VwGH 89/11/0238

VwGH89/11/023823.1.1990

F gegen die Bezirkshauptmannschaft Gmunden wegen vorläufiger Abnahme des Führerscheines

Normen

B-VG Art131a;
KFG 1967 §73 Abs4;
KFG 1967 §76 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
B-VG Art131a;
KFG 1967 §73 Abs4;
KFG 1967 §76 Abs1;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die am 12. August 1989 um 0.10 Uhr durch einen Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Bad Ischl vorgenommene vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers wird für rechtswidrig erklärt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen die aus dem Spruch ersichtliche (die Angabe der Zeit in der Beschwerde mit "11.8.1989 um ca. 23.30 Uhr" beruhte offenbar auf einem Versehen und wurde vom Beschwerdeführer auch der zugrundeliegenden Anzeige entsprechend nachträglich richtiggestellt) und der belangten Behörde zuzurechnende Maßnahme richtet sich die vorliegende, auf Art. 131a B-VG gestützte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde beruft sich zur Rechtfertigung der gegenständlichen Maßnahme auf die Bestimmung des § 76 Abs. 1 KFG 1967, wonach die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen haben, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.

Bevor allerdings darauf eingegangen werden kann, ob die in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen vorgelegen sind, ist eine Auseinandersetzung mit der in der Gegenschrift vorgetragenen Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer erscheine durch die Abnahme des Führerscheines nicht beschwert, erforderlich. Die belangte Behörde begründet dies damit, daß dem Beschwerdeführer (der Aktenlage nach mit rechtskräftigem Bescheid vom 10. Oktober 1989 gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967) die Lenkerberechtigung für die im § 73 Abs. 2 KFG 1967 (im Falle der Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit) vorgesehene Mindestdauer von drei Monaten entzogen und die Entzugsdauer gemäß § 73 Abs. 4 leg. cit. ab dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheines gerechnet worden sei. Für den Fall, daß der Führerschein nicht vorläufig abgenommen worden wäre, hätte sich der Beginn der Entziehungsdauer ab Zustellung des Entziehungsbescheides berechnet. An der Dauer des Entzuges hätte sich jedoch "keinerlei Veränderung ergeben, ob der Führerschein nun vorläufig abgenommen wurde oder nicht, zumal auf Grund des Sachverhaltes keine kürzere Entzugsdauer als 3 Monate gesetzlich möglich gewesen wäre". Dieses Vorbringen kann nur so verstanden werden, daß nach Ansicht der belangten Behörde die mit der betreffenden Maßnahme verbundene, vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung im Sinne des Art. 131a B-VG auf Grund des Inhaltes des Entziehungsbescheides in Verbindung mit der diesbezüglich bestehenden Rechtslage nach Einbringung der Beschwerde weggefallen und demnach das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos geworden einzustellen sei (vgl. dazu insbesondere den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10092/A). Diese Ansicht kann aber nicht geteilt werden, weil dem (vom Beschwerdeführer beantragten und gemäß § 42 Abs. 4 VwGG bei Stattgebung der Beschwerde allein in Betracht kommenden) Ausspruch, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt werde, feststellender Charakter zukommt und nicht erkennbar ist, daß das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an einer derartigen Feststellung durch die von der belangten Behörde angeführten Umstände - wobei die Richtigkeit der von der belangten Behörde hiebei zugrunde gelegten Prämissen unerörtert bleiben kann - hinfällig geworden ist (vgl. das eine Beschlagnahme von Gegenständen betreffende, nach Rückstellung dieser Gegenstände gefällte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1989, Zl. 89/03/0114).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß im (bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes allein maßgeblichen) Zeitpunkt der gegenständlichen Amtshandlung das betreffende Straßenaufsichtsorgan die begründete Vermutung hegen durfte, daß er sich infolge übermäßigen Alkoholgenusses in einem die Fahrtüchtigkeit ausschließenden Zustand befinde (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1985, Zl. 83/11/0129, und vom 12. September 1989, Zl. 89/11/0039). Er macht aber geltend, daß er zu diesem Zeitpunkt nach Beendigung seiner Fahrt bereits längere Zeit zu Hause gewesen sei, er "keine Anstalten" gemacht habe, wieder wegzufahren bzw. sein Kraftfahrzeug in Betrieb zu nehmen, und daher "keine zeitliche wie räumliche Nähe zu den in § 76 KFG genannten Tätigkeiten" bestanden habe. Dieser Einwand deckt sich mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Danach stellt die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird, dar. Sie soll verhindern, daß eine Person als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Fahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand eine der im § 76 Abs. 1 KFG 1967 angeführten Tätigkeiten ausführen. Diese Annahme ist u.a. dann nicht gerechtfertigt, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenkertätigkeit beendet, und nichts dafür spricht, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (vgl. zum Ganzen u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/11/0191, und die dort zitierte Judikatur).

Auf dem Boden dieser Rechtslage hat die belangte Behörde

nicht hinreichend dargetan, daß die "Gefahr einer neuerlichen

Inbetriebnahme" eines Kraftfahrzeuges durch den (bereits zu

Hause befindlichen) Beschwerdeführer bestanden habe. Sie führt

als einziges Argument hiefür ins Treffen, es habe "nicht

ausgeschlossen" werden können, daß der Beschwerdeführer

"versuchen werde, sich mit dem" (durch einen vom

Beschwerdeführer nach der Aktenlage am 11. August 1989 gegen

23.30 Uhr verursachten Verkehrsunfall) "Geschädigten ....... in

Verbindung zu setzen und zu diesem Zweck seinen Pkw für die

Fahrt zu der Wohnung des Geschädigten verwenden werde",

"nachdem der Beschwerdeführer nunmehr von der Anzeigeerstattung

...... in Kenntnis gesetzt" worden sei. Ein objektiver

Anhaltspunkt für diese Annahme fehlt aber, wobei im übrigen nicht verständlich erscheint, welchem Zweck ein solches Verhalten des Beschwerdeführers dienen sollte, zumal er auf diese Weise die "Anzeigeerstattung" und damit ein darauf folgendes Strafverfahren gegen ihn nicht mehr hätte verhindern können und eine Kontaktnahme mit dem Geschädigten wegen der Regelung des Schadensfalles - noch dazu in der Nacht - nicht so dringend war, daß eine neuerliche Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges durch ihn in der nächsten Zeit, in der er sich vermutlich noch in einem fahruntüchtigen Zustand befand, zu erwarten war. Wenn die belangte Behörde hervorhebt, es zeige der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer am "nächsten" (in bezug auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Führerscheinabnahme richtig: gleichen) Tag um 9.00 Uhr mit dem Geschädigten in Verbindung gesetzt und zu diesem Zweck seinen Pkw verwendet habe, "ohne im Besitz eines Führerscheines zu sein", daß "diese Befürchtung zu Recht bestand", so ergibt sich daraus gerade das Gegenteil; im übrigen übersieht sie hiebei, daß damit auf einen Umstand hingewiesen wird, der dem betreffenden Straßenaufsichtsorgan im Zeitpunkt der Amtshandlung noch nicht bekannt sein und daher auch bei seiner Beurteilung der Sachlage noch nicht herangezogen werden konnte. Äußere Umstände, die zu diesem Zeitpunkt zumindest auf einen Versuch der neuerlichen Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Beschwerdeführer in nächster Zeit schließen ließen, konnte die belangte Behörde nicht nennen und sind auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu ersehen. Auch wenn sich durch das Verhalten des Beschwerdeführers anläßlich der gegenständlichen Amtshandlung, wobei die belangte Behörde auf das (der Aktenlage nach nach Aushändigung des Führerscheines durch den Beschwerdeführer erfolgte) "Versperren der Haustür und Sprechen von der Terrasse aus" verweist, "eine sinnvolle Erhebung schwierig" dargestellt haben sollte, "vor allem auch im Hinblick auf die Beantwortung der Frage einer weiteren Inbetriebnahme des Pkw durch den Beschwerdeführer", ist für den Standpunkt der belangten Behörde im Hinblick auf die bereits dargestellte Rechtslage nichts zu gewinnen.

Die angefochtene Maßnahme war somit gemäß § 42 Abs. 4 VwGG für rechtswidrig zu erklären.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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