VwGH 88/06/0113

VwGH88/06/011312.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Hermann E in Z, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. März 1988, Zl. Ve-550-1431/1, betreffend die Errichtung einer Solaranlage (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Z, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1978 §25 litb;
BauO Tir 1978 §25;
BauO Tir 1978 §26 Abs1;
BauO Tir 1978 §3 Abs1;
BauO Tir 1978 §36 Abs2;
BauRallg;
BauO Tir 1978 §25 litb;
BauO Tir 1978 §25;
BauO Tir 1978 §26 Abs1;
BauO Tir 1978 §3 Abs1;
BauO Tir 1978 §36 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bauanzeige vom 9. Juli 1987 wurde die Gemeinde vom Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt, daß er auf dem Dach seines Betriebes eine Solaranlage für die Brauchwasserleitung installieren möchte und legte eine Skizze bei, aus welcher hervorgeht, daß entlang des Dachfirstes sowohl auf der Westals auch auf der Ostseite Sonnenkollektoren mit eine Länge von 13,20 m und einer Höhe von 1,35 m angebracht werden sollen. Am selben Tag teilte die Baubehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer mit, daß die Bauanzeige nicht zur Kenntnis genommen werde, weil das Anbringen einer derartigen Anlage in der beabsichtigten Form den Zielsetzungen zum Schutze eines erhaltenswerten Orts- und Straßenbildes widerspreche; die vorgelegten Unterlagen würden retourniert. Ein Nachweis von der Zustellung dieses Schreibens ist - wenn man von einer Eintragung im Portobuch absieht - nicht aktenkundig.

Mit Bescheid vom 1. Oktober 1987 untersagte die Baubehörde I. Instanz gemäß § 40 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 43/1978, dem Beschwerdeführer die Durchführung sowie Weiterführung der Arbeiten zur Errichtung der oben näher bezeichneten Solaranlage mit der Begründung, es sei bei einem Lokalaugenschein festgestellt worden, daß am Gebäude überdimensionale "Reflektionsspiegel" einer Solaranlage aufgebracht worden seien, für die weder ein Baugesuch noch eine baupolizeiliche Bewilligung vorliege.

Mit Bescheid vom 23. Februar 1988 wies der Gemeindevorstand die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid der Baubehörde erster Instanz erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab und führte in der Begründung im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer rüge in seiner Berufung, daß eine Bauanzeige bei der Gemeinde eingebracht und der Beginn der Ausführung des Bauvorhabens nicht untersagt worden sei. Außerdem sei der Bescheid nicht vom Bürgermeister, sondern vom Vizebürgermeister erlassen worden, der erforderliche Erhebungen nicht getätigt habe. Gemäß § 25 lit. b) der Tiroler Bauordnung bedürfe einer Bewilligung der Behörde die Änderung von Gebäudeteilen, soweit die sanitären Verhältnisse oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes beeinflußt würden. Es entspreche der täglichen Lebenserfahrung, daß eine Solaranlage zum Zwecke der Beheizung (entweder Raumheizung oder Wasseraufbereitung) errichtet werde und bedürfe es keines weiteren Sachverständigenbeweises, daß durch die Errichtung der Solaranlage die sanitären Verhältnisse des Gebäudes beeinflußt würden. Zur Frage des Schutzes des Orts- und Straßenbildes werde festgestellt, daß der Bauanzeige vom 9. Juli 1987 eine Ansicht der Außenfront des Gebäudes angeschlossen sei, wonach die Solaranlage eine Gesamtlänge von 13,20 m und die Solarspiegel durchwegs eine Höhe von 1,35 m aufweisen sollen. Auch diesbezüglich stehe fest, daß die Anbringung von derartigen Solarspiegeln das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes beeinfluße, sodaß eine Bewilligungspflicht für diese Baumaßnahme gegeben sei. Da gemäß § 40 Abs. 2 TBO die Behörde die Fortsetzung der Arbeiten an einem Bauvorhaben zu untersagen habe, wenn ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ausgeführt wird, ohne daß eine rechtskräftige Baubewilligung hiefür vorliege, eine Baubewilligung für das Bauvorhaben nicht erteilt und die Bauanzeige vom 9. Juli 1987 von der Gemeinde nicht zur Kenntis genommen worden sei, sei der Berufung ein Erfolg zu versagen. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, daß er die Untersagung niemals zur Kenntnis erhalten habe, so sei dem entgegenzuhalten, daß die Bestimmung nur für anzeigepflichtige, nicht hingegen für bewilligungspflichtige Maßnahmen, gelte.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß er die Bauanzeige über ausdrückliche Auskunft des Bürgermeisters erstattet habe. Die gesetzliche Folge einer derartigen Anzeige sei, daß sie als zur Kenntnis genommen gelte, wenn sich die Baubehörde nicht fristgerecht dagegen ausspreche. Da dem Beschwerdeführer das Schreiben der Gemeinde vom 9. Juli 1987 nie zugekommen sei, gelte die Bauanzeige daher als zur Kenntnis genommen und sei rechtswirksam, sodaß der Baueinstellungsbescheid vom 1. Oktober 1987 rechtswidrig sei. Außerdem handle es sich beim Bau von Solaranlagen nur um anzeigepflichtige Bauvorhaben.

Mit Bescheid vom 29. März 1988 wies die Tiroler Landesregierung (belangte Behörde) diese Vorstellung ab und führte in der Begründung nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, die Behörde habe gemäß § 26 Abs. 2 lit. a TBO das angezeigte Vorhaben zu untersagen, wenn das Bauvorhaben nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig ist. Da eine Untersagung normativen Charakter habe, könne sie nur bescheidmäßig erfolgen. Wenn eine Behörde ausdrücklich etwas "mitteilt", dann gebe sie zum Ausdruck, daß sie damit keinen zwingenden, regelnden Charakter verbinde. Das Schreiben vom 9. Juli 1987 stelle daher seinem Inhalt nach keine Untersagung im Sinne des § 26 TBO dar. Überdies sie die Zustellung dieses Schreibens nicht belegt. Gemäß § 26 des Zustellgesetzes 1982 gelte das zuzustellende Schriftstück als zugestellt, wenn es in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen werde. Zustellungen ohne Zustellnachweis gelten als mit dem dritten Werktag nach der Übergabe an die Gemeinde oder den behördlichen Zusteller bewirkt, es sei denn, es wäre behauptet, die Zustellung sei nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen worden. Im Zweifel obliege es der Behörde, die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen. Im vorliegenden Fall werde die Zustellung bestritten, die Behörde könne diese aber nicht nachweisen. Dafür hätte es eines Rückscheines bedurft (Empfangstheorie). Daraus folge, daß, selbst wenn das Schreiben vom 9. Juli 1987 in Bescheidform ergangen wäre, dieser Bescheid in Ermangelung einer nachweisbaren Zustellung als nicht erlassen und das angezeigte Bauvorhaben daher als nicht untersagt erachtet werden hätte müssen. Damit sei für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, da die Rechtsfolge des § 36 Abs. 2 TBO darin bestehe, daß, wenn innerhalb von sechs Wochen ab Erstattung der Bauanzeige keine Untersagung erfolge, mit der Ausführung des Baues begonnen werden könne; dies gelte aber nicht für bewilligungspflichtige Maßnahmen (Hauer, "Tiroler Baurecht", 1985, Seite 98, Z. 4). Anzeigepflichtige Vorhaben im Sinne des § 26 TBO könnten nur solche sein, die keiner Bewilligung bedürfen. Die Errichtung einer Solaranlage in der aus der Lichtbildbeilage ersichtlichen Art und Größe beeinflusse jedenfalls das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes und stelle damit eine bewilligungspflichtige Änderung eines Gebäudes nach § 25 lit. b TBO dar. die Baubehörde habe daher rechtmäßig gehandelt, wenn sie das vom Beschwerdeführer angezeigte Bauvorhaben als bewilligungspflichtig beurteilt und die Fortsetzung der Arbeit untersagt habe. Gemäß § 40 Abs. 2 TBO habe nämlich die Behörde die Fortsetzung der Arbeiten an einem bewilligungspflichtigen Bauvorhaben zu untersagen, wenn dieses ausgeführt werde, ohne daß eine rechtskräftige Baubewilligung hiezu vorliegt (siehe Verwaltungsgerichtshof 10. März 1981, Zlen. 81/05/0028, 0029). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 2. Dezember 1952, Slg. N.F. Nr.2765/A, zum Ausdruck gebracht habe, werde erst im Baubewilligungsverfahren und nicht schon durch die Nichtzurkenntnisnahme einer Bauanzeige entschieden, ob ein Bauvorhaben bewilligungs- oder bloß anzeigepflichtig ist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird in der Beschwerde damit begründet, daß die belangte Behörde die Bestimmungen der §§ 26 und 36 Abs. 2 TBO unrichtig angewendet habe. Wie aus der Begründung ihres Bescheides erkennbar sei, sei die belangte Behörde der irrigen Ansicht, daß die im § 26 Abs. 1 TBO enthaltene Wendung "bauliche Anlagen, die nach § 25 nicht bewilligungspflichtig sind" mit dem im Absatz 2 lit. a derselben Gesetzesstelle enthaltenen Tatbestand "wenn das Bauvorhaben nach dem Gesetz bewilligungspflichtig ist" identisch sei. Nach Ansicht des Beschwerdeführers beziehen sich nämlich im § 26 Abs. 1 TBO die Worte "die nach § 25 nicht bewilligungspflichtig sind" auf den unmittelbar davorstehenden Begriff der "baulichen Anlagen" und nicht auf die Worte "Errichtung"oder "Änderung". Im Gegensatz dazu spreche das Gesetz im Absatz 2 lit. a davon, daß das angezeigte Bauvorhaben zu untersagen ist, wenn es nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig ist. Dieser Tatbestand sei weiter gefaßt als der Begriff in Absatz 1, wo lediglich von baulichen Anlagen die Rede sei. Es würde sowohl dem Sinn des Gesetzes als auch der sprachlichen Formulierung der betreffenden Gesetzesstelle widersprechen, wenn - wie die belangte Behörde glaube - die Formulierung im Abs. 1 gleichbedeutend wäre mit der Bestimmung des Abs. 2 lit. a derselben Gesetzesstelle; dann hätte ja der Gesetzgeber auch dieselben Worte verwendet, um die gleiche Bedeutung deutlich zu machen. § 26 Abs. 1 TBO, könne also nur insoweit an der Bestimmun bzw. an den Tatbeständen des § 25 TBO gemessen werden, als Tatbestände des § 25 TBO herangezogen werden können, in welchen von baulichen Anlagen die Rede ist. Die nähere Prüfung erfolge erst durch die Behörde nach Vorliegen der Anzeige und es habe dann die Behörde die Möglichkeit, zu prüfen, ob "das Bauvorhaben nach diesem Gesetz (sonst) bewilligungspflichtig ist". Es könne im konkreten Fall also nicht die "Änderung des Gebäudes" an der Bestimmung des § 26 Abs. 1 TBO gemessen werden, sondern einzig und allein die Montage der Solaranlage, wobei es sich aber nicht um eine "bauliche Anlage" handle, welche nach § 25 TBO bewilligungspflichtig wäre. Die Beeinflußung des äußeren Erscheinungsbildes des Gebäudes selbst sei lediglich eine Folge der Montage der Solaranlage und im Sinne des Untersagungstatbestandes des § 26 Abs. 2 lit. a TBO zu prüfen. Dieser von der belangten Behörde angenommene Tatbestand mache aber aus dem anzeigepflichtigen Bauvorhaben noch kein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 25 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 TBO.

Der Beschwerdeführer übersieht bei seinem Vorbringen, daß - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - durch das Anbringen der in Rede stehenden Solaranlage das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes im Sinne des § 25 lit. b TBO zweifellos beeinflußt wird und daß es sich daher schon aus diesem Grunde um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt. Der in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Ansicht, daß sich im § 26 Abs. 1 TBO die Worte "die nach § 25 nicht bewilligungspflichtig sind" nur auf den unmittelbar davorstehenden Begriff der "baulichen Anlagen" und nicht auf die Worte "Errichtung" oder "Änderung" bezögen, vermag der Verwaltungsgerichtshof schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht zu folgen. Sie könnte im vorliegenden Fall der Beschwerde auch nicht zum Erfolg verhelfen, da es sich bei der in Rede stehenden Solaranlage schon auf Grund der gegebenen Dimensionen von jeweils einer Länge von 13,20 m und einer Höhe von 1,35 m jedenfalls um eine bauliche Anlage im Sinne des § 3 Abs. 1 TBO handelt, die über das Gebäude mit dem Erdboden verbunden ist, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse (z.B. hinsichtlich der Befestigung und Verankerung) erforderlich sind. Der Beschwerdeführer konnte daher aus dem von ihm behaupteten Schweigen der Baubehörde erster Instanz kein Recht auf Bauführung nach § 36 Abs. 2 TBO ableiten.

Daraus folgt aber auch, daß die Baubehörden Verfahrensvorschriften nicht verletzt haben, wenn sie davon ausgegangen sind, daß es sich bei dem vom Beschwerdeführer angezeigten Bauvorhaben in Wahrheit um die Errichtung einer baulichen Anlage handelt, für die eine rechtskräftige Baubewilligung nicht vorliegt, und die Bauführung gemäß § 40 Abs. 2 TBO untersagt haben.

Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid - entgegen dem Beschwerdevorbringen - weder mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, wenn sie damit die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 23. Februar 1988 erhobene Vorstellung mit der von ihr gegebenen ausführlichen Begründung abgewiesen hat. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, was sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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