VwGH 90/08/0035

VwGH90/08/00353.7.1990

M gegen den Bundesminister für Arbeit und Soziales wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 in einer Sozialversicherungsangelegenheit gemäß § 311 ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten)

Normen

AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In ihrer am 6. Februar 1990 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten, gemäß Art 132 B-VG erhobenen Säumnisbeschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe mit Antrag vom 28. August 1988 bei der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die

bescheidmäßige Feststellung beantragt, der Bund sei verpflichtet, einen Überweisungsbetrag gemäß § 311 Abs. 1 ASVG im gesetzlichen Ausmaß an die mitbeteiligte Partei zu leisten, sowie ferner, der Beschwerdeführerin seien durch die Abfertigung nach § 26 GehG keine Versicherungszeiten abgegolten worden. Die mitbeteiligte Partei habe mit Bescheid vom 16. Dezember 1988 (richtig: 16. September 1988) diesen Antrag abgelehnt. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin Einspruch an den Landeshauptmann von Wien erhoben und - nach Ablauf der Frist des § 73 Abs. 1 AVG 1950 - am 16. Mai 1989 bei der belangten Behörde den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gestellt. Die belangte Behörde habe mit Schreiben vom 1. Juni 1989 zwar mitgeteilt, daß über den Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Partei nach Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes entschieden werde, jedoch trotz Ablauf der 6-monatigen Frist über den Einspruch nicht entschieden.

Die belangte Behörde hat innerhalb der ihr vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist die Verwaltungsakten vorgelegt, die unter anderem den die Verwaltungssache erledigenden Bescheid vom 20. Oktober 1989, Zl. 123.714/3-7/89 enthalten, und eine Gegenschrift erstattet, in der unter Hinweis auf diesen Bescheid vorgebracht wird, daß die Beschwerdeführerin ihre Abgabestelle seit ihrem Antrag zumindest zweimal geändert habe, ohne die belangte Behörde davon zu verständigen, sodaß eine Zustellung des Bescheides an die Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sei.

Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie unter Hinweis darauf, daß die Beschwerdeführerin die Abgabestelle geändert habe, ohne die belangte Behörde davon zu verständigen, die Meinung vertritt, der Beschwerde komme keine Berechtigung zu, und Kosten gemäß §§ 47 ff VwGG geltend macht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten gab die Beschwerdeführerin in dem an den Landeshauptmann von Wien gerichteten Einspruch die Adresse 1180 Wien, Sch.-Gasse 22/6, als Anschrift an. Unter Angabe der gleichen Anschrift stellte die Beschwerdeführerin den am 17. Mai 1989 bei der belangten Behörde eingelangten Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950. Der schließlich ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 20. Oktober 1989 wurde der Beschwerdeführerin (im Wege des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 14) mit RSb-Brief an die Adresse 1180 Wien, Sch.-Gasse 22/6 übermittelt, und zwar zunächst am 5. Dezember 1989, worauf die Sendung mit dem Vermerk des Postamtes 1180 Wien zurückgesandt wurde, die Beschwerdeführerin sei bis 7. März 1990 im Ausland (unter Angabe einer Adresse in Konstanz, BRD) und ein weiteres Mal am 7. März 1990, worauf die Sendung mit dem postamtlichen Vermerk zurücklangte, die Beschwerdeführerin sei seit 7. Juli 1989 ins Ausland verzogen (ebenfalls unter Angabe der gleichen in der BRD gelegenen Adresse). Daraufhin verfügte die Behörde die neuerliche Zustellung gemäß den Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland im Wege des Regierungspräsidiums Freiburg (BRD). Nach dem von dieser Behörde am 2. April 1990 ausgestellten Zustellungszeugnis wurde die Sendung schließlich am 28. März 1990 beim Postamt 7750 Konstanz (BRD) hinterlegt.

Der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 20. Oktober 1989 am 6. Dezember 1989 zugestellt.

Es kann im Beschwerdefall auf sich beruhen, ob die belangte Behörde im Sinne des § 55 Abs. 2 VwGG Gründe nachgewiesen hat, welche ihr eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht haben, weil die belangte Behörde im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht säumig gewesen ist: wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 22. Oktober 1969, Slg. 7667/A, und in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1982, Zl. 08/2264/80, ausgeführt hat, ist im Mehrparteienverfahren ein Bescheid erlassen (und damit als Rechtsnorm existent geworden), wenn er wenigstens einer der Parteien gegenüber ordnungsgemäß im Sinne des § 62 AVG 1950 erlassen wurde. Dies war im Gegenstand gegenüber der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten durch die erfolgte Zustellung am 6. Dezember 1989 der Fall.

Mangels Säumnis der Behörde kommt daher eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung im Sinne des Art. 132 B-VG in Verbindung mit den §§ 27 und 42 Abs. 5 VwGG seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht.

Die Beschwerde war sohin mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung in jeder Lage des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 206/1989. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat weder Vorlage- noch Schriftsatzaufwand geltend gemacht.

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