VwGH 90/14/0014

VwGH90/14/001424.4.1990

N gegen Finanzlandesdirektion für Tirol vom 15. November 1989, Zl. 40.232-4/89, betreffend Lohnsteuerfreibetrag für 1988:

Normen

ABGB §863;
ABGB §871;
ABGB §884;
ABGB §914;
EStG 1972 §18 Abs1 Z8 lita;
ABGB §863;
ABGB §871;
ABGB §884;
ABGB §914;
EStG 1972 §18 Abs1 Z8 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte für 1988 einen Lohnsteuerbefreiungsantrag auch für Aufwendungen zum Erwerb von Genußscheinen um einen Anschaffungspreis von S 30.000,--. Sie legte eine Bescheinigung der Kreditunternehmung im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 8 lit. a EStG 1972 vor, die sich allerdings nur auf die Anschaffung von Genußscheinen zum Betrag von S 100.000,-- durch den Ehemann der Beschwerdeführerin bezog. Das Finanzamt wies daher den Antrag ab. In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß entgegen dem Inhalt der Bescheinigung die Beschwerdeführerin drei Genußscheine und ihr Ehemann sieben Genußscheine, jeweils zum Anschaffungspreis von S 10.000,--, erworben hätten, und die Bank den Irrtum korrigiert habe. Zum Nachweis legte sie Bescheinigungen der Kreditunternehmung im Sinne der bereits zitierten Gesetzesstelle auf einem gleichartigen Vordruck vor, die die Berufungsbehauptung über die Anschaffung, die bezahlten Beträgen und die Tatsache der Hinterlegung jeweils im Jahre 1988 bestätigten. Diese Bescheinigungen trugen ein Ausstellungsdatum des Jahres 1989. In einem Begleitschreiben erklärte die Zentralkasse der Kreditunternehmung, daß der Kundenauftrag irrtümlich ausgefüllt worden sei.

Mit dem vor den Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge. Die Bescheinigung der Kreditunternehmung sei kraft bindender Beweisregel der einzige zulässige Urkundenbeweis zur Klärung der Frage, ob die Aufwendungen für Genußscheine als Sonderausgaben absetzbar seien. Dieser Nachweis in der ursprünglich vorgelegten Form trage lediglich die Unterschrift des Ehegatten der Beschwerdeführerin ohne Hinweis auf eine Vertretung und bezeichne nur diesen als Auftraggeber. Deshalb gehe der Einwand ins Leere, daß die ursprüngliche Bescheinigung auf Grund eines Irrtums der Kreditunternehmung ausgestellt worden sei. Aus dem Umstand, daß "sie" lediglich durch den Ehegatten der Beschwerdeführerin unterschrieben worden sei, sei zu schließen, daß ursprünglich tatsächlich der Ehegatte der Beschwerdeführerin die Anschaffung von zehn Genußscheinen in Auftrag gegeben habe. In weiterer Folge - "nach Kenntniserlangung der steuerlichen Nichtberücksichtigung der Sonderausgaben bei der" Beschwerdeführerin - sei "offensichtlich nachträglich" versucht worden, die Beschwerdeführerin als Auftraggeberin für die Anschaffung von drei Genußscheinen hinzustellen. Dieser Schluß ergebe sich aus dem Berufungsvorlageantrag, weil darin ausgeführt werde, die Kreditunternehmung habe im Schreiben vom Jänner 1989 festgestellt, daß das kontoführende Kreditinstitut bestätigte, die Beschwerdeführerin habe den Auftrag erteilt, drei Genußscheine in ihrem Namen und auf ihre Rechnung zu kaufen. DARAUFHIN sei der formelle Kundenauftrag dem tatsächlichen Kundenauftrag entsprechend ausgefüllt worden. Im übrigen gehe aus diesem Schreiben nicht hervor, auf wessen Seite der Irrtum vorgelegen sei. Wäre er bei der Bank gelegen, so hätte ihn der Ehegatte der Beschwerdeführerin bei Unterschriftsleistung sofort richtigstellen können. Den Irrtum hätte also nicht die Bank, sondern die Beschwerdeführerin, falls sie sich eines Beauftragten bediente, selbst zu vertreten. Die Beschwerdeführerin habe daher 1988 rechtswirksam keine Genußscheine angeschafft.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Berücksichtigung von Sonderausgaben für Aufwendungen aus der Anschaffung von Genußscheinen im Streitjahr verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aufwendungen natürlicher Personen für die Anschaffung von Genußscheinen im Sinne des § 6 des Beteiligungsfondsgesetzes sind gemäß § 18 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Sonderausgaben, die vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen sind. Zu diesen Bestimmungen zählt, daß die Kreditunternehmung die Anschaffung der Genußscheine, die bezahlten Beträge und die Tatsache der Hinterlegung auf einem amtlichen Vordruck bescheinigt. Das Gesetz sieht nicht vor, daß die Bescheinigung noch im Anschaffungsjahr ausgestellt sein müsse, oder die Bescheinigung nicht nachträglich (unter Verwendung eines amtlichen Vordruckes) berichtigt werden könnte, sollte sie ursprünglich Unrichtigkeiten aufgewiesen haben.

Der Anerkennung der Sonderausgaben stand daher der Umstand nicht im Wege, daß durch die Kreditunternehmung erst in dem dem Streitjahr folgenden Jahr eine geänderte (berichtigte) Bescheinigung ausgestellt wurde, die alle vom Gesetz geforderten Angaben enthielt. Der vom Gesetz geforderte Urkundennachweis wurde nämlich durch die mit der Berufung vorgelegte Bestätigung erbracht.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid jedoch davon aus, daß die Erstbescheinigung der Kreditunternehmung beweise, daß die zweite Bescheinigung unrichtig sei, daß also nur der Ehemann der Beschwerdeführerin Auftraggeber hinsichtlich der Anschaffung aller Genußscheine gewesen sei. Sie schließt dies daraus, daß der Ehemann der Beschwerdeführerin den Auftrag zur Anschaffung von zehn Genußscheinen ohne Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis unterschrieben habe und dem Berufungsvorlageantrag zu entnehmen sei, erst 1989 sei der formelle "Kundenauftrag Genußschein" dem tatsächlichen Kundenauftrag entsprechend ausgefüllt worden. Dabei übersieht die belangte Behörde jedoch, daß die Urkunde über die Auftragserteilung im Zweifel mangels Formzwanges nicht konstitutiv wirkt, sondern nur Beweisurkunde ist und weiters, daß jedenfalls für den Vertragsinhalt der übereinstimmende Wille der Vertragsteile ausschlaggebend ist, sollte die Erklärung auch vom übereinstimmend Gewollten abweichen. Meinen nämlich beide Seiten mit einer Erklärung dasselbe, mag das Erklärte auch objektiv betrachtet anderes bedeuten, so gilt der Satz "falsa demonstratio non nocet" (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes, Band I, 8. Aufl., 104 und 117). Dies gilt auch für formbedürftige Willenserklärungen (etwa für gemäß § 884 ABGB gewillkürte Schriftlichkeit); die Erklärung ist somit ungeachtet des Wortlautes und ihres normativen Verständnisses entsprechend dem tatsächlich übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten gültig (EvBl 1980/99). Daraus folgt, daß sich mit dem Inhalt der Auftragsurkunde aus dem Dezember 1988 und dem Hinweis auf die Bemerkung des Berufungsvorlageantrages, der formelle Kundenauftrag, der dem 1988 erteilten also inhaltlich entspricht (ihn richtig wiedergibt), sei erst 1989 ausgefüllt worden, die Richtigkeit der zweiten Bestätigung und damit auch die Behauptung der Beschwerdeführerin nicht widerlegen läßt.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt. Sie hat infolge dieses Rechtsirrtums eine Aufklärung der entscheidungswesentlichen Frage unterlassen, worauf sich die Kreditunternehmung und der Kunde noch im Jahre 1988 tatsächlich geeinigt haben, nämlich auf eine Anschaffung von zehn Genußscheinen durch den Ehemann der Beschwerdeführerin oder auf eine Anschaffung von sieben Genußscheinen durch diesen und von drei Genußscheinen durch die Beschwerdeführerin. Eine Beurteilung dieser entscheidungswesentlichen Frage wäre wohl nur durch die Vernehmung der beteiligten Personen (Angestellte der Kreditunternehmung einerseits, Ehemann der Beschwerdeführerin andererseits) möglich gewesen.

Es kann keine Rede davon sein, daß es "offensichtlich" (im Sinne von offenkundig gemäß § 167 Abs. 1 BAO) und damit keines Beweises bedürftig sei, daß die Beschwerdeführerin nachträglich versuche, sich als Auftraggeberin die Anschaffung von drei Genußscheinen hinzustellen.

Da die Beschwerdeführerin nie behauptet hat, die Anschaffung der drei Genußscheine sei durch ihren Ehemann als Treuhänder für sie als Treugeberin erfolgt, erübrigte sich ein Eingehen auf die Frage, ob und allenfalls welche Bedeutung § 24 Abs. 1 lit. c BAO für § 18 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972 zukommt, und welche Anforderungen an den Nachweis des Treuhandverhältnisses zwischen nahen Angehörigen zu stellen wäre.

Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Danach war das Mehrbegehren (Schriftsatzaufwand, der den Pauschbetrag übersteigt, Umsatzsteuer vom Schriftsatzaufwand, Beilagenstempel für mehr als eine gemäß § 28 Abs. 5 VwGG notwendige Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) abzuweisen.

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