VwGH 90/03/0161

VwGH90/03/016110.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 18. Mai 1990, Zl. 8V-263/4/90, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Kraftfahrgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen die von der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt gegen den Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG erlassene Strafverfügung vom 1. Dezember 1988 erhob dieser, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz G., Einspruch. Der Einspruch enthält lediglich den Vermerk: "Vollmacht ausgewiesen." Eine Vollmacht wurde nicht vorgelegt (siehe Eingangsvermerk der Behörde).

Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 9. Juni 1989, mit dem der Beschwerdeführer neuerlich wegen der Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG bestraft wurde, wurde zu Handen des Rechtsanwaltes Dr. Franz G. am 15. Juni 1989 zugestellt, welcher im Namen des Beschwerdeführers (eine mit 19. Juni 1989 datierte) Berufung erhob.

Mit Schreiben vom 22. September 1989 eröffnete die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Handen des anwaltlichen Vertreters, daß sie beabsichtige, die vorliegende Berufung und die gegen zwei weitere Straferkenntnisse zurückzuweisen, da zum Zeitpunkt der Zustellung der Straferkenntnisse zu Handen des Vertreters dessen Vertretungsbefugnis noch durch keine Vollmacht nachgewiesen gewesen sei, vielmehr die Vollmacht erst nach der Zustellung (über Auftrag der Behörde) im Berufungsverfahren vorgelegt worden sei. Die Zustellungen hätten daher keine rechtswirksame Erlassung der Straferkenntnisse bewirkt.

Mit der schriftlichen Stellungnahme vom 5. Oktober 1989 legte der anwaltliche Vertreter (zu der bereits im Zuge des Berufungsverfahrens über Auftrag der Behörde übermittelten Vollmacht vom 18. August 1989) eine weitere Vollmachtsurkunde vom 19. Juni 1989 vor. Er habe bereits im (weiteren) Verwaltungsstrafverfahren zu Zl. 44.164/88 mit dem Einspruch vom 5. Dezember 1988 das Vollmachtsverhältnis gemäß § 10 Abs. 2 AVG vorgewiesen. Aus dem Handakt des Vertreters sei nicht zu ersehen, ob die Vollmacht der Behörde bereits vor Erlassung des Straferkenntnisses oder erst im Berufungsverfahren vorgelegt worden sei. Diesbezüglich ersuche er um Klarstellung in den zu erlassenden Bescheiden.

Der zuständige Referatsleiter der Erstbehörde gab am 11. Dezember 1989 bekannt, es sei auch im Strafakt

Zl. 44.164/88 mit dem Einspruch keine Vollmacht vorgelegt worden. Auch mündlich sei keine erteilt worden. Entweder im August oder September 1989 sei über Auftrag die mit 18. August 1989 datierte Vollmacht beigebracht worden.

Hiezu führte der einschreitende Vertreter aus, er habe im Einspruch zu Zl. 44.164/88 gleichfalls mit dem Einspruch auf die Vollmacht gemäß § 10 Abs. 2 AVG verwiesen. Damit sei eine mündliche Vollmacht gemeint. Im vorliegenden Einspruch habe er darauf verwiesen, daß die Vollmacht ausgewiesen sei. Hätte keine Vollmacht bestanden, so hätte schon die Erstbehörde ein Mängelbehebungsverfahren einzuleiten gehabt.

Der Referatsleiter der Erstbehörde deponierte am 29. Jänner 1990 als Zeuge, § 10 Abs. 2 AVG sage über eine mündliche Vollmacht nichts aus. Diese werde in § 10 Abs. 1 AVG behandelt. Eine mündliche Vollmacht, zu deren Beurkundung ein Aktenvermerk genüge, sei nicht erteilt worden. Der Einspruch sei schriftlich erfolgt. Eine mündliche Vorsprache, bei welcher eine mündliche Vollmacht durch den Beschuldigten hätte erteilt werden können, habe es nicht gegeben.

In der hiezu durch den anwaltlichen Vertreter ergangenen Stellungnahme vom 7. Februar 1990 vermochte dieser keine neuen konkreten Tatsachen aufzuzeigen.

Der Referatsleiter der Erstbehörde wiederholte am 10. April 1990 als Zeuge sein bisheriges Vorbringen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 1990 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, vertreten durch den genannten Rechtsanwalt, gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Juni 1989 als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde führte nach kurzer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, sie habe keinen Grund, den Angaben des Referatsleiters der Erstbehörde nicht zu folgen, wonach keine Vollmachtsvorlage im erstinstanzlichen Verfahren erfolgt und auch nicht auf eine bereits vorgelegte (bestimmte) Vollmacht verwiesen worden sei. Nach Zitierung der Vorschriften des § 10 AVG heißt es, es sei zu prüfen gewesen, ob zum Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses am 15. Juni 1989 der Vertreter auf Grund des § 9 Abs. 1 ZustG zum Empfang von für den Beschwerdeführer bestimmten Schriftstücken bevollmächtigt gewesen sei. Wie dem Akteninhalt und den Angaben des Referatsleiters der Erstbehörde zu entnehmen sei, sei zum Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses noch keine Vollmacht nachgewiesen gewesen, weshalb von der Erstbehörde zu Unrecht von einer Zustellungsbevollmächtigung ausgegangen worden sei. Bemerkt werde, daß der nach der Zustellung des Straferkenntnisses erfolgten Vorlage der Vollmacht keine Bedeutung zukomme, weil die Wirkung der rechtzeitigen Behebung eines Formgebrechens zufolge § 13 Abs. 3 letzter Satz AVG darauf beschränkt sei, daß das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht anzusehen sei, daraus aber nicht abgeleitet werden könne, daß der erst nach der Zustellung erbrachte Nachweis des Vollmachtsverhältnisses, also der Bevollmächtigung einer Person zum Empfang von Schriftstücken im Sinne des § 9 Abs. 1 ZustG, zur Folge habe, daß die Zustellung rückwirkend als ordnungsgemäß im Sinne dieser Bestimmung zu gelten habe (siehe Verwaltungsgerichtshof 7. Juli 1989, Zl. 89/02/0071).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behauptung des Beschwerdeführers, es sei die Frage, ob nicht doch ein rechtswirksames Vollmachtsverhältnis schon vor der Zustellung des Straferkenntnisses ausgewiesen gewesen sei, nicht erschöpfend geklärt worden, findet in der Aktenlage keine Deckung. Aus den mehrfachen Angaben des Referatsleiters der Erstbehörde, der sogar zweimal als Zeuge befragt wurde, in Verbindung mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung und dem übrigen Akteninhalt ergibt sich unmißverständlich, daß der Erstbehörde vor Zustellung des Straferkenntnisses vom 9. Juni 1989 kein Vollmachtsverhältnis nachgewiesen worden ist. Hingegen erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren, wie der Sachverhaltsdarstellung entnommen werden kann, nicht eben als schlüssig. Bei der erstmals in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, die Vollmacht sei in bestimmten anderen Verfahren aus den Jahren 1986 und 1987 ausgewiesen, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung. Im übrigen ist die Behörde nicht berechtigt, auch im Fall des Vorliegens einer Vollmacht in einem anderen Verfahren davon auszugehen, daß die Partei auch in anderen, bereits anhängigen oder späteren Verfahren vertreten sein will, es sei denn, daß die Partei ihren Willen, sich in allen weiteren Rechtssachen eben dieses Vertreters zu bedienen, unmißverständlich zu erkennen gegeben hat (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 13. Juni 1985, Zl. 85/06/0006, und vom 22. Jänner 1988, Zl. 88/18/0003). Es wäre daher Aufgabe des Vertreters gewesen, im Einspruch ausdrücklich auf das betreffende anhängige Verfahren zu verweisen und sich nicht mit der allgemeinen Floskel "Vollmacht ausgewiesen" zu begnügen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat ihn die belangte Behörde nicht in seinem Recht auf meritorische Erledigung des Einspruches bzw. der Berufung verletzt. Der nach der Zustellung des Straferkenntnisses erfolgten Vorlage der Vollmacht kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, weil die Wirkungen der - rechtzeitigen - Behebung eines Formgebrechens zufolge § 13 Abs. 3 letzter Satz AVG darauf beschränkt sind, daß DAS ANBRINGEN als ursprünglich richtig eingebracht anzusehen ist; daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß der erst nach der Zustellung erbrachte Nachweis eines Vollmachtsverhältnisses, also der Bevollmächtigung einer Person zum Empfang von Schriftstücken im Sinne des § 9 Abs. 1 ZustG, zur Folge hat, daß die ZUSTELLUNG rückwirkend als ordnungsgemäß im Sinne dieser Bestimmung zu gelten hat (vgl. z. B. das schon von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/02/0071). Ist aber davon auszugehen, daß eine Zustellung des Straferkenntnisses nicht rechtswirksam erfolgt ist und ist dieses Straferkenntnis daher rechtlich nicht existent (eine mündliche Verkündung wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet), weil es nicht erlassen wurde, so entsprach die Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung durch die belangte Behörde der Rechtslage. Daß ein Bescheid, der gar nicht erlassen wurde, nicht der Aufhebung unterliegt, bedarf keiner näheren Erörterung. Ein nicht erlassener Bescheid kann auch nicht aus dem Rechtsbestand beseitigt werden. Das weitere Beschwerdevorbringen in diesem Zusammenhang ist wenig verständlich.

Da sich somit die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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