VwGH 87/18/0058

VwGH87/18/005822.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Franz N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. März 1987, Zl. VerkR-2122/13-1987-II/Li, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
StVO 1960 §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. März 1987 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 für schuldig befunden und bestraft, weil er am 2. Juli 1985 um 0,30 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug auf der Steinhüblstraße im Gemeindegebiet von Pinsdorf aus Richtung Pinsdorf/Ortsmitte kommend in Richtung Hatschekstraße gelenkt habe, wobei er im Zuge von Erhebungen gegen 0,55 Uhr im Gendarmeriepostenkommando Gmunden gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Durchführung der Alkotestprobe verweigert habe, obwohl habe vermutet werden können, daß er das Fahrzeug gegen 0,30 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe "(Alkoholgeruch, gerötete Bindehäute, lallende Aussprache, stark schwankender Gang)".

Die Berufungsbehörde ging in der Begründung ihres Bescheides, gestützt auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, davon aus, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, infolge einer beim vorangegangenen Verkehrsunfall erlittenen Gehirnerschütterung in einem Zustand der Zurechnungsunfähigkeit gewesen zu sein, welcher zufolge § 3 Abs. 1 VStG 1950 die Strafbarkeit seines Handelns jedenfalls ausgeschlossen habe, unbegründet sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Das Unterbleiben der Einvernahme der Zeugen Univ.-Prof. Dr. D. sowie Dr. H. ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht als eine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wesentliche, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften anzusehen, weil nicht zu erkennen ist, inwiefern die belangte Behörde im Falle der Einvernahme dieser Zeugen zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können. Der erstgenannte Zeuge hat nämlich in seinem elektroenzephalographischen Befund vom 13. August 1985 ausdrücklich festgehalten, daß sich beim Beschwerdeführer derzeit "keine Hinweise für eine traumatisch bedingte Funktionsstörung finden", weshalb nicht einzusehen ist, daß sich aus einer Einvernahme dieses Zeugen irgendwelche zweckdienliche Feststellungen zu dem allein wesentlichen Beweisthema ergeben hätten, ob der Beschwerdeführer zur Tatzeit unter einer im Sinne des § 3 Abs. 1 VStG 1950 relevanten Bewußtseinsstörung gelitten hat. Auch der Zeuge Dr. H. hätte keine Angaben über den zur Tatzeit gegeben gewesenen Zustand des Beschwerdeführers machen können, welcher jedoch nach der in der gutächtlichen Äußerung des medizinischen Sachverständigen vom 10. März 1987 vertretenen Auffassung für die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit maßgebend ist.

Wenn der Beschwerdeführer auf eine bereits im Jahre 1961 erlittene schwere Gehirnerschütterung verweist und meint, durch die neuerlich erlittene Kopfverletzung und die dadurch bedingte schwere Gehirnerschütterung sei ein posttraumatischer Dämmerzustand sehr wohl möglich, so muß ihm entgegengehalten werden, daß der Amtssachverständige "das vorliegende Aktenstück nach allen für die medizinische Beurteilung solcher Zustände wesentlichen Gesichtspunkten durchleuchtet" und zusammenfassend die Auffassung vertreten hat, daß "keine klaren und verwertbaren Hinweise auf das Vorliegen einer Commotio cerebri vorliegen. In gleicher Weise fehlen alle verläßlichen und charakteristischen Zeichen einer postcommotionellen Bewußtseinsstörung, auch in den Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten sowie im Befundbericht des Spitalsarztes sind keine Hinweise auf die sonst typischen Merkmale, wie Desorientierung, Situationsverkennung und affektive Störungen enthalten. Wesentlich gegen das Vorliegen einer oben beschriebenen Bewußtseinsstörung spricht aber der Umstand, daß der Berufungswerber mit einer entsprechenden logischen und sinnvollen Begründung den Alkotest und die klinische Untersuchung ablehnte, was wiederum beweist, daß er die Aufforderung dazu verstanden hatte". Der vom Beschwerdeführer für möglich gehaltene posttraumatische Dämmerzustand vermag daher an der Schlüssigkeit des erwähnten Gutachtens nichts zu ändern. Daß der Sachverständige den Beschwerdeführer nie persönlich begutachtet hat, ist nicht von Bedeutung, weil die Aufgabe des Sachverständigen darin bestanden hat, das diesbezügliche Ermittlungsergebnis unter dem Gesichtspunkt einer zur Tatzeit allenfalls gegebenen Bewußtseinsstörung des Beschwerdeführers zu beurteilen.

Ein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlicher Begründungsmangel im Zusammenhang mit den Angaben Dris. F. kann der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, weil sie im angefochtenen Bescheid begründet hat, warum die Atteste dieses Arztes keinen Beweis für das Vorliegen einer Bewußtseinsstörung des Beschwerdeführers geliefert haben. Die diesbezügliche Argumentation der belangten Behörde hält der Gerichtshof für schlüssig, weil die Atteste des erwähnten Arztes zum Teil auf den Angaben des Beschwerdeführers oder dessen Gattin beruhen und das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen schon deshalb nicht zu widerlegen vermögen, weil sie - im Gegensatz zu diesen - auf die für die Beurteilung des zur Tatzeit gegeben gewesenen Zustandes des Beschwerdeführers wesentlichen Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten und den Befundbericht des Spitalsarztes nicht Bedacht nehmen. Daher ist auch aus der Aussage seiner Gattin für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen, weil sich auch daraus nicht etwa ergibt, daß die Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten über das Verhalten des Beschwerdeführers zur Tatzeit oder die Angaben des Spitalsarztes nicht den Tatsachen entsprechen, wonach der Beschwerdeführer "während der ambulanten Behandlung bzw. bei seinem Eintreffen im Krankenhaus voll orientiert und auch ansprechbar war". Aus den allenfalls später aufgetretenen, von der Gattin des Beschwerdeführers geschilderten Symptomen hatte die belangte Behörde nicht die Schlußfolgerung abzuleiten, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit nicht in der Lage gewesen sei, die an ihn ergangene Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe zu verstehen und ihr Folge zu leisten. Auch aus dem Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen Frau Dr. P. vom 23. Februar 1987 ergaben sich keine diesbezüglichen Anhaltspunkte, zumal diese Sachverständige darin ausdrücklich betont hat, daß "zur Beantwortung der für das gegenständliche Verfahren entscheidenden Frage - ob nämlich" der Beschwerdeführer "zur fraglichen Zeit (Aufforderung zum Alkotest) zurechnungsfähig war oder durch die Folge des Unfalles bzw. andere Ursachen (übermäßige Alkoholisierung) an einer schweren Bewußtseinsstörung litt, vor allem die Handlungs- und Situationsanalyse und die Berichte von Zeugen, die unmittelbar Gelegenheit hatten, den Betroffenen zu beobachten, heranzuziehen sind. Sowohl die Angaben des Obgenannten über die Unfallsursache ('Der Pkw, gegen den er gefahren war, stand mitten auf der Straße'), als auch die Aussagen, daß er nicht viel getrunken hätte und er den Führerschein von Berufs wegen benötige, zeigen, daß" der Beschwerdeführer "die Zusammenhänge klar erkannte und logisch argumentieren konnte. Es kann daher auch mit Sicherheit angenommen werden, daß" der Beschwerdeführer "in der Lage war, die Aufforderung zum Alkotest richtig einzuordnen. Auch aus den Zeugenaussagen (Gendarmeriebericht, behandelnder Arzt) ergeben sich auf eine Bewußtseinsstörung keine Hinweise. Die Frage, ob" der Beschwerdeführer "eine Commotio erlitten habe oder nicht, ist von untergeordneter Bedeutung".

Wenn der Beschwerdeführer meint, der medizinische Amtssachverständige hätte im Hinblick auf die in der Krankengeschichte des Landeskrankenhauses Gmunden festgestellten Syptome auch zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob beim Beschwerdeführer eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Alkoholisierung vorgelegen gewesen sei, so muß darauf hingewiesen werden, daß sich während des Verwaltungsstrafverfahrens keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben haben, und auch der Beschwerdeführer keine derartige Behauptung aufgestellt hat, weshalb für die belangte Behörde keine Veranlassung bestand, diesbezügliche Erwägungen anzustellen. Auch in dieser Hinsicht liegt daher keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

Den in der Beschwerde geäußerten Zweifeln an der Berechtigung des Straßenaufsichtsorganes, den Beschwerdeführer zur Untersuchung der Atemluft aufzufordern, ist zu erwidern, daß der Gendarmeriebeamte beim Beschwerdeführer jedenfalls auch einen "starken Alkoholgeruch aus dem Mund" festgestellt hat, womit allein schon die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO 1950 gerechtfertigt war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/18/0105). Daß der Beschwerdeführer auf Grund der bei dem kurz zuvor stattgefundenen Unfall erlittenen Verletzung nicht in der Lage war, so in das Atemalkoholprüfröhrchen zu blasen, daß die ordnungsgemäße Durchführung eines Alkotestes möglich war, hat er selbst nicht behauptet.

Mit seiner Verfahrensrüge, wonach ihm die Stellungnahme der schon erwähnten ärztlichen Sachverständigen vom 10. März 1987 nicht zur Kenntnis gebracht und damit der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei, vermag der Beschwerdeführer schon deshalb keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen, weil er die Relevanz dieses Verfahrensverstoßes darzutun, also durch konkretes tatsächliches Vorbringen in der Beschwerde anzuführen gehabt hätte, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 87/02/0200, und die darin zitierte Vorjudikatur). Dies hat der Beschwerdeführer jedoch unterlassen.

Auch die abschließende Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe ihm für eine Stellungnahme zur gutächtlichen Äußerung vom 23. Februar 1987 lediglich eine einwöchige Frist eingeräumt, vermag nicht zu überzeugen, weil der Beschwerdeführer nicht nur tatsächlich eine Äußerung erstattet hat, sondern wohl um eine Fristerstreckung angesucht hätte, wenn er die ihm eingeräumte Frist als nicht ausreichend erachtet hätte.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß der Schuldspruch der belangten Behörde nicht rechtswidrig ist, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist und demgemäß zufolge § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte