Normen
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
UStG 1972 §10 Abs2 Z8;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
UStG 1972 §10 Abs2 Z8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der
Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution
zu ersetzen.
Begründung
Mit der im Instanzenzug ergangenen Berufungsentscheidung vom 12. November 1985, Zl. 6/1-1245/85, hatte die belangte Behörde die Tätigkeit des Mitbeteiligten als Fotografen als künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 8 UStG 1972 bzw. des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 gewertet. Diese Berufungsentscheidung hatte der Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit der Begründung bekämpft, die Tätigkeit des Mitbeteiligten als Fotograf wäre keine künstlerische, sondern (im Sinne des § 23 Z. 1 EStG 1972) eine gewerbliche Tätigkeit. Auf Grund dieser Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof die Berufungsentscheidung vom 12. November 1985 mit seinem Erkenntnis vom 11. November 1987, Zl. 86/13/0039 (Vorerkenntnis), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Näheres zum Sachverhalt ist dem Vorerkenntnis zu entnehmen.
Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren übermittelte der Mitbeteiligte der belangten Behörde auf deren Ersuchen, ein schlüssiges Sachverständigengutachten vorzulegen, vier Gutachten. In Würdigung dieser Gutachten kam die belangte Behörde auch im nunmehr angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, die Tätigkeit des Mitbeteiligten in den Streitjahren wäre, von hier unbeachtlichen Ausnahmen abgesehen, eine künstlerische gewesen.
Der Präsident der genannten Finanzlandesdirektion erhob abermals Beschwerde und macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Der Vorwurf des Präsidenten an die belangte Behörde geht im wesentlichen dahin, die vorliegenden Beweise und ihre Würdigung würden eine künstlerische Tätigkeit des Mitbeteiligten nicht hinreichend erweisen.
Der Mitbeteiligte erstattete zur Beschwerde eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Vorerkenntnis einem Fotografen die Fähigkeit zu künstlerischer Tätigkeit nicht schon grundsätzlich abgesprochen. Im Vorerkenntnis kommt vielmehr zum Ausdruck, daß unter den dort angeführten Voraussetzungen auch ein Fotograf als Künstler im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 8 UStG 1972 und des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 tätig werden kann. Das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1989, Zl. 88/13/0063, hält dann ausdrücklich fest, daß unter den unter anderem im Vorerkenntnis skizzierten Voraussetzungen auch die Tätigkeit eines Fotografen eine künstlerische sein kann. Maßgebend für die Beurteilung, ob die in der Herstellung eines Gegenstandes (einer Fotografie) bestehende Tätigkeit eine künstlerische ist, ist nach dem Vorerkenntnis ausschließlich die Art und Weise seiner Gestaltung. Erfolgt sie nach Gestaltungsprinzipien, die für ein umfassendes Kunstwerk - z.B. Malerei, Bildhauerei, Architektur - charakteristisch sind, oder ist sie auf dieselbe Stufe zu stellen wie diese, weil die Tätigkeit eine vergleichbare weitreichende künstlerische Ausbildung und Begabung erfordert, dann ist eine derart gestaltete Tätigkeit als die eines Künstlers anzusehen. Die Abgrenzung zu dem nicht Kunst, sondern Gewerbebetrieb bildenden Kunsthandwerk muß dem Vorerkenntnis zufolge in jedem Einzelfall nach Maßgabe des Überwiegens entweder der eben umrissenen künstlerischen, für die Arbeit etwa eines Malers, Bildhauers oder Architekten in Richtung auf eigenschöpferischen Wert gleichartigen, oder der handwerklichen Komponente entschieden werden, wobei persönliche Note und großes Können allein eine handwerkliche Tätigkeit noch nicht zu einer künstlerischen machen.
Die Künstlereigenschaft des Mitbeteiligten sah nun der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis deshalb nicht als erwiesen an, weil sich die belangte Behörde in keinem einzigen Fall auf ein ausreichend begründetes Sachverständigengutachten über die für ein Kunstwerk maßgebliche Qualität zu stützen vermochte und sie in keinem einzigen Fall anhand von Werken des Mitbeteiligten erklärte, worin sie die künstlerische Tätigkeit erblickte.
Bei der Beurteilung der Tätigkeit des Mitbeteiligten als künstlerische stützte sich die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid auf die schon erwähnten vier Sachverständigengutachten. Das erste der Gutachten erstattete Otto H seitens des österreichischen FOTOARCHIVES im Museum moderner Kunst. Das zweite Gutachten erstellten namens der VEREINIGUNG BILDENDER KÜNSTLER der Präsident und die Generalsekretärin der Wiener Secession. Das dritte Gutachten stammt vom Direktor und vom Kustos für Fotografie des MUSEUMS MODERNER KUNST. PROFESSOR WALTER S, gerichtlich beeideter Sachverständiger für Urheberfragen aller Art bezüglich Gebrauchsgrafik, verfaßte das vierte Gutachten. Es erscheint unbedenklich, wenn die belangte Behörde den Gutachtern die notwendige Sachkunde für die Beurteilung der Frage zubilligte, ob der Mitbeteiligte mit seinen fotografischen Arbeiten künstlerisch tätig wurde.
In den vier Gutachten begründen die Gutachter unter Wertung bestimmter fotografischer Arbeiten des Mitbeteiligten im einzelnen deren künstlerischen Charakter. Das Gutachten des FOTOARCHIVES befaßt sich mit den Architekturfotografien des Mitbeteiligten. Der Gutachter erwähnt, Generalsekretär des Fotoarchives, Lektor für Theorie, Ästhetik und gegenwärtige Praxis der Architekturfotografie an der Technischen Universität Innsbruck und Fachautor zu Fragen der künstlerischen Architekturfotografie zu sein. Nach dem Urteil des Gutachters stellen die Architekturfotografien des Mitbeteiligten zweifellos künstlerische Arbeiten dar. Der Mitbeteiligte vermittle nämlich mit seinen Aufnahmen von Räumen und Gebäuden Wahrnehmungserfahrungen mit Architektur, die bei der technisch zweifellos auch gekonnten, aber bloß steril ablichtenden, auf größtmögliche Vollständigkeit und "Objektivität" bedachten Fotografie selbst der besten Fotografen nicht zum Tragen komme. Statt bloßen austauschbaren Ansichten von Gebautem setze der Mitbeteiligte auf die künstlerische Entscheidung bezüglich Lichtführung, Kontrast, Ausschnitt, Blickwinkel u.dgl.. Auch mit seinen weiteren Ausführungen gibt der Gutachter zu erkennen, warum er die Architekturfotografien des Mitbeteiligten für Kunstwerke hält.
Das Gutachten der VEREINIGUNG BILDENDER KÜNSTLER setzt sich mit einer vom Mitbeteiligten aufgenommenen Bildserie auseinander und legt - ebenfalls näher begründet und auf die Darstellungsweise des Mitbeteiligten eingehend - dar, daß diese Fotografien als künstlerische Arbeiten zu betrachten seien.
Das Gutachten des MUSEUMS MODERNER KUNST analysiert gleichfalls verschiedene Arbeiten (Fotoserien) des Mitbeteiligten und ordnet seine fotografische Arbeit dem Interessantesten zu, was in den letzten Jahren in Österreich im Bereich der künstlerischen Fotografie entstanden ist.
Das Gutachten des PROFESSOR WALTER S, das wie die anderen Gutachten auf dem Sachverständigen vorliegenden Arbeiten beruht, bestätigt diesen Arbeiten ein hohes Maß an künstlerischer Qualität. Die Arbeiten seien infolge eigenpersönlicher und schöpferischer Gestaltung als Werke der Lichtbildkunst anzusehen. Die Gründe für dieses Urteil sind auch im Gutachten des Professor Walter S im einzelnen offengelegt.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht nur den wesentlichen Teil der Gutachten wiedergegeben, sondern sie auch eingehend gewürdigt und dargetan, warum (auf Grund welcher Begründungselemente der Gutachten) die Gutachter zutreffend eine künstlerische Tätigkeit des Mitbeteiligten unterstellten. Diese Beweiswürdigung läßt keine Unschlüssigkeit erkennen.
Die belangte Behörde beschränkte sich aber nicht allein auf die Wertung der Gutachten, sondern untersuchte im Sinne des Vorerkenntnisses auch selbst anhand der vorliegenden Arbeiten, ob die Bildgestaltung eine künstlerische wäre. Sie bejahte dies anhand der - im einzelnen ausgeführten - Gestaltungselemente der Bilder (z.B. präzise strukturierte und formal ausgewogene Kompositionen, Orientierung an traditionell malerischen Lösungen, Vermittlung der Faszination der Objekte, Interpretation und nicht bloß Abbildung der Realität). Auch bei dieser Beurteilung unterlief der belangten Behörde keine Unschlüssigkeit.
Wenn die belangte Behörde abschließend weitere Indizien für eine künstlerische Tätigkeit des Mitbeteiligten erwähnte (Teilnahme an Ausstellungen im In- und Ausland, Ankauf seiner Werke durch verschiedene Museen und Galerien, Bezeichnung der Tätigkeit des Beschwerdeführers in den einschlägigen Fachzeitschriften als künstlerische, Mitgliedschaft im Forum Stadtpark Graz, Fotoreferat, und im Berufsverband der bildenden Künstler Österreichs), so war dies zur ABRUNDUNG DES GESAMTBILDES durchaus angebracht.
Dem beschwerdeführenden Präsidenten sei zugebilligt, daß verschiedene Merkmale, welche nach Auffassung der Gutachter bzw. der belangten Behörde für eine künstlerische Tätigkeit sprechen sollen, für sich betrachtet die künstlerische Tätigkeit des Mitbeteiligten noch nicht erweisen könnten. Die einzelnen Merkmale dürfen jedoch nicht isoliert gesehen werden. In ihrem Zusammenhang ergeben die Beweismittel (und von diesen schon jedes für sich) und die Beweiswürdigung durchaus schlüssig das Bild einer künstlerischen Tätigkeit. Die belangte Behörde war daher auch nicht verhalten, ein weiteres Gutachten einzuholen.
Auf Grund der unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche des Mitbeteiligten, welche Gegenstand der verschiedenen Gutachten waren (Architekturfotografie einerseits, sonstige Fotografie andererseits, zusammenfassende Gesamtbeurteilung), durfte die belangte Behörde auch davon ausgehen, daß ihr ein repräsentativer Querschnitt durch seine Arbeiten vorlag, was sie zu dem weiteren Schluß berechtigte, daß die fotografische Tätigkeit des Mitbeteiligten in den Streitjahren insgesamt eine künstlerische Tätigkeit bildete.
Damit kommt der Beschwerde keine Berechtigung zu. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)