Normen
StVO 1960 §52 Z10a;
StVO 1960 §99 Abs2 litc idF 1976/412;
VStG §44a lita;
VStG §44a litc idF 1964/275;
StVO 1960 §52 Z10a;
StVO 1960 §99 Abs2 litc idF 1976/412;
VStG §44a lita;
VStG §44a litc idF 1964/275;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. November 1989, in der Fassung ihres Berichtigungsbescheides vom 5. März 1990, wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 99 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit § 52 Z. 10a StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 17. November 1988 um 20.15 Uhr in Wien 13, Wientalstraße Höhe Hofjagdstraße (Richtung Stadt) als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges die durch Verbotszeichen gemäß § 52 Z. 10a StVO 1960 kundgemachte, zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 85 km/h und somit erheblich überschritten und sich infolge eingeschränkter Sichtverhältnisse durch Dunkelheit gegenüber anderen Straßenbenützern besonders rücksichtslos verhalten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer, der die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung an sich nicht in Abrede stellt, bestreitet seine Lenkereigenschaft. Diesbezüglich genügt es aber, auf die betreffenden Ausführungen des Gerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 9. Mai 1990, Zl. 90/02/0002, mit dem eine Beschwerde desselben Beschwerdeführers gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 infolge einer von ihm im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Vorfall unrichtig erteilten Lenkerauskunft erledigt wurde, zu verweisen. Der Gerichtshof gelangte hiebei im Rahmen der ihm zustehenden eingeschränkten Kontrollbefugnis hinsichtlich der in diesem Bescheid vorgenommenen Beweiswürdigung, die im wesentlichen jener der belangten Behörde im gegenständlichen angefochtenen Bescheid entspricht, zu dem Ergebnis, daß der Annahme, der Beschwerdeführer (und nicht eine von ihm genannte Bekannte) sei Fahrzeuglenker gewesen, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden könne. Das gleiche gilt im vorliegenden Beschwerdefall. Daran vermag das zusätzliche Argument des Beschwerdeführers, es sei am Tatort eine Aufnahme der Personalien des Fahrzeuglenkers, mit dem der Meldungsleger das von ihm geschilderte Gespräch geführt habe, unterblieben, nichts zu ändern. Für seinen Standpunkt ist auch nichts zu gewinnen, wenn er sich gegen die Überlegungen der belangten Behörde wendet, aus welchen näher von ihr angeführten Gründen es unwahrscheinlich sei, daß die Bekannte des Beschwerdeführers (eine amerikanische Staatsbürgerin) eine derart hohe Geschwindigkeit eingehalten habe, weil es sich hiebei um keine die Annahme der belangten Behörde tragende Begründung handelt, wie schon die einleitende Formulierung ("Nebenbei sei bemerkt") erkennen läßt.
Auch die Rüge des Beschwerdeführers, die im (mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides vollinhaltlich übernommenen) Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfolgte Bezeichnung des Tatortes entspreche nicht den Erfordernissen des § 44 a lit. a VStG 1950, ist verfehlt. Dem vom Beschwerdeführer relevierten Umstand, daß mit der "Hofjagdgasse" offenbar die "Hofjagdstraße" gemeint sei, hat die belangte Behörde mit dem Berichtigungsbescheid vom 5. März 1990 Rechnung getragen. Auch wenn die (von der belangten Behörde bestrittene) Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen sollte, daß es sich bei dieser Straße "um eine Parallelstraße zur Wientalstraße handelt, die nicht direkt in die Wientalstraße einmündet und die mehrere hundert Meter lang ist", wäre die als erwiesen angenommene Tat, was den Ort ihrer Begehung angeht, so hinreichend umschrieben worden, daß sie unverwechselbar feststeht, weshalb der Beschwerdeführer dadurch weder in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt noch der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen ist (vgl. insbesondere die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11466/A, und vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11894/A). Daran würde der Umstand, daß das Radargerät, mit dem die Geschwindigkeitsüberschreitung gemessen wurde, an einer bestimmten Stelle aufgestellt war, nichts ändern, kann doch nicht unberücksichtigt bleiben, daß gerade bei dem Ausmaß der vom Beschwerdeführer eingehaltenen Geschwindigkeit als Tatort nur eine entsprechend lange Strecke in Betracht kam.
Der Beschwerdeführer wäre daher durch den angefochtenen Bescheid hinsichtlich einer ihm zur Last gelegten Übertretung nach § 52 Z. 10a StVO 1960 nicht in seinen Rechten verletzt worden. Anders verhält es sich allerdings in Ansehung der von ihm gleichfalls beanstandeten Heranziehung des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960.
Die belangte Behörde hat einen qualifizierten Verstoß im Sinne dieser Gesetzesstelle - geht man von dem auch diesbezüglich aufrechterhaltenen Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aus - darin gesehen, daß sich der Beschwerdeführer auf Grund der von ihr angeführten Umstände "gegenüber anderen Straßenbenützern besonders rücksichtslos" verhalten habe. Die "besondere Rücksichtslosigkeit" gehört zum Tatbestand der betreffenden übertretung, weshalb dieser Umstand nicht nur sachverhaltsmäßig feststehen, sondern auch bei der Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 seinen Ausdruck finden muß, weil nur auf eine solcherart umschriebene Tat der geänderte Strafsatz des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 im Sinne des § 44a lit. c VStG 1950 angewendet werden kann und darf (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juni 1980, Zl. 459/89, vom 11. Jänner 1984, Zl. 82/03/0100, und vom 14. Februar 1985, Zlen. 85/02/0087, 0088). Das Merkmal der "besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern" setzt zwingend voraus, daß andere Straßenbenützer tatsächlich vorhanden waren, weil sonst eine mangelnde Rücksichtnahme gegenüber solchen Personen nicht denkbar wäre (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1989, Zl. 89/11/0073, mit weiteren Judikaturhinweisen). Ob dies der Fall war, hat die belangte Behörde nicht festgestellt; allerdings hat auch der Beschwerdeführer nicht das Gegenteil behauptet. Die dem angefochtenen Bescheid beigegebene Begründung ist aber - auch bei Vorhandensein anderer Straßenbenützer - nicht geeignet, die Annahme der "besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern" zu tragen.
Die belangte Behörde hat es in der Begründung des angefochtenen Bescheides überhaupt unterlassen, sich mit der Tatbestandsvoraussetzung der "besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern" auseinanderzusetzen, sondern sie hat sich vielmehr in diesem Zusammenhang ausschließlich mit der davon verschiedenen (und nicht dem Spruch entsprechenden) Tatbestandsvoraussetzung der "besonders gefährlichen Verhältnisse" befaßt. Die Einhaltung einer Geschwindigkeit von 155 km/h (anstalt von 70 km/h) auf einer mehrspurigen (nach der Behauptung des Beschwerdeführers drei Fahrstreifen aufweisenden) Fahrbahn rechtfertigt selbst bei zusätzlich angenommener Dunkelheit (die im übrigen auf Grund der vorhandenen Straßenbeleuchtung nicht ohne weiteres feststeht, weil es konkret auf die dadurch bewirkte Ausleuchtung der Fahrbahn ankommt) nicht die Schlußfolgerung, der Beschwerdeführer habe ein besonderes Übermaß an mangelnder Rücksichtnahme gegenüber anderen Straßenbenützern (vgl. u.a. auch dazu das schon erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Jänner 1984, Zl. 82/03/0100) an den Tag gelegt, solange nicht geklärt ist, ob sich solche Straßenbenützer in einer räumlichen Nähe zum Fahrzeug des Beschwerdeführers befunden haben, sodaß sie auf Grund seiner Fahrweise in Verbindung mit den übrigen maßgeblichen Verhältnissen am Tatort zumindest beeinträchtigt sein konnten. Der angefochtene Bescheid leidet daher insoweit an einem entscheidenden Begründungsmangel.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebühren (außer für die Vollmacht) lediglich S 300,-- (S 240,-- für die nur zweifach einzubringende Beschwerde und S 60,-- für eine Kopie des angefochtenen Bescheides) zu entrichten waren.
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