VwGH 90/06/0128

VwGH90/06/012813.12.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1) des JG, 2) des FT, 3) der LL, 4) der EO, 5) des WP, 6) des AM,

7) des FS, 8) der HS, 9) des AZ, 10) der IL und 11) des RN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 5. Juli 1990, Zl. A 17-K-1.411/1990-84, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Graz, vertreten durch den Bürgermeister, dieser durch die Magistratsabteilung 12 - Liegenschaftsverwaltung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs2 idF 1982/199;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4 idF 1982/199;
AVG §18 Abs4;
AVG §61 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §1 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §18 Abs2 idF 1982/199;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4 idF 1982/199;
AVG §18 Abs4;
AVG §61 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §1 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 16. Juli 1986 beantragte die Stadt Graz, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch die Magistratsabteilung 12 - Liegenschaftsverwaltung, die Erteilung der Widmungsbewilligung für zahlreiche Grundstücke inneliegend in EZ nn1, nn2, n, nn3 und nn4 KG G, zu 12 Bauplätzen. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 5. Februar 1988 wurde die beantragte Widmungbewilligung unter Festsetzung von Bebauungsgrundlagen und Auflagen erteilt. Die Einwendungen zahlreicher Nachbarn, u.a. auch der Beschwerdeführer, wurden teils als unzulässig zurück-, teils als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid hat eine Reihe von Nachbarn, unter ihnen auch die Beschwerdeführer, die Berufung eingebracht. Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 9. Juni 1988 wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Auf Grund einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hob dieser mit Erkenntnis vom 26. April 1990, Zl. 88/06/0155, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf. Dies wurde damit begründet, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. März 1990 den § 19 Abs.4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz als gesetzwidrig aufgehoben hatte, weshalb der seinerzeit angefochtene Bescheid von einem hiefür unzuständigen Organ erlassen worden war. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz den Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 5. Februar 1988 neuerlich keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Über diese Beschwerde sowie über die Gegenschrift der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die von ihnen behauptete Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde erblicken die Beschwerdeführer darin, daß der ihnen zugestellte erstinstanzliche Bescheid vom 5. Februar 1988 weder unterfertigt sei noch einen Beglaubigungsvermerk der Kanzlei aufweise, es liege daher gar kein Bescheid vor.

Gemäß § 18 Abs. 4 AVG 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 199/1982 müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten. Bei telegraphischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung. Gemäß § 58 Abs. 3 AVG 1950 gelten diese Vorschriften auch für Bescheide.

Das bedeutet, daß ungeachtet der Form der Bescheidausfertigung - jedenfalls soweit es sich nicht um Ausfertigungen handelt, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurden - im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG 1950 die Urschrift mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen sein muß. Fehlt dieses wesentliche Erfordernis eines Bescheides, so mangelt dem betreffenden Schriftstück die Bescheidqualität schlechthin (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1988, Zl. 88/01/0028, sowie vom 10. November 1988, Zl. 88/08/0048).

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits mit Erkenntnis vom 16. Juni 1981, Slg. Nr. 10.491/A, ausgesprochen, daß die Unterschrift des Genehmigenden nicht auf das Schriftstück, das die Erledigung trägt, selbst gesetzt werden müsse, es genüge, wenn die Unterschrift auf einem Referatsbogen "beigesetzt" werde. Auch aus dem bereits zitierten Erkenntnis vom 10. November 1988 geht hervor, daß es genügt, wenn auf dem Konzept, dem Entwurf, dem Referatsbogen, etc. die Unterschrift des Genehmigenden aufscheint. Im vorgelegten Verwaltungsakt liegt ein Geschäftsstück (Bericht an den Stadtsenat vom 5. Februar 1988), das die eigenhändig gesetzte Unterfertigung des genehmigenden Organes (des Bürgermeister-Stellvertreters E) sowie des Sachbearbeiters und des Abteilungsvorstandes aufweist. Auch die von den Beschwerdeführern vorgelegten Ausfertigungen des Bescheides vom 8. Februar 1988 weisen (in Maschinschrift) als den Genehmigenden den Bürgermeister-Stellvertreter E aus. Damit ist aber dem Erfordernis der "beigesetzten Genehmigung" im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses vom 16. Juni 1981 entsprochen.

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Dezember 1985, Slg. Nr. 11.983/A, auf das auch die Beschwerdeführer hinweisen, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß für die Frage der Zulässigkeit des Unterbleibens einer Beglaubigung einer Bescheidausfertigung im Falle einer Vervielfältigung ausschließlich das Faktum der Vervielfältigung maßgebend sei. Im Beschwerdefall lassen nun nicht nur die vorliegenden Ausfertigungen des den Beschwerdeführern zugestellten Bescheides unzweifelhaft erkennen, daß es sich um eine Vervielfältigung handelt, dieser Umstand geht im Beschwerdefall auch daraus hervor, daß der Bescheid nach seiner Zustellverfügung an 114 einzelne Bescheidadressaten ergangen ist. Eine Beglaubigung durch die Kanzlei war daher nicht erforderlich.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die Beschwerdeführer, daß die Behörde von Amts wegen verpflichtet sei, das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des § 1 der Steiermärkischen Bauordnung zu prüfen und erforderlichenfalls zum Zwecke der Sicherung der Bauplatzeignung die entsprechenden Auflagen zu erteilen.

Das Widmungsareal hat eine Fläche von rund 127.000 m2. Es grenzt westlich an eine ehemalige Mülldeponie der Stadt Graz an. Bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens und auch im Berufungsverfahren haben die Beschwerdeführer ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht, daß es durch die durch Gutachten festgestellten Ausgasungen der angrenzenden Mülldeponie, die sich bis in den Bereich des Widmungsgrundstückes hineinzögen, zu einer erhöhten Explosionsgefahr auf dem Widmungsgrund selbst kommen könne, was auch auf die benachbarten Liegenschaften Auswirkungen haben könne.

Gemäß Art. II Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 14/1989, ist auf den Beschwerdefall noch die bis zum Inkrafttreten dieser Novelle am 1. März 1989 in Geltung gestandene Fassung der Steiermärkischen Bauordnung (BO) anzuwenden. Nach § 1 Abs. 1 leg. cit. müssen Bauplätze einen trockenen und tragfähigen Boden aufweisen und sollen sonnig sein; sie dürfen nicht durch Schnee- oder Steinlawinen, Hochwasser, Rutschungen u.dgl. gefährdet sein. Nach § 3 Abs. 3 BO ist u.a. die von der Widmung erfaßte Grundfläche festzusetzen. Im übrigen gelten die Bestimmungen des § 62 Abs. 1 bis 3 und 5 auch für die Widmungsbewilligung.

Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung (sinngemäß: Widmungsbewilligung) Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 10. Dezember 1981, Zl. 06/3046/79, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, eingehend dargelegt, daß die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 BO keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte begründen. Auch in seinen Erkenntnissen vom 14. November 1978, Zlen. 241/78 und 1080/78, und vom 23. Oktober 1986, Zl. 84/06/0041, BauSlg. Nr. 792 hat der Verwaltungsgerichtshof an dieser Rechtsprechung festgehalten. Die Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, den Gerichtshof zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung zu veranlassen.

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.317/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Falle einer beschränkten Parteistellung des Berufungswerbers, wie es für den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch sei, auf jenen Themenkreis eingeschränkt ist, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist, Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 sei sohin ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zustehe.

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß selbst bei allfälliger objektiver Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens in bezug auf die Lösung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BO vorliegen, die Berufungsbehörde nicht berechtigt war, aufgrund der Berufung der Anrainer einen derartigen Mangel aufzugreifen, weil den Nachbarn hinsichtlich der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BO kein Mitspracherecht zusteht.

Da zudem die verfahrensrechtlichen Ansprüche der Nachbarn nicht weitergehen als ihre materiellen Rechte (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 26. November 1974, Nr. 8.713/A, und vom 8. November 1976, Slg. Nr. 9170/A) geht auch die eine Verletzung des Parteiengehörs und Begründungsmängel geltend machende Verfahrensrüge die sich auf jene Rechte bezieht, zu welchen oben dargelegt wurde, daß sie keine subjektiv öffentlich-rechtlichen Ansprüche von Nachbarn begründen, ins Leere.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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