VwGH 87/07/0123

VwGH87/07/012319.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des LN und der MN gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. Juni 1987, Zl. Bod-1567/21-1987, betreffend Zusammenlegung R, Parteienvereinbarung (mitbeteiligte Parteien: AC und BC), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §878;
AVG §56;
FlVfGG §14;
FlVfGG §14a;
FlVfGG §33;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfGG §34 Abs4;
FlVfGG §39;
FlVfGG §40;
FlVfLG OÖ 1979 §102;
FlVfLG OÖ 1979 §20 Abs1;
FlVfLG OÖ 1979 §20 Abs3;
FlVfLG OÖ 1979 §90 Abs1;
FlVfLG OÖ 1979 §90 Abs2;
FlVfLG OÖ 1979 §90 Abs4;
ABGB §878;
AVG §56;
FlVfGG §14;
FlVfGG §14a;
FlVfGG §33;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfGG §34 Abs4;
FlVfGG §39;
FlVfGG §40;
FlVfLG OÖ 1979 §102;
FlVfLG OÖ 1979 §20 Abs1;
FlVfLG OÖ 1979 §20 Abs3;
FlVfLG OÖ 1979 §90 Abs1;
FlVfLG OÖ 1979 §90 Abs2;
FlVfLG OÖ 1979 §90 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zusammenlegungsverfahren R stellte die Agrarbezirksbehörde Gmunden (ABB) mit Bescheid vom 6. November 1986 unter Spruchabschnitt I gemäß § 90 Abs. 1 und 2 des

O.ö. Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 73 (FLG), fest, daß es sich bei der von den Beschwerdeführern sowie den Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens am 24. November (richtig: 10. Dezember) 1985 abgeschlossenen Vereinbarung - betreffend den Tausch je eines Abfindungskomplexes - um eine solche gemäß § 90 Abs. 1 FLG handle und diese inhaltlich zwischen den Verfahrensparteien so lange wirksam sei, bis durch agrarbehördliche Entscheidung eine abändernde Regelung getroffen werde, was insbesondere dann der Fall sei, wenn der Zusammenlegungsplan R zur Gänze oder zu einem solchen Teil behoben werde, der die tauschgegenständlichen Flächen wesentlich betreffe; unter Spruchabschnitt II desselben Bescheides wurde aufgrund des Vertragspunktes 4.) der genannten Vereinbarung der Wert des Waldbestandes auf dem den Mitbeteiligten zufallenden Tauschkomplex gemäß § 20 Abs. 1 und 3 FLG mit S 21.566,-- festgesetzt und die letzteren zur Zahlung dieses Entschädigungsbetrages an die Beschwerdeführer verpflichtet.

Mit Erkenntnis vom 25. Juni 1987 entschied der Landesagrarsenat beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung über die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 1 AgrVG 1950, §§ 46, 62 Abs. 4 und 66 Abs. 4 AVG 1950, §§ 20 Abs. 1 und 3 sowie 90 Abs. 1 und 2 FLG dahin, daß der im Spruchabschnitt II des erstinstanzlichen Bescheides festgesetzte Entschädigungsbetrag auf S 25.135,80 hinaufgesetzt, das Datum der Vereinbarung im Bescheid der ABB auf "10.12.1985" richtiggestellt und die Berufung im übrigen abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt:

Im Berufungsverfahren sei die durch die Erstbehörde veranlaßte forsttechnische Begutachtung dadurch überprüft worden, daß der forsttechnische Sachverständige den strittigen Bestandeswert durch Abgabe eines Gutachtens (nach Durchführung eines Lokalaugenscheines) festgestellt habe. Was die Zusammensetzung der Baumarten, Durchmesser, Höhen und das Alter der Bäume betreffe, seien die Feststellungen des Sachverständigen der ersten Instanz bestätigt worden. Insgesamt sei nun ein Bestandeswert von S 25.135,80 errechnet worden.

Die Beschwerdeführer hätten am 10. Dezember 1985 eine Vereinbarung mit den Mitbeteiligten abgeschlossen, welche ausdrücklich als wesentlicher Bestandteil des Bescheides über die vorläufige Übernahme habe gelten sollen. Die Beschwerdeführer fühlten sich an diese Vereinbarung nicht mehr gebunden. Sie würden der ABB mangelhafte Protokollierung vorwerfen und seien der Meinung, die Vereinbarung hätte nur dann Gültigkeit, wenn der geschätzte Wert eines Holzbestandes ihren Vorstellungen entspräche.

In diesem Berufungsverfahren sei zunächst zu untersuchen gewesen, ob der Spruchabschnitt I. des angefochtenen Bescheides, womit die Rechtswirksamkeit des Parteienübereinkommens festgestellt werde, gesetzmäßig sei. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung seien Feststellungsbescheide auch außerhalb ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigungen zulässig, wenn die betreffende Feststellung im öffentlichen Interesse oder als notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung im Interesse des Antragstellers liege und durch die maßgebende Rechtslage nicht ausgeschlossen werde. Da im betreffenden Parteienübereinkommen für den Übergang von Eigentum und Besitz ein fester Termin (nämlich der 1. September 1986) enthalten und dieser für das Zusammenlegungsverfahren und für die Grundstücksbewirtschaftung von erheblicher Bedeutung sei, bestehe zumindest ein entsprechendes Feststellungsinteresse der Mitbeteiligten sowie der Beschwerdeführer, welche das Übereinkommen abgeschlossen hätten. Da die Beschwerdeführer die Vereinbarung als nicht rechtsgültig ansähen bzw. widerrufen wollten und Bewirtschaftungshandlungen setzen könnten, die im Fall der Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarung als Besitzstörungshandlungen qualifiziert werden müßten, stelle die betreffende Feststellung auch ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung dar.

Die strittige Vereinbarung vom 10. Dezember 1985 sei in einem Protokoll beurkundet worden, welches die Überschrift trage: "Aktenvermerk über das mit Verständigung der (ABB) vom 24.11.1985 anberaumte Gespräch zur Behandlung von Beschwerdepunkten ...".

Trotz der Verwendung des Wortes "Aktenvermerk" könne das erwähnte Protokoll inhaltlich als Niederschrift über eine agrarbehördliche Verhandlung (im Sinne des § 14 Abs. 1 AVG 1950) qualifiziert werden. Der Verlauf und Inhalt der Verhandlung sei in der Verhandlungsschrift klar und verständlich wiedergegeben. Eine gemäß den Bestimmungen des § 14 AVG aufgenommene Niederschrift liefere gemäß § 15 AVG 1950 vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung; der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibe zulässig.

Gemäß § 46 AVG komme als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich sei.

§ 47 AVG normiere, daß die Beweiskraft von öffentlichen und Privaturkunden von der Behörde nach den Vorschriften der §§ 292 bis 296, 310 und 311 ZPO zu beurteilen sei.

Gemäß § 90 Abs. 1 FLG bedürften die während eines Verfahrens vor der Agrarbehörde abgegebenen Erklärungen und die mit deren Genehmigung abgeschlossenen Vergleiche weder einer Zustimmung dritter Personen noch unterlägen sie einer Genehmigung durch Verwaltungs- und Pflegschaftsbehörden.

Gemäß § 90 Abs. 2 FLG dürften Erklärungen nach § 90 Abs. 1 nur mit Zustimmung der Agrarbehörde widerrufen werden, wobei die Zustimmung zu versagen sei, wenn aus dem Widerruf eine erhebliche Störung des Verfahrens zu besorgen sei, insbesondere dann, wenn auf Grund dieser Erklärungen bereits wirtschaftliche Maßnahmen oder rechtswirksame Handlungen gesetzt worden oder Bescheide ergangen seien.

Gemäß § 90 Abs. 3 FLG sei die während eines Verfahrens durch vor der Agrarbehörde abgegebenen Erklärungen der Parteien geschaffene Rechtslage bindend, und zwar auch für die Rechtsnachfolger.

Aus § 15 AVG 1950 könne nicht der Schluß gezogen werden, daß alles unbewiesen sei, was in einem nicht ganz vorschriftsmäßig verfaßten Protokoll beurkundet sei. Auch ein nicht vorschriftsmäßiges Protokoll könne gleichwohl nach § 46 AVG als Beweismittel für die darin beurkundeten Tatsachen verwendet werden (Hinweis auf VwSlg. 14.783/A/1927).

Die Beschwerdeführer bestritten nicht, daß sie das Protokoll vom 10. Dezember 1985 eigenhändig unterschrieben hätten. Sie wendeten jedoch ein, daß das Protokoll unvollständig wäre; sie hätten ausdrücklich erklärt, daß sie mit dem Tausch nur einverstanden wären, wenn sie eine ihnen entsprechende Ablösesumme für den Holzbestand erhielten. Demgegenüber sei im Protokoll (unter Pkt. 4.) ausdrücklich

festgehalten: "... Es besteht Einigkeit darüber, daß der Bestand von den (Mitbeteiligten) in Geld abzulösen ist. ... Der Wert des abzulösenden Bestandes wird von der (ABB) durch Amtssachverständigengutachten festgestellt werden."

Ein - zusätzlicher - Vorbehalt dahin gehend, daß der geschätzte Wert des Baumbestandes den Vorstellungen der Beschwerdeführer entsprechen müsse, wäre kaum vereinbar mit der Erklärung, daß der Bestandeswert durch Gutachten eines Amtssachverständigen festgestellt werde, und stünde auch im Widerspruch zu jeglicher Lebenserfahrung. Die tauschgegenständlichen Flächen seien auf der Grundlage des rechtskräftigen Bewertungsplans getauscht worden; der Bewertungsplan in einem Zusammenlegungsverfahren enthalte jedoch grundsätzlich noch keine Schätzung des Zugehörs und des Baumbestands der Grundstücke. (Zugehör und Bestandeswert seien, sofern sich dies für das Verfahren als notwendig erweise, gemäß § 12 Abs. 5, 7 und 8 FLG gesondert zu schätzen.)

Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei es durchaus nicht außergewöhnlich, daß ein Grundtausch vereinbart werde, wobei ein Teil des Tauschgegenstandes (hier: Holzbestand) gesondert in Geld abgelöst werden solle. Hinsichtlich dieser Geldablöse böten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an, die jedoch einander ausschlössen:

  1. a) die Geldablöse werde zwischen den Vertragspartnern ausgehandelt, also gewissermaßen subjektiv festgelegt;
  2. b) die Vertragspartner vereinbarten, daß die Geldablöse objektiv (durch einen neutralen Experten) ermittelt werde.

    Werde - wie im Berufungsfall - die zweite Lösung gewählt, so wäre es geradezu unverständlich, daß darüber hinaus der objektiv ermittelte Wert noch ZUSÄTZLICH den subjektiven Wertvorstellungen EINES der Tauschpartner entsprechen müßte. Hätten die Beschwerdeführer tatsächlich einen solchen Vorbehalt erklärt, so wäre es nicht einsichtig, warum sie nicht bereits bei der Verhandlung am 10. Dezember 1985 ihre subjektiven Wertvorstellungen geäußert hätten. Gerade deshalb, weil der wahre Wert eines in Alter und Baumarten sehr unterschiedlichen Holzbestandes nicht auf Anhieb zu ermitteln sei, sondern eine sorgfältige Ermittlung erfordere, sei es naheliegend, die Schätzung einem Experten zu überlassen. Es wäre ungewöhnlich, zunächst eine objektive Wertermittlung zu verlangen, wenn ohnehin nur auf der Basis einseitiger, subjektiver Wertvorstellungen Tauschbereitschaft bestünde. Es sei auch kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum einem Tauschpartner mehr als der Ersatz des objektiven Bestandeswertes zugebilligt werden sollte.

Es erscheine aufschlußreich, daß die Beschwerdeführer auch bei der Berufungsverhandlung - trotz mehrmaligem Befragen - keine Angaben über ihre "Wertvorstellungen" hinsichtlich des abzulösenden Holzbestandes gemacht hätten.

Der Landesagrarsenat könne somit der Argumentation der Beschwerdeführer nicht folgen.

Nachdem die ABB den Beschwerdeführern das forsttechnische Gutachten vom 18. Februar 1986 zugestellt habe, hätten diese mit Schreiben vom 3. März 1986 folgende Stellungnahme abgegeben.

"Wie nicht anders erwartet, steht der geschätzte Wert des Bestandes in keinem Verhältnis zu meinen mir bis jetzt entstandenen Kosten und Aufwendungen. Da ich bei den stattgefundenen Verhandlungen am 10.12.1985 im Gemeindeamt X ausdrücklich erklärt habe, daß ich mit dem Tausch nur einverstanden bin, wenn ich eine, mir entsprechende Ablösesumme erhalte. Da dies jedoch nicht der Fall ist, lehne ich diese Entschädigung entschieden ab und ich behalte mir meinen Wald weiterhin in meinem BesitzÜ"

Dieses Schreiben könnte (auch) als Widerruf der Vereinbarung vom 10. Dezember 1985 gewertet werden. Der Umstand, daß die ABB auf dieses Schreiben nicht sogleich mit einem Antwortschreiben reagiert habe, könne nicht, wie der Vertreter der Beschwerdeführer vermeine, als Zustimmung zum Widerruf angesehen werden. Die ABB habe im Sinne eines umfassenden Ermittlungsverfahrens die Einwendungen vom 3. März 1986 und vom 28. April 1986 nochmals überprüft, eine ergänzende forsttechnische Stellungnahme eingeholt und schließlich den erstinstanzlichen Bescheid erlassen. Der Landesagrarsenat pflichte der Argumentation der ABB bei, daß die am 10. Dezember 1985 abgeschlossene Parteienvereinbarung gemäß § 90 Abs. 2 FLG nicht widerrufbar sei. Der Grundsatz von Treu und Glauben wäre grob verletzt, wenn eine von den Beteiligten eigenhändig unterschriebene klare und eindeutige Vereinbarung einseitig und ohne triftige Gründe rechtsunwirksam gemacht werden würde. Zahlreiche Bestimmungen des FLG, insbesondere auch die für Entschädigungen maßgeblichen Absätze 1 und 3 des § 20, enthielten die Wendung "... sofern zwischen den Parteien nichts anderes vereinbart ist ..." Daraus ergebe sich, daß der Gesetzgeber einvernehmliche Lösungen als zumindest gleichwertig gegenüber hoheitlichen Anordnungen betrachte, ja sogar, daß einvernehmliche Lösungen erstrebenswerter seien als Zwangslösungen. Die Verbindlichkeit einer solchen einvernehmlichen Lösung könne auch nicht mit der Behauptung, diese Lösung sei "nicht erforderlich im Zuge der Zusammenlegung", abgetan werden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer entspreche die erwähnte Vereinbarung sehr wohl den Zielen und Aufgaben der Zusammenlegung (§ 1 FLG) und den Neuordnungsgrundsätzen (§ 15 Abs. 1 FLG).

Der Landesagrarsenat habe bereits in seinem Berufungserkenntnis vom 18. Dezember 1986, Bod-1567/8-1986, zum Ausdruck gebracht, daß die Abgabe der strittigen, 2.284 m2 großen Waldfläche den Abfindungsregeln entspreche, und daß deren Zurückbehaltung nicht nur der Vereinbarung vom 10. Dezember 1985, sondern auch dem Grundsatz widerspräche, daß die Besitzzersplitterung durch die Zusammenlegung möglichst gemildert werden solle. An dieser Beurteilung halte der Landesagrarsenat nach wie vor fest.

Eine förmliche Zeugeneinvernahme des Landtagsabgeordneten D, welcher - neben anderen Personen - bei der Vereinbarung am 10. Dezember 1985 anwesend gewesen sei, habe sich zur materiellen Wahrheitsfindung als nicht erforderlich erwiesen, da im Berufungsverfahren kein einziger Anhaltspunkt dafür hervorgekommen sei, daß die Beschwerdeführer die Vereinbarung nur unter dem von ihnen behaupteten Vorbehalt abgeschlossen hätten. D habe dem Vorsitzenden des Landesagrarsenates am 23. Juni 1987 auf telefonische Anfrage bekanntgegeben, daß das Protokoll vom 10. Dezember 1985 nach seiner Erinnerung korrekt aufgenommen worden sei. Sinngemäß dieselbe Angabe habe der Bedienstete des Gemeindeamtes X, E, während der Berufungsverhandlung am 25. Juni 1987 gemacht. Auch der Operationsleiter Dipl.-Ing. F, welcher ebenfalls an der Verhandlung vom 10. Dezember 1985 teilgenommen habe, habe in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 1. Dezember 1986 angegeben, daß ihm ein entsprechender Vorbehalt der Beschwerdeführer nicht erinnerlich sei.

Das im Berufungsverfahren eingeholte forsttechnische Gutachten habe sich als schlüssig erwiesen und weder von den Beschwerdeführern noch von den Mitbeteiligten erschüttert werden können. Der Landesagrarsenat vertrete die Ansicht, daß auch die Bestandesschätzung im erstinstanzlichen Gutachten korrekt sei, und daß die unterschiedlichen Beträge lediglich auf verschiedene, aber gleichermaßen gebräuchliche Schätzungsmethoden zurückzuführen seien; die Abweichungen lägen innerhalb der sogenannten "forstlichen Fehlergrenze". Der Landesagrarsenat habe es für gerechtfertigt gehalten, der vom forsttechnischen Sachverständigen vorgenommenen Wertermittlung den Vorzug zu geben.

Bei der im erstinstanzlichen Bescheid mehrmals vorkommenden Datumsangabe "24.11.1985" handle es sich offensichtlich um eine auf einem Versehen der ABB beruhende Unrichtigkeit. Das Versehen dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die Verhandlung vom 10.12.1985 mit Verständigung der ABB vom 24.11.1985 anberaumt worden sei. Gemäß § 62 Abs. 4 AVG könne die Behörde die Berichtigung von Schreib- und Rechenfehlern oder anderen offenbar auf einem Versehen beruhenden Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen vornehmen. Nach Ansicht des Landesagrarsenates stehe diese Befugnis auch der Berufungsbehörde zu.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf "gesetzeskonforme Anwendung der Bestimmung des § 90 FLG" in einem mängelfreien Verfahren verletzt erachten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Mitbeteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Erkenntnis eine "Feststellung" der ABB des Inhaltes bestätigt, daß am 10. Dezember 1985 zwischen den Beschwerdeführern und den Mitbeteiligten eine "Vereinbarung" gemäß § 90 Abs. 1 FLG abgeschlossen worden sei.

Da § 90 Abs. 1 FLG nicht von "Vereinbarungen", sondern von "Erklärungen" und "Vergleichen" handelt, ist zunächst zu klären, welchem der beiden normativen Begriffe der als "Vereinbarung" qualifizierte Vorgang am 10. Dezember 1985 zu subsumieren wäre. Da nach der bezeichneten Gesetzesstelle Vergleiche, nicht aber bloße Erklärungen genehmigungsbedürftig sind, eine "Vereinbarung" aber ebenso wie ein "Vergleich" korrespondierende Parteienerklärungen verlangt, kann eine Vereinbarung nur als Vergleich - der gemäß § 90 Abs. 1 FLG von den Erklärungen abgehoben ist - gewertet werden. Es wäre also nicht zulässig, etwa nichtgenehmigte Vergleiche als bloße Erklärungen gelten zu lassen, zumal einem nachträglich, aber noch vor Eintritt der in § 90 Abs. 2 FLG bezeichneten Umstände einseitig ausgesprochenen Widerruf einer Partei die Zustimmung nicht verweigert werden dürfte, die andere an dem Vergleich beteiligte, nicht widerrufbereite Partei aber weiterhin an ihre Erklärung gebunden bliebe. Vergleiche bedürfen somit zu ihrer Verbindlichkeit für das weitere Zusammenlegungsverfahren der agrarbehördlichen Genehmigung und können, da sie nicht wie Erklärungen zu behandeln sind, auch nicht gemäß § 90 Abs. 2 FLG widerrufen, sondern nur allenfalls durch einen neuen, abermals genehmigungsbedürftigen Vergleich aufgehoben oder abgeändert werden.

Selbst wenn daher im Beschwerdefall am 10. Dezember 1985 eine Vereinbarung mit dem durch einen Aktenvermerk beschriebenen Inhalt zustande gekommen ist, fehlt dieser die zu ihrer Wirksamkeit erforderliche agrarbehördliche Genehmigung, deren Vorliegen im Feststellungsverfahren im übrigen gar nicht behauptet worden ist und die zudem in Bescheidform hätte erteilt werden müssen.

Dazu kommt sachverhaltsbezogen ein weiteres: Dem Aktenvermerk der ABB vom 10. Dezember 1985 zufolge sollte der Wert des näher angegebenen forstlichen Bestandes "von der Agrarbezirksbehörde Gmunden" durch Amtssachverständigengutachten festgestellt werden. Eine Vereinbarung mit einer derartigen Bestimmung wäre aber schon deswegen einer Genehmigung nicht zugänglich, weil der ABB dadurch eine im Gesetz nicht vorgesehene Zuständigkeit zur Entscheidung übertragen worden wäre, was gemäß § 1 AgrVG 1950 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AVG durch Vereinbarung der Parteien nicht geschehen kann. Die von der ABB sowie der belangten Behörde in diesem Zusammenhang genannte Regelung des § 20 Abs. 1 und 3 FLG berechtigt nicht zu verbindlichen Wertermittlungen im Dienst der Konkretisierung einer Parteienvereinbarung, sondern handelt von Entschädigungen für "vorübergehende Mehr- oder Minderwerte" von Grundstücken, etwa bei "zeitweiligem erheblichem Nutzungsentgang durch gemeinsame Maßnahmen oder Anlagen".

Schließlich ergibt sich aus dem Vorgesagten, daß unter den angegebenen Voraussetzungen ein Feststellungsbescheid gar nicht hätte erlassen werden dürfen, weil das Fehlen einer (bescheidmäßigen) Genehmigung des fraglichen Vergleiches keiner Feststellung bedurfte und die Verbindlichkeit der Vereinbarung nur im Weg einer Genehmigung, nicht einer Feststellung hätte herbeigeführt werden dürfen (vgl. dazu auch die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, S. 490, angeführte Rechtsprechung).

Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher schon aus den bezeichneten Gründen als seinem Inhalt nach rechtswidrig, weshalb es, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen näher einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

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