführer die günstigste soziale Höhenlage seines Berufslebens erreicht hat, Beachtung zu finden haben. Ohne fundierte berufskundliche Begutachtung vermag der Verwaltungsgerichtshof allerdings die aus dem angefochtenen Bescheid hervorleuchtende Auffassung der belangten Behörde, eine Tätigkeit als Verwaltungsbeamter sei in diesem Sinne jedenfalls höher einzuschätzen als jene eines selbständigen Landwirts, nicht zu teilen.
Da die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage den für eine abschließende Beurteilung des Neubemessungsantrages des Beschwerdeführers maßgeblichen Sachverhalt nicht umfassend und in einer die rechtliche Kontrolle des Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Weise festgestellt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß dem Antrag des Beschwerdeführers nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.
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