VwGH 90/05/0040

VwGH90/05/004018.9.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Dr. N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Jänner 1990, Zl. R/1-V-88190 und R/1-V-88190/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) Dkfm. P, 2) Marktgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §100;
BauO NÖ 1976 §2 Z1;
BauO NÖ 1976 §87 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §100;
BauO NÖ 1976 §2 Z1;
BauO NÖ 1976 §87 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Bescheid der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Oktober 1988 betreffend das Baubewilligungsverfahren für eine Garage aufgehoben worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde Vorstellungen der Beschwerdeführerin gegen Berufungsbescheide der mitbeteiligten Gemeinde Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Ihre Aufhebung betreffend das Benützungsbewilligungsverfahren begründete die belangte Behörde damit, daß in Wahrheit mit der Benützungsbewilligung auch eine Baubewilligung erteilt worden sei, sodaß in diesem Verfahren die beschwerdeführende Nachbarin Anspruch auf eine inhaltliche Entscheidung besessen hätte; die gemeindliche Berufungsbehörde hätte die Berufung nicht mangels Parteistellung als unzulässig zurückweisen dürfen.

Ihren aufhebenden Bescheid betreffend das Baubewilligungsverfahren für eine Garage begründete die belangte Behörde damit, daß sich aus dem im Zuge des aufsichtsbehördlichen Verfahrens eingeholten Gutachten ergeben habe, daß zur Vermeidung einer Schlechterstellung der Beschwerdeführerin in brandschutztechnischer Sicht die Errichtung einer Trennung zwischen dem Dachboden der Kleingarage (Nebengebäude) und dem Dachgeschoß des Hauptgebäudes hergestellt werden müsse, die brandschutztechnisch einer Brandwiderstandsdauer von 90 Minuten entspreche. Aus diesem Grund sei durch die Bewilligung der Abänderung der Garage in unzulässiger Weise in die Rechtsposition der Beschwerdeführerin eingegriffen worden und es sei dadurch ihr Recht auf Beachtung der entschiedenen Sache im Sinne des § 68 AVG 1950 verletzt worden. Davon ausgehend ergebe sich, daß die Erteilung der Benützungsbewilligung für die Sauna verfrüht erfolgt sei, weil der Möglichkeit einer Brandausbreitung aus dem Saunagebäude durch das Giebelfenster über den Dachboden der Kleingarage zum Dachgeschoßausbau des Wohnhauses nicht Rechnung getragen worden sei. Die Beschwerdeführerin irre allerdings hinsichtlich der Abschleppung des Daches des Hauptgebäudes über die Garage. Eine Verpflichtung dazu bestehe im Sinne des § 87 der NÖ Bauordnung 1976 nicht. Ebenso verkenne sie die Tatsache, daß eine Kleingarage ein Nebengebäude darstelle, das im seitlichen Bauwich bei offener Bebauungsweise errichtet werden dürfe. Die Garage entspreche auch hinsichtlich der Höhe der der Beschwerdeführerin zugekehrten Gebäudefront, wie sich aus dem im Rahmen der Vorstellungsverhandlung erstatteten Gutachten ergebe. Durch die Vorschreibung einer Auflage im erstinstanzlichen Verfahren sei schließlich auch sichergestellt worden, daß jener Dachbodenraum, der innerhalb des

3 m-Abstandes zu Grundstücksgrenzen liege, nicht als Wohnraum genutzt werden könne. Der Gemeinderat habe daher in seiner Entscheidung richtig erkannt, daß allein die Möglichkeit, ein Bauwerk konsenswidrig zu verwenden, keinen Anlaß für die Versagung einer Baubewilligung darstelle.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid dadurch in ihren Rechten verletzt, daß mit bindender Wirkung für das fortgesetzte Verfahren Rechtsansichten ausgesprochen worden seien, die im § 87 der NÖ Bauordnung keine Deckung finden.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst hat die Beschwerdeführerin zutreffend erkannt, daß die die Aufhebung tragenden Rechtsmeinungen der Gemeindeaufsichtsbehörde in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid für das fortgesetzte Verfahren bei Rechtskraft dieses Bescheides auch dann bindend sind, wenn sie mit der objektiven Rechtslage nicht in Einklang stehen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 1988, Zl. 88/05/0002, u.a.). Die Beschwerdeführerin war daher berechtigt, den ihren Vorstellungen stattgebenden Bescheid der belangten Behörde mittels Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof anzufechten, um auf diese Weise die Möglichkeit zu besitzen, eine ihrer Meinung nach unrichtige Rechtsansicht zu bekämpfen.

Die Beschwerdeführerin bringt richtig vor, daß der Nachbar im baubehördlichen Bewilligungsverfahren berechtigt ist, das Vorliegen entschiedener Sache einzuwenden. Aus ihren weiteren Ausführungen geht hervor, daß sie dieses Recht dahin gehend versteht, daß der Bauwerber verpflichtet ist, von einem einmal bewilligten Projekt nicht abzuweichen. Zu Recht verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, daß der Ansicht der Beschwerdeführerin, eine Baulichkeit dürfe nur so wie ursprünglich bewilligt errichtet werden, nicht zugestimmt werden kann, da sich eine solche Auffassung aus der hier maßgeblichen Rechtslage nicht begründen läßt. Die von einem Nachbarn erhobene Einwendung der entschiedenen Sache ist so zu verstehen, daß ein einmal rechtskräftig durch Abweisung des Bauansuchens für ein bestimmtes Projekt beendetes Verfahren - den Fall der Wiederaufnahme ausgenommen - nicht neuerlich aufgerollt werden darf, wenn sich weder die Rechtslage noch das Projekt in wesentlicher Hinsicht geändert haben. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, vielmehr will die Beschwerdeführerin erreichen, daß das ursprünglich bewilligte Bauvorhaben nur so ausgeführt werden darf, wie es seinerzeit bewilligt worden ist. Ein derartiger Rechtsanspruch kann aber weder aus § 68 Abs. 1 AVG 1950 (entschiedene Sache) noch aus der NÖ Bauordnung 1976 abgeleitet werden. In dieser Beziehung erweist sich sohin das Beschwerdevorbringen als nicht begründet.

Bezüglich des Benützungsbewilligungsverfahrens hat die belangte Behörde, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung erwähnt, den letztinstanzlichen Gemeindebescheid, der die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückwies, mit der Begründung aufgehoben, daß der Beschwerdeführerin deshalb Parteistellung zukomme, weil mit der Benützungsbewilligung in Wahrheit auch eine Baubewilligung erteilt worden sei. Nur diese Rechtsansicht war tragend für die Aufhebung des diesbezüglichen Berufungsbescheides. Da durch diese Rechtsansicht die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt werden konnte, entspricht der angefochtene Bescheid in dieser Beziehung der Rechtslage.

Bezüglich der Errichtung der Kleingarage sah die belangte Behörde eine Verletzung von Brandschutzvorschriften als tragenden Aufhebungsgrund an. Die Beschwerdeführerin erachtet dagegen das gesamte Gebäude nicht als Kleingarage und daher als im Seitenabstand unzulässig. Zunächst ergibt jedenfalls ein Vergleich des ursprünglich genehmigten Einreichplanes, welcher der Baubewilligung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juni 1987 zugrundelag, mit dem nunmehr zugrunde liegenden Bauplan, daß nun im gemeindebehördlichen Verfahren ein hinsichtlich Höhe und Dachform völlig verschiedenes Gebäude bewilligt worden ist. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin konnte daher im Hinblick auf das vielfach abgeänderte Projekt keinesfalls von einer entschiedenen Sache ausgegangen werden. Die belangte Behörde ist nun grundsätzlich davon ausgegangen, daß das neue Bauvorhaben jedenfalls hinsichtlich seiner Lage im seitlichen Bauwich zur Grundgrenze der Beschwerdeführerin als Kleingarage im Sinne des § 87 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976, in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-1, zu beurteilen ist. Danach darf bei offener Bebauungsweise je Bauplatz eine Kleingarage im Vorgarten an der seitlichen Grundstücksgrenze oder im seitlichen Bauwich angeordnet werden, wenn

  1. 1) das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird,
  2. 2) der Bebauungsplan dies nicht ausdrücklich verbietet,
  3. 3) die Gesamtbreite des Bauwiches bebaut wird, die Gebäudehöhe außer bei Kuppelung mit einer Kleingarage auf dem Nachbargrundstück höchstens 2,50 m, gemessen an der Grundstücksgrenze zum Anrainer, beträgt, wobei das Dach des Hauptgebäudes bis zur Hälfte seiner Länge über die Kleingarage abgeschleppt werden darf, und die Länge der Kleingarage einschließlich eines Vordachs an der Grundstücksgrenze 12 m nicht überschreitet.

Im Zuge des aufsichtsbehördlichen Verfahrens hat ein technischer Amtssachverständiger bei der Verhandlung am 5. Juni 1989 ausgeführt, daß nach dem Bestandsplan die Kleingarage an der Grundstücksgrenze errichtet und die Länge an der Grundstücksgrenze mit 6 m in der Natur gemessen worden sei. Die Breite der Kleingarage betrage nach dem Plan ca. 7 m. Nach dem Bebauungsplan der Gemeinde sei für diesen Bauplatz die offene oder gekuppelte Bebauungsweise zur wahlweisen Ausführung festgelegt, wobei auf Grund des Baubestandes dieses und der angrenzenden Bauplätze die offene Bebauungsweise vorliege. Der seitliche Bauwich betrage zur Grundgrenze der Beschwerdeführerin nach den vorgenommenen Festlegungen 9,12 m. Nach einem Hinweis auf § 87 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 erachtete der Amtssachverständige die Kleingarage als Nebengebäude. Ob die Kleingarage als solche dem § 87 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 entspricht, hat der Amtssachverständige nicht ausdrücklich ausgeführt, jedoch dürfte er davon ausgegangen sein.

Schon aus dem genehmigten Bauplan geht hervor, daß die Gebäudehöhe an der Grundgrenze im Hinblick auf ein eingezeichnetes anschließendes Niveau 2,60 m beträgt (das anschließende Niveau ist mit 0,40 m angegeben). Darüber hinaus weist das nunmehr vorliegende Projekt über der Garage einen Raum aus, für welchen auch ausdrücklich Fenster vorgesehen sind. Sollte dieser Raum - eine Widmung wurde nicht ausgewiesen - zu garagenfremden Zwecken verwendet werden, so handelt es sich um keine Kleingarage, sodaß dieser Raum im Seitenabstand jedenfalls unzulässig wäre (vgl. § 2 Z. 1 der NÖ Bauordnung 1976). Es ging also in Wahrheit darum, daß die Beschwerdeführerin sich zu Recht gegen die Errichtung dieser Baulichkeit im Seitenabstand aussprach, wobei es nicht nur um die Einhaltung brandschutztechnischer Vorschriften ging, wie die belangte Behörde irrtümlich meinte. Erweist sich aber das gesamte Gebäude in seiner derzeit projektierten Form als unzulässig, so hätte aus diesem Grund der letztinstanzliche Gemeindebescheid aufgehoben werden müssen. Im Ergebnis hat daher die Beschwerdeführerin zu Recht die Ansicht vertreten, daß es sich bei dem nun vorliegenden Bau um keine Garage im Sinne des § 87 der NÖ Bauordnung 1976 handelt. In dieser Beziehung erweist sich damit der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid bezüglich des Baubewilligungsverfahrens für die Kleingarage gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im übrigen war jedoch die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte