VwGH 90/19/0021

VwGH90/19/00213.12.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Juni 1989, Zl. VII/1-F-19.523/13-89, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG NÖ 1974 §33;
SHG NÖ 1974 §9;
SHG NÖ 1974 §33;
SHG NÖ 1974 §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 26. August 1987 ersuchte der Beschwerdeführer durch seine damalige Sachwalterin um seine Aufnahme in das Pflegeheim Himberg. Die Aufnahme des Beschwerdeführers in das genannte Pflegeheim erfolgte am 2. Dezember 1987.

Mit dem an den Beschwerdeführer zu Handen seiner Sachwalterin gerichteten Bescheid vom 4. August 1988 sprach die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung aus:

"Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung gibt Ihrem Antrag auf Sozialhilfe statt. Sie erhalten ab 2.12.1987 vom Land Niederösterreich Hilfe durch Pflege im NÖ Landespensionistenheim (Laurentiusheim) Himberg. Die Gewährung der Hilfe beschränkt sich auf die Zurverfügungstellung des Pflegeplatzes. Zugleich werden Sie verpflichtet, die durch Ihre Pension der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (80 %) nicht gedeckten Kosten Ihres Heimplatzes monatlich an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, Sozialkasse, Kontonummer 1955-007022 bei der Landeshypothekenbank für Wien, einzuzahlen."

Die Rechtsgrundlage dieser Entscheidung bilde § 33 in Verbindung mit § 26 Abs. 4 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200 (NÖ SHG). Diesem Bescheid war eine Verpflegskostenabrechnung für die Zeit ab Dezember 1987 beigeschlossen.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde die Rechtmäßigkeit der Kostenersatzvorschreibung mit dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1987, Zl. 86/11/0178, und auf § 41 Abs. 1 lit. c NÖ SHG bestritten. In dem genannten Erkenntnis, das von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung gegenüber dem Beschwerdeführer geltend gemachte Rückersatzansprüche betroffen habe, sei vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen worden, es habe die Verpflichtung bestanden, bei der Vorschreibung eines Kostenersatzes gemäß § 41 Abs. 1 lit. c NÖ SHG zu begründen, wieso das Vermögen, auf das gegriffen werden sollte, bei der Gewährung der Sozialhilfe außer Betracht geblieben sei. Diese Begründung fehle auch im gegenständlichen Bescheid.

Mit Bescheid vom 13. Juni 1989 gab die NÖ Landesregierung (die belangte Behörde) der Berufung keine Folge, änderte jedoch den Spruch des angefochtenen Bescheides "unter vollständiger Aufrechterhaltung des Bescheidinhaltes" dahingehend ab, daß anstelle des "§ 26 Abs. 4" die "§§ 9 Abs. 1 und 11" zu treten hätten. Begründend wurde ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof habe in dem zitierten Erkenntnis festgestellt, daß die Behörde, wenn sie bei Gewährung der Pflege in einem Heim die Anrechnung des Vermögens unterlasse, dieses Versäumnis nicht im Wege einer nachträglichen Kostenersatzvorschreibung nachholen könne. Mit dem angefochtenen Bescheid werde jedoch kein Kostenersatz vorgeschrieben, da auch keine finanzielle Hilfestellung durch Übernahme der Heimkosten erfolgt sei. Durch den Bescheid werde lediglich sichergestellt, daß für den Beschwerdeführer der von ihm beantragte Heimplatz im NÖ Landespensionistenheim Himberg zur Verfügung gestellt werde, daß er jedoch die Kosten auf Grund seines Einkommens und verwertbaren Vermögens selbst zu tragen habe. Es werde daher auch kein nachträglicher Kostenersatz vorgeschrieben, da das Land Niederösterreich als Träger der Sozialhilfe die täglichen Verpflegkosten der Heimunterbringung nicht übernommen habe. Dem Beschwerdeführer sei somit "Pflege in einem Heim" nach § 33 Abs. 4 NÖ SHG gewährt und dabei in sinngemäßer Anwendung der §§ 9 Abs. 1 und 11 NÖ SHG das verwertbare Vermögen des Beschwerdeführers in Anrechnung gebracht worden. Da dieses Vermögen den auflaufenden täglichen Verpflegskostenersatz um ein Vielfaches übersteige und jederzeit verfügbar sei, habe der Beschwerdeführer für die Kosten seiner nunmehrigen Pflege im NÖ Landespensionistenheim Himberg selbst aufzukommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen "wegen Rechtswidrigkeit" kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Hilfe für pflegebedürftige Menschen ist im Abschnitt IV NÖ SHG geregelt. § 33 leg. cit. regelt die "Hilfe für pflegebedürftige Menschen", die nach dem ersten Absatz dieser Gesetzesstelle u. a. die "Pflege in Heimen" umfaßt. Diese ist nach Abs. 4 dieses Paragraphen dann zu gewähren, wenn die Wartung und Hilfe der im Abs. 3 genannten Pflegebedürftigen (zu ihnen zählt der Beschwerdeführer unbestritten) auf die dort bezeichnete Art (d. i.: durch eine andere Person) nicht möglich ist. Gemäß § 33 Abs. 4 zweiter Satz NÖ SHG finden für die Pflege in Heimen die Bestimmungen des Abschnittes II sinngemäß Anwendung. Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der den notwendigen Lebensunterhalt für sich und seine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend selbst beschaffen kann und nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Nach Abs. 4 des genannten Paragraphen kann Hilfe zum Lebensunterhalt durch laufende oder einmalige Geldleistungen oder durch Sachleistungen, insbesondere durch Gewährung des Lebensunterhaltes in einem geeigneten Heim, erfolgen.

Gemäß § 11 Abs. 1 leg. cit. hat der Hilfesuchende, bevor Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wird, sein Einkommen und sein verwertbares Vermögen einzusetzen.

Unbestritten steht im vorliegenden Fall fest, daß der Beschwerdeführer neben seiner laufenden Pension über ein Barvermögen in der Höhe von S 498.862,-- (laut Auskunft des Bezirksgerichtes Schwechat vom 18. März 1988) verfügt hat.

Der Beschwerdeführer macht, wie bereits in seiner Berufung, gestützt auf das bereits erwähnte Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, geltend, es wären seit dem Erkenntnis weder Änderungen im Sachverhalt noch in der Rechtslage eingetreten. Der angefochtene Bescheid stelle nur einen untauglichen Versuch "zur Sanierung einer seinerzeitigen Fehlleistung dar". Die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid ebenso wie in dem seinerzeitigen Verfahren nicht begründet, warum sie die Sozialhilfeleistung trotz des ihr bekannten Vermögens des Beschwerdeführers gewährt habe.

Dem Beschwerdeführer kann darin nicht gefolgt werden, daß dem bereits wiederholt genannten Vorerkenntnis derselbe Sachverhalt wie im gegenständlichen Beschwerdefall zugrunde lag. Damals hat die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit den Bescheiden vom 18. September 1985 und 13. März 1986 dem Beschwerdeführer jeweils die Hilfe durch Pflege im NÖ Pflegeheim Mistelbach und im Privatpflegeheim Loretto ab bestimmten Zeitpunkten zuerkannt und diesen Bescheiden jeweils den Hinweis hinzugefügt, daß die Entscheidung der Frage eines allfälligen Kostenersatzes einem weiteren Bescheid vorbehalten bleibe. Der über den Kostenersatz absprechende weitere Bescheid vom 13. März 1986 war in der Folge Gegenstand der Anfechtung durch den Beschwerdeführer. In dem genannten Erkenntnis hat der Gerichtshof u. a. dargelegt, daß die Behörde, wenn sie bei Gewährung von Pflege in Heimen die Anrechnung eines verwertbaren Vermögens unterläßt, dieses Versäumnis nicht im Wege einer Kostenersatzvorschreibung nach § 41 NÖ SHG nachholen kann. Den erwähnten Bestimmungen über den Einsatz der eigenen Mittel (ausdrücklicher Verweis auf § 9 Abs. 1 und § 11 NÖ SHG) hat die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung insofern formal Rechnung getragen, als sie mit dem Bescheid vom 18. September 1985 und dem ersten Bescheid vom 13. März 1986 für den relevanten Zeitraum dem Beschwerdeführer Pflege in einem Pflegeheim gewährt, aber jeweils eine allfällige Verpflichtung zum Ersatz der Kosten einem gesonderten Bescheid vorbehalten hat. Sie hat dabei nicht begründet, warum sie die Sozialhilfeleistung trotz des ihr bekannten Vermögens des Beschwerdeführers gewährt hat. Damit bestand die Verpflichtung, bei der Vorschreibung eines Kostenersatzes gemäß § 41 Abs. 1 lit. c NÖ SHG zu begründen, wieso das Vermögen, auf das gegriffen werden soll, bei der Gewährung der Sozialhilfe außer Betracht geblieben ist. "Dadurch, daß es die belangte Behörde unterlassen hat, in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Frage der Verwertbarkeit des Vermögens des Beschwerdeführers (jeweils) im Zeitpunkt der Gewährung der Sozialhilfe einzugehen, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können."

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid antragsgemäß dem Beschwerdeführer die Hilfe durch Pflege im NÖ Landespensionistenheim Himberg, beschränkt auf die Zurverfügungstellung des Pflegeplatzes, gewährt und gleichzeitig ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer für die Kosten seiner Pflege im Hinblick auf die Höhe seines Vermögens selbst aufzukommen hat.

In diesem Bescheid geht es somit nicht um den Kostenersatz für die seinerzeit dem Beschwerdeführer gewährte Pflege in den Heimen Mistelbach und Loretto, weshalb das damalige aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes dem im Beschwerdefall angefochtenen Bescheid nicht entgegenstehen kann. Der Beschwerdeführer irrt aber auch, wenn er meint, es bestehe seit seiner erstmaligen Aufnahme in ein Pflegeheim ein durchgehendes Pflegeverhältnis, das nur vorübergehend durch einen notwendig gewordenen Spitalsaufenthalt unterbrochen gewesen sei. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß er seit seiner erstmaligen Aufnahme in ein Pflegeheim dieses schon mehrmals gewechselt hat, nachdem ihm die Behörde jeweils auf seinen Antrag die Pflege in einem jeweils anderen Pflegeheim gewährt hat. Mit einem Bescheid kann nicht, wie der Beschwerdeführer meint, abstrakt die Aufnahme in ein Pflegeheim, sondern immer nur die Pflege in einem bestimmten Pflegeheim gewährt werden. Von dieser Voraussetzung ist auch das Erkenntnis vom 30. Juni 1987, Zl. 86/11/0178, auf das sich auch der Beschwerdeführer berufen hat, ausgegangen, da es dort auf Seite 8 bei dem bereits wiedergegebenen Zitat heißt: "... (jeweils) im Zeitpunkt der Gewährung der Sozialhilfe .."

Dennoch hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Das Sozialhilferecht ist vom Grundsatz der Subsidiarität beherrscht, das heißt, daß grundsätzlich nur bei Hilfsbedürftigkeit Sozialhilfe zu gewähren ist. Die Subsidiarität ist im NÖ SHG im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen ausdrücklich verankert (vgl. §§ 9 ff NÖ SHG). Bedürftig im Sinne des Sozialhilferechtes und damit potentieller Leistungsempfänger ist derjenige, der seinen Lebensbedarf nicht in ausreichendem Maß aus eigenen Kräften oder Mitteln decken kann und auch von Dritten keine entsprechenden Leistungen erhält (vgl. auch Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, Wien 1989, S. 364 und 402).

Gegen dieses Subsidiaritätsprinzip verstößt der angefochtene Bescheid, da dem Beschwerdeführer im Wege der Gewährung der Sozialhilfe ein Pflegeplatz zugewiesen wurde, obwohl - wie sich schon aus diesem Spruch ergibt - die belangte Behörde davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer die Kosten hiefür tragen kann. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - und zwar infolge untrennbarer Sprucheinheit zur Gänze - wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz im begehrten Umfang gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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