VwGH 90/19/0484

VwGH90/19/048419.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Juli 1990, Zl. MA 63-J 17/89/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des KJBG, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39;
KJBG 1987 §30;
KJBG 1987 §31 Abs1;
KJBG 1987;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39;
KJBG 1987 §30;
KJBG 1987 §31 Abs1;
KJBG 1987;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) wurde der nunmehrige Beschwerdeführer "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Arbeitgebers "Ing. P. G. Gesellschaft m. b.H.", Inhaberin der prot. Fa. "Kaffee W., M. W. & R. W., Pächter P. G. Gesellschaft m.b.H."" verschiedener - spruchmäßig detailliert aufgeschlüsselter - Übertretungen des KJBG schuldig erkannt und hiefür - je Übertretung mit S 1.000,-- - bestraft.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier von Belang - nach Wiedergabe des § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 aus, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erst ab dem Zeitpunkt wirke, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen werde, und trete erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen. Der verantwortliche Beauftragte trete jedoch nur dann an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein aus der Zeit vor der Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung stammender Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt sei. Nach dem Dienstvertrag des A. M. stehe fest, daß dieser Arbeitnehmer verschiedene Agenden des Personalwesens wahrzunehmen gehabt habe, doch sei nicht erkennbar, daß er zum verantwortlichen Beauftragten, der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche zuständig sei, bestellt worden sei. Der im Berufungsverfahren als Zeuge vernommene genannte Arbeitnehmer habe überdies bestätigt, daß er nie zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei. Da der Beschwerdeführer während des Verwaltungsstrafverfahrens keinen den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Zustimmungsnachweis des A. M. zur Bestellung als verantwortlicher Beauftragter beigebracht habe, sei die strafrechtliche Verantwortung beim Berufungswerber - als dem handelsrechtlichen Geschäftsführer - verblieben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, aus diesen Gründen den bekämpften Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 zur Vertretung der im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses genannten Gesellschaft nach außen berufen zu sein. Er vertritt jedoch die Ansicht, wegen der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht zur Verantwortung gezogen werden zu dürfen, weil der Dienstnehmer A. M. vertraglich zum gewerberechtlichen Geschäftsführer des von der genannten Gesellschaft betriebenen Unternehmens (Cafe-Restaurants) bestellt worden sei und damit diesen die Verantwortung für das inkriminierte strafbare Verhalten treffe.

1.2. Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß im Verfahren die Bestellung des A. M. zum verantwortlichen Beauftragten i.S. des § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen worden sei. Auch trifft es zu, daß im Fall einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deren handelsrechtlicher Geschäftsführer zur Vertretung nach außen berufen und damit dieser - sofern kein verantwortlicher Beauftragter oder kein Bevollmächtigter bestellt worden ist - verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0267). Ein vom Gewerbeinhaber bestellter gewerberechtlicher Geschäftsführer (dessen Bestellung, wie im Beschwerdefall geschehen, von der zuständigen Behörde genehmigt wurde) ist lediglich für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich (vgl. § 39 Abs. 1, § 370 Abs. 2 GewO 1973); um solche handelt es sich jedoch bei den von der belangten Behörde als verletzt erachteten Vorschriften des KJBG nicht. Die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt demnach nicht vor.

2.1. Die Beschwerde bringt weiters vor, das Verfahren vor der belangten Behörde sei in wesentlichen Punkten mangelhaft geblieben. Begründet wird diese Rüge - zusammengefaßt - damit, daß die Behörde dem Inhalt des Dienstvertrages des A. M., mit dem dieser zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt worden sei, zu wenig Beachtung geschenkt habe, vor allem aber diesen Vertrag "allein aus dem Text, ohne Prüfung des Vorganges bei dem Abschluß durch Vernehmung aller Beteiligten zur Erforschung des Parteiwillens", ausgelegt habe. Der Beschwerdeführer wäre bei Wahrung des Parteiengehörs in der Lage gewesen, alle Personen, die bei Vertragserrichtung anwesend gewesen seien und die mit A. M. die Vertragsverhandlungen geführt hätten, als Zeugen nahmhaft zu machen, und zwar zum Beweis dafür, daß der Genannte "mit allen Verantwortungen die Geschäftsführung des Unternehmens an dem Standort übernommen und dann auch ausgeführt hat".

2.2.1. Was die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs in bezug auf die Aussage des als Zeuge vernommenen A. M.

- hierauf bezieht sich dieser Vorwurf, wie dem Beschwerdevorbringen in seinem Kontext zu entnehmen ist - anlangt, so kann der Standpunkt der Beschwerde nicht geteilt werden. Vielmehr wurde die besagte Zeugenaussage (vom 1. Juni 1990) nach Ausweis der Akten dem Beschwerdeführer (zu Handen seines ausgewiesenen Rechtsvertreters) von der belangten Behörde mit der Aufforderung, hiezu binnen drei Wochen Stellung zu nehmen, vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer hat daraufhin auch eine Äußerung (vom 2. Juli 1990) erstattet, in der er sich ausdrücklich auf die seiner Meinung nach "sachlich unrichtige" Aussage des Zeugen bezieht und unter Hinweis auf bestimmte Passagen des (in Kopie beigeschlossenen) Dienstvertrages mit A. M. seine Auffassung darlegt, daß der Genannte "für die Führung des Unternehmens und insbesondere auch für die Veranlassung der Überstunden" verantwortlich gewesen sei, er hiefür, wie sich aus dem Dienstvertrag ergebe, bestellt worden sei.

2.2.2. Ungeachtet dessen, daß der behauptete Verstoß gegen den Grundsatz des Parteiengehörs nicht stattgefunden hat, besteht der Beschwerdeeinwand, es sei der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden, zu Recht.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 2. Juli 1990 mußte - dies insbesondere auch im Hinblick auf den darin in Bezug genommenen Punkt 3a) des mit A. M. abgeschlossenen Dienstvertrages vom 4. Juni 1986 sowie die Bekämpfung der Zeugenaussage als "sachlich unrichtig" - von der belangten Behörde (auch) in der Richtung verstanden werden, daß der Beschwerdeführer (und der zweite handelsrechtliche Geschäftsführer) A. M. mit dem besagten Vertrag zum Bevollmächtigten des Dienstgebers (auch ein solcher ist nach § 30 KJBG strafbar; vgl. § 31 Abs. 1 leg. cit.) bestellt habe. Dem steht nicht entgegen, daß in dieser Stellungnahme der Ausdruck "Bevollmächtigter" nicht verwendet wurde, muß doch eine verständige Würdigung des darin enthaltenen Vorbringens den Gesamtinhalt der Äußerung und den Kontext, in dem diese steht, berücksichtigen, also hier darauf Bedacht nehmen, daß der Beschwerdeführer sich damit auch gegen die Aussage des A. M. gewendet hat, derzufolge dieser einer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten oder ähnlichem" nie zugestimmt habe. Dieser Umstand und vor allem der bereits erwähnte Hinweis auf Punkt 3a) des Dienstvertrages, wonach dem A. M. das "gesamte Personalwesen des Cafe-Restaurants, die Auswahl, Einstellung, Kündigung oder Entlassung des Personals, die Dienstvereinbarungen und der Arbeitsentgelte, die Diensteinteilung inklusive allfälliger Überstunden und die Urlaubseinteilung" oblag, hätte die belangte Behörde veranlassen müssen, die Frage zu untersuchen, ob der Genannte mit seinem Einverständnis vom Dienstgeber mit der Überwachung der Einhaltung der Schutzvorschriften des KJBG betraut und von diesem mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet worden war.

Nur dann aber, wenn die belangte Behörde auf der Grundlage eines vollständig ermittelten Sachverhaltes - dies jedenfalls auch unter Bedachtnahme auf die vorhin dargelegten Gesichtspunkte - zu dem schlüssigen Ergebnis gelangt wäre, daß A. M. (auch) nicht zum Bevollmächtigten bestellt worden ist, wäre sie rechtlich in der Lage gewesen, den Beschwerdeführer als zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berufen (§ 9 Abs. 1 VStG 1950) wegen der von ihr als erwiesen angenommenen Übertretungen schuldig zu erkennen und dafür zu bestrafen.

3. Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 296/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 570,-- (Eingabengebühr S 360,--, Vollmachtgebühr S 120,--, Beilagengebühr S 90,--) zu entrichten waren.

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