VwGH 90/09/0108

VwGH90/09/010818.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über den Antrag des N auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 27. März 1990, Zl. OB 113-490.198-002, betreffend Verpflichtung zum Rückersatz nach dem Heeresversorgungsgesetz, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0086-3, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 27. März 1990, Zl. OB 113-490.198-002, betreffend Verpflichtung zum Rückersatz nach dem Heeresversorgungsgesetz gerichtete Beschwerde des nunmehrigen Antragstellers als verspätet zurück. In der Begründung dieses Beschlusses wurde ausgeführt, die am 16. Mai 1990 zur Post gegebene Beschwerde habe sich deshalb als verspätet erwiesen, weil - ausgehend von der Angabe der Beschwerde, der angefochtene Bescheid sei am 2. April 1990 zugestellt worden - die sechswöchige Beschwerdefrist am 14. Mai 1990 geendet habe.

In dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt der Antragsteller vor, die ihn vertretende Mutter habe am 11. Mai 1990 den Beschwerdevertreter in dessen Kanzlei aufgesucht und ihm den komplizierten Sachverhalt geschildert, Kopien der Bescheide ausgehändigt und den Auftrag zur Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erteilt. Der Beschwerdevertreter habe sofort mit der Verfassung der Beschwerde begonnen, in der Folge vom Beschwerdeführer die Information erhalten, daß der angefochtene Bescheid am 2. April 1990 zugestellt worden sei und diesen Termin an seine Kanzleileiterin zur Eintragung der Frist in den Fristenvormerkkalender weitergegeben. Die Kanzleileiterin, die seit 12 Jahren ununterbrochen bei Anwälten tätig sei, habe bisher beanstandungsfrei und gewissenhaft ihre Arbeit erbracht und sei für die Eintragung der Fristen unter Aufsicht des Beschwerdevertreters zuständig. Sie habe sich bei der Eintragung der Frist aus unerklärlichen Gründen um zwei Tage geirrt. Sie sei eine absolut zuverlässige Angestellte, der in ihrer 12 Jahre währenden Tätigkeit noch nie ein solcher Irrtum unterlaufen sei, weshalb die Fristvormerkung in ihren Aufgabenbereich übertragen habe werden können und sich der Beschwerdevertreter nach ursprünglich täglicher Kontrolle auf stichprobenartige Überprüfungen habe beschränken können. Der Beschwerdevertreter hätte bei der stichprobenartigen und auch bei der ständigen Kontrolle seiner Kanzleileiterin nie einen Grund zur Beanstandung gehabt. Erst durch den Zurückweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990 sei die irrtümlich falsche Fristberechnung entdeckt worden, sodaß die Wiedereinsetzungsfrist erst mit Zustellung des Beschlusses zu laufen begonnen habe.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Im vorliegenden Fall enthält die vom Beschwerdevertreter für den nunmehrigen Antragsteller eingebrachte (vom Verwaltungsgerichtshof wegen Verspätung zurückgewiesene) Beschwerde nicht nur die Angabe über die Zustellung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde (2. April 1990), die auch im Wiedereinsetzungsantrag wiederholt wird und insofern unbestritten ist, sondern auch am Ende der letzten Seite die Wendung "Innsbruck, 1990-05-16". An dem zuletzt genannten Tag ist (nach dem Poststempel des Briefumschlages) die Beschwerde auch zur Post gegeben worden.

Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund dieser Angaben in der Beschwerde davon aus, daß diese jedenfalls erst am 16. Mai 1990 endgültig fertiggestellt wurde und - mangels eines entgegenstehenden Vorbringens des Beschwerdevertreters - von ihm auch erst zu diesem Zeitpunkt nach erfolgter Fertigstellung unterschrieben wurde, wie dies bei Schriftstücken im allgemeinen der Fall und auch im Hinblick auf die vom Beschwerdevertreter als Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt erforderlich ist.

Einen Rechtsanwalt trifft aber die Verpflichtung, eine bereits fertiggestellte Beschwerde nicht ungelesen und damit ohne Kontrolle zu unterschreiben. Da im vorliegenden Fall die Beschwerde unbestritten das richtige Zustelldatum enthalten hat, hätte es dem Beschwerdevertreter im Hinblick auf das auf der letzten Seite des Beschwerdeschriftsatzes angeführte Datum bei gehöriger und zumutbarer Kontrolle - und zwar unabhängig von dem von ihm vorgebrachten Irrtum seiner Kanzleileiterin - auffallen müssen, daß die Beschwerde erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG fertiggestellt wurde und daher die geplante Einbringung verspätet war. Dem hätte nur durch einen zum damaligen Zeitpunkt gestellten Wiedereinsetzungsantrag begegnet werden können. Die durch die nicht zeitgerechte Stellung des Wiedereinsetzungsantrages unterlaufene Fehlleistung kann im Beschwerdefall nicht auf einen bloß minderen Grad des Versehens zurückgeführt werden. Dem im Beschwerdefall verspätet gestellten Wiedereinsetzungsantrag war daher gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 lit. e VwGG keine Folge zu geben.

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