VwGH 90/01/0154

VwGH90/01/01547.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Juli 1990, Zl. 4 289.685/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 17. Dezember 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am 21. Dezember 1989 Asylantrag. Bei seiner schriftlichen Einvernahme am 8. Jänner 1990 führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, seine Gründe, die ihn veranlaßt hätten, sein Heimatland zu verlassen, resultierten daraus, daß es ihm wirtschaftlich sehr schlecht gegangen sei. Außerdem werde er als Kurde und Alevite von der "restlichen Bevölkerung schlecht behandelt". Mit der Polizei habe er jedoch nichts "zu tun gehabt" und sei von ihr weder verhört, eingesperrt noch geschlagen worden. Er gehöre keiner Organisation an. Er wolle in Österreich bleiben, hier arbeiten und später seine Familie nachkommen lassen.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 22. März 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen ausführte, aus dem Bescheid der Behörde erster Instanz gehe nicht hervor, daß das Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlingswesen eingeschaltet worden sei oder eine diesbezügliche Stellungnahme eingeholt worden wäre. Es sei eine allgemein bekannte Tatsache, daß Kurden in der Türkei politisch verfolgt würden. Insbesondere Berichte in Tageszeitungen und Nachrichten zeigten auf, daß Kurden verfolgt, mißhandelt und sogar getötet würden. Sie würden nicht aus ökonomischen Gründen aus ihrem Heimatland flüchten, sondern aus einer wohlbegründeten Furcht wegen politischer Verfolgung und Mißhandlung. Zur Untermauerung legte der Beschwerdeführer der Berufung Zeitungsberichte bei. Den Kurden sei verboten, die kurdische Sprache zu erlernen und zu sprechen. Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) würden verfolgt und inhaftiert - meist unter schlimmsten Bedingungen -. Eine Rückkehr in bzw. eine Auslieferung an ihr Heimatland würde schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Im Falle des Beschwerdeführers sei das Vorliegen einer konkreten Furcht im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gegeben.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die allgemein gehaltenen Angaben im Verwaltungsverfahren, die Kurden würden in der Türkei verfolgt und unterdrückt, vermögen die Voraussetzungen für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. Es liege in der Natur der Sache, daß in Anwendungsfällen der angeführten Konventionsnorm die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Furcht nicht nur objektivierbar sein und von ihm nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden müsse. Dabei stehe die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Im Rahmen der Beweiswürdigung seien grundsätzlich den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren größere Glaubwürdigkeit beizumessen als späterem Vorbringen. Der Beschwerdeführer habe bei seiner ersten Befragung wirtschaftliche Gründe zum Kern seiner Begründung des Asylantrages erhoben. Die schlechte Behandlung sei ihm von der restlichen Bevölkerung zuteil geworden. Dies stelle aber keinen Verfolgungstatbestand im Sinne der Konvention dar, weil diese Unbilden weder vom Staat noch von diesem zurechenbaren Organen ausgegangen seien. Die vom Beschwerdeführer in der Berufung beigelegten Unterlagen über die Situation der Kurden in der Türkei stellten eine allgemeine Schilderung der Situation dar, die einerseits amtsbekannt sei, andererseits aber keine konkret den Beschwerdeführer betreffende behördliche Verfolgung zu dokumentieren vermöge. Gerade das würde aber die Voraussetzung für eine Asylgewährung im Sinne der Konvention darstellen. Der Beschwerdeführer habe bei seiner ersten Befragung sogar ausdrücklich angegeben, keiner Organisation angehört und mit der Polizei nichts zu tun gehabt zu haben. Er sei von dieser auch nicht verhört, eingesperrt oder geschlagen worden. Betreffend der Einschaltung des Hochkommissärs für Flüchtlingsfragen in das Verfahren sei festzuhalten, daß in Ausführung des vom Beschwerdeführer genannten Art. 2 der zitierten Konvention dem Hochkommmissär der Vereinten Nationen gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz keine Parteistellung zukomme, er jedoch vor Erlassung des Feststellungsbescheides anzuhören sei. Dem sei die erste Instanz mit der Absichtserklärung, einen negativen Feststellungsbescheid erlassen zu wollen, nachgekommen und habe sich der Hochkommissär innerhalb der vereinbarten Frist von zwei Monaten verschwiegen. Dies sei als Zustimmung zu werten. Der Hinweis über die Einschaltung des Hochkommissärs im Verfahren vor der Behörde erster Instanz finde sich im ersten Absatz der zweiten Seite des erstinstanzlichen Feststellungsbescheides. Auch zur gegenständlichen Entscheidung sei eine ausdrückliche Zustimmung des Hochkommissärs eingeholt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 (Asylgesetz), in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, liegt es in der Natur der Sache, daß in Anwendungsfällen der angeführten Konventionsnorm die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht nicht nur objektivierbar sein und von ihm nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden muß. Dabei steht die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung.

Wendet man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall an, so lassen sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner ersten ausführlichen Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetsch keine Feststellungen treffen, die eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention aufzeigen könnten. Hat doch der Beschwerdeführer im Verlauf dieser Befragung ausdrücklich angeführt, von den Behörden seines Heimatstaates nicht verfolgt und lediglich von der Bevölkerung "schlecht behandelt" worden zu sein. Seine schlechte wirtschaftliche Lage sei Anlaß seiner Ausreise aus seiner Heimat gewesen. Furcht vor Verfolgung kann aber nur dann als begründet im Sinne der Konvention angesehen werden, wenn die Verfolgung von staatlichen Stellen ausgeht oder wenn der jeweilige Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Verfolgung des Asylwerbers hintanzuhalten (vgl. hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1986, Zl. 84/01/0106). Daß die staatlichen Behörden nicht in der Lage wären, den Asylwerber vor der "schlechten Behandlung" durch seine Mitbewohner zu schützen, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet.

Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde sei auf die Berufungsausführungen über die allgemeine Lage der Kurden in der Türkei nicht eingegangen, ist ihm entgegenzuhalten, daß die allgemeine Lage der Kurden in der Türkei noch nichts über die allein relevante individuelle Situation des Beschwerdeführers auszusagen vermag und daher ein wesentlicher Begründungsmangel nicht vorliegt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich bei einer Entscheidung gemäß § 1 Asylgesetz nicht um eine Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörden, sondern um einen Feststellungsbescheid darüber, ob die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der mehrfach erwähnten Konvention erfüllt sind oder nicht.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989. BGBl. Nr. 206.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

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