VwGH 89/08/0358

VwGH89/08/035822.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der S gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 6. November 1989, Zl. 124.697/6-7/89, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. T, 2. Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15-19, 3. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien IX, Roßauer Lände 3, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AlVG 1977 §1 Abs1;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, daß der Erstmitbeteiligte vom 6. Jänner 1986 bis 18. April 1986 auf Grund seiner Beschäftigung als Botendienstfahrer bei der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG vollversichert und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG arbeitslosenversichert gewesen sei. In der Bescheidbegründung verwies die belangte Behörde zunächst auf den inhaltsgleichen Bescheid der zweitmitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse vom 5. Februar 1988. Ihn habe der Landeshauptmann von Wien über Einspruch der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 18. Mai 1989 mit einer (von der belangten Behörde nicht vollständig wiedergegebenen) Begründung aufgehoben. Dagegen habe die Zweitmitbeteiligte Berufung erhoben. Nach Zitierung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen und Wiedergabe der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidenden Gesichtspunkte für das Vorliegen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG fährt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides wie folgt fort:

"Es ist unbestritten, daß Herr T vom 6.1. bis 18.4.1986 von Frau S mit Botendienstfahrten gegen Entgelt beschäftigt wurde.

Daß Herr T dabei - entgegen der Darstellung der Frau S - ihr gegenüber sehr wohl grundsätzlich an Weisungen und auch hinsichtlich seiner Arbeitszeit gebunden gewesen sein mußte, ist aus folgenden Umständen zu schließen: Nachdem der Umsatz in ihrem Kleintransportunternehmen weitgehend davon abhing, konnte es ihr nicht gleichgültig sein, wie oft und in welcher Weise die Fahrer die Fahrzeuge einsetzten. Da die Fahrzeuge als wichtigstes Betriebsmittel von ihr bereitgestellt wurden, ist weiters anzunehmen, daß sie nicht nur daran interessiert, sondern auch durchaus dazu in der Lage gewesen sein mußte, die Beschäftigungsverhältnisse zu den Fahrern so zu gestalten, daß sie zur - zumindest allfälligen - Lenkung ihrer Tätigkeit durch Weisungen berechtigt war. Es ist demnach nicht einzusehen, warum sie auf eine Weisungs- und Kontrollbefugnis verzichtet haben sollte.

Aus den selben Gründen - und im übrigen auch aus ihren eigenen Angaben, nach denen sie das Beschäftigungsverhältnis zu Herrn T gelöst hat, da er das Fahrzeug zu wenig ausgelastet habe (Niederschrift vom 18.5.1989) - ist zu schließen, daß die Fahrer auch hinsichtlich ihrer Arbeitszeit in Wahrheit nicht frei waren, auch wenn ihnen die Bestimmung der täglichen Arbeitszeit tatsächlich weitgehend überlassen geblieben sein sollte.

Es steht schließlich außer Streit, daß Herr T die Fahrten persönlich durchzuführen hatte.

Demnach überwogen die nach der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes maßgeblichen Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die zweitmitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerde zunächst wie jene in den Beschwerdeverfahren zu den hg. Zlen. 89/08/0349 bis 0351, in denen ebenfalls die Versicherungspflicht von Personen, die von der Beschwerdeführerin in bestimmten Zeiträumen als Botendienstfahrer beschäftigt wurden, zu beurteilen war (ihre Einwände sind in dem zur Zl. 89/08/0349 ergangenen Erkenntnis vom heutigen Tag wiedergegeben) und meint hiebei insbesondere, die belangte Behörde habe den von der Einspruchsbehörde festgestellten Sachverhalt übernommen.

Demgegenüber verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf, daß dem nicht so sei; dies im Ergebnis zu Recht: Sie hat nämlich einerseits nicht nur die (auf die Ergebnisse des hinsichtlich aller Botendienstfahrer weitgehend gemeinsam geführten Verfahrens gestützten) Feststellungen der Einspruchsbehörde nicht übernommen, sondern sie überdies auch nur unvollständig wiedergegeben; so traf sie insbesondere die (unter anderem auf die Aussage der Beschwerdeführerin und des Erstmitbeteiligen gegründete) Feststellung, die Botendienstfahrer (daher auch der Erstmitbeteiligte) hätten die Funkaufträge annehmen können, aber auch ohne Angabe von Gründen ablehnen dürfen; das Interesse der Botendienstfahrer an der Annahme eines Auftrages habe in der prozentuellen Beteiligung am Erlös bestanden. Andererseits hat die belangte Behörde - anders als in den obgenannten Verfahren, in denen sie Sachverhaltsdarstellungen des von der Beschwerdeführerin ebenfalls als Botendienstfahrer beschäftigten M allein (so in dem ihn betreffenden Verfahren zur Zl. 89/08/0349) oder seine Darstellung und jene des jeweils betroffenen Botendienstfahrers (so in den Verfahren zu den Zlen. 89/08/0350 und 89/08/0351) als erwiesen erachtete - überhaupt nur festgestellt, daß der Erstmitbeteiligte vom 6. Jänner bis 18. April 1986 von der Beschwerdeführerin mit Botendienstfahrten gegen Entgelt beschäftigt worden sei und er die Fahrten persönlich durchzuführen gehabt habe. Im übrigen ging sie auf Grund der oben wiedergegebenen Schlußfolgerungen aus allgemeinen betriebswirtschaftlichen Überlegungen von einer (die persönliche Abhängigkeit indizierenden) Weisungsbefugnis der Beschwerdeführerin gegenüber "den Fahrern" (also nicht nur gegenüber dem Erstmitbeteiligten) hinsichtlich der Arbeitszeit und des arbeitsbezogenen Verhaltens aus, ohne sich mit den diesbezüglichen Aussagen der Beschwerdeführerin und der Fahrer, vor allem des Erstmitbeteiligten, auseinanderzusetzen.

Dies begründete nur dann keinen Verfahrensmangel, wenn diese Schlußfolgerungen - unabhängig von der Gestaltung der Beschäftigung im Einzelfall - zwingend wären und deshalb eine Prüfung des Einzelfalles überflüssig machten. Dies ist aber, wie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde mit Recht ausführt, nicht der Fall, weil das betriebswirtschaftliche Interesse an einem möglichst hohen Umsatz allein nicht den Schluß auf eine Weisungsberechtigung in den angeführten Momenten zuläßt. Es könnte die Beschwerdeführerin bei der mit den Botendienstfahrern vorgenommenen gemeinsamen Gestaltung ihrer Beschäftigung auch zu wenig auf derartige betriebswirtschaftliche Überlegungen Rücksicht genommen haben und erst später (zu spät) die daraus erwachsenden, nicht nur finanziellen Schwierigkeiten bemerkt haben. In diese Richtung zielt auch ihre Aussage vor der Einspruchsbehörde am 18. Mai 1989. Danach habe ihre mangelnde Einflußmöglichkeit auf das Verhalten mancher Vertragsfahrer in der Vergangenheit zu Schwierigkeiten geführt, weil Beschwerden an die Funk-Trans gegangen seien, für die "wir uns nur entschuldigen konnten, aber keinerlei Sanktionsmöglichkeiten hatten". Es habe sich auch gezeigt, daß diese Art der Betriebsführung nicht nur keinerlei Gewinn, sondern sogar Verluste eingebracht habe.

Da die belangte Behörde nach den obigen Ausführungen Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (auf die rechtlichen Ausführungen in den Erkenntnissen vom heutigen Tag zu den Zlen. 89/08/0349, 89/08/0350 und 89/08/0351 wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Kostenmehrbegehren auf Stempelgebührenersatz war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) abzuweisen.

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