VwGH 89/09/0121

VwGH89/09/012118.1.1990

Z gegen Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Kärnten vom 4. August 1989, Zl. 710-010354-004, betreffend Kriegsopferversorgung (Pflegezulage)

Normen

KOVG 1957 §18 Abs1;
KOVG 1957 §18 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1915 geborene Beschwerdeführer bezieht auf Grund des rechtskräftigen Bescheides der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Kärnten vom 24. Juni 1988 eine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957). Als Dienstbeschädigung waren dabei folgende Leidenszustände anerkannt:

"1. ZUSTAND NACH OBERSCHENKELABSETZUNG LINKS MIT

UNGÜNSTIGER LANGSTUMPF UND FOLLICULITIS AM PROTHESENRAND.

2. ZUSTAND NACH UNTERSCHENKEL-SPLITTERVERLETZUNG RECHTS MIT

STARKER FUNKTIONSSTÖRUNG DES FUSSES,

3. BELANGLOSE SPLITTERVERLETZUNG AM LINKEN UNTERARM OHNE FUNKTIONSSTÖRUNG und

4. KOMBINIERTER BEIDERSEITIGER HÖRSCHADEN,"

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 15. November 1988 wurde dem Beschwerdeführer ferner eine Schwerstbeschädigtenzulage zuerkannt.

Mit Schreiben vom 9. Mai 1986 stellte der Beschwerdeführer - nachdem ein Antrag vom 24. Jänner 1983 mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landesinvalidenamtes vom 5. Oktober 1983 abgewiesen worden war - neuerlich einen Antrag auf Zuerkennung der Pflegezulage.

Das Landesinvalidenamt holte daraufhin ein Sachverständigengutachten des Facharztes für innere Medizin Dr. S und eine Stellungnahme des leitenden Arztes ein.

Mit Bescheid vom 27. Februar 1989 wies das Landesinvalidenamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Pflegezulage gemäß § 18 Abs. 1 KOVG 1957 ab. In ihrer Begründung verwies die Behörde auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, wonach der Beschwerdeführer trotz seiner Dienstbeschädigung noch imstande sei, die lebenswichtigen Verrichtungen - dazu zählten insbesonders das An- und Auskleiden, die Aufnahme der Nahrung, die Verrichtung der Notdurft sowie die Körperpflege - ohne die Hilfe einer anderen Person zu bewältigen sofern er sich beim Baden auch der üblichen Haltegriffe, einer Gummimatte oder allenfalls eines Duschsessels bediene. Hilflosigkeit im Sinne des Gesetzes als maßgebliche Voraussetzung für die Gewährung der Pflegezulage liege daher beim Beschwerdeführer nicht vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, in seinem Baderaum sei die Anbringung von Haltegriffen nicht möglich. Es sei auch fraglich, ob er in seinem Alter von 74 Jahren mit einer Spondylose der Wirbelsäule noch imstande wäre, diese Hilfsmittel ohne fremde Hilfe überhaupt zu benützen. Bisher hätten ihm seine Ehefrau und seine Kinder beim Baden geholfen. Letztere seien nun aus dem Haus und seine Frau sei wegen ihres Alters und eigener Krankheit nicht mehr in der Lage, ihm Hilfe beim Ein- und Aussteigen aus der Badewanne zu leisten. Er sei auch auf fremde Hilfe angewiesen, wenn er den Stützschuh wegen des geschwollenen rechten Sprunggelenkes nicht anziehen könne und deshalb im Bett bleiben müsse.

Seiner Berufung legte der Beschwerdeführer auch einige Befunde des Landeskrankenhauses in Klagenfurt und des Facharztes für Röntgenologie Dr. B bei.

Die belangte Behörde ersuchte daraufhin den leitenden Arzt um Stellungnahme, ob die beigebrachten Befunde eine geänderte Beurteilung der behaupteten Hilflosigkeit rechtfertigten, was dieser jedoch verneinte.

Der Beschwerdeführer erhielt davon im Rahmen des Parteiengehörs Kenntnis und brachte in einer Stellungnahme vom 16. Mai 1989 im wesentlichen vor, er könne in seinem Alter und bei der hochgradigen Spondylose der Wirbelsäule nach Ablegung der linken Oberschenkelprothese und des rechten Stützschuhes mit der Handhabung technischer Hilfsmittel ohne fremde Hilfe nicht zurecht kommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 86 Abs. 1 KOVG 1957 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 KOVG 1957 keine Folge gegeben. Nach Darstellung des Sachverhaltes und des bisherigen Verwaltungsgeschehens verwies die belangte Behörde in ihrer Begründung zunächst auf das von Dr. S erstattete Sachverständigengutachten. Danach stelle sich die beim Beschwerdeführer anerkannte Dienstbeschädigung unverändert dar und die Prothese könne offensichtlich problemlos getragen werden. Es seien zwar Belastungsbeschwerden im Bereich des rechten Sprunggelenkes bei längerem Gehen durchaus glaubhaft, der Beschwerdeführer sei aber durchaus in der Lage, alle unmittelbar lebensnotwendigen Verrichtungen selbständig durchzuführen. So sei ihm etwa anläßlich der Untersuchung das An- und Auskleiden ohne Fremdhilfe möglich gewesen. Die Funktion der oberen Extremitäten sei als uneingeschränkt bezeichnet worden. Auch die Hüftgelenksbeweglichkeit beiderseits und rechts auch die Beweglichkeit des Kniegelenkes seien frei. Dr. S habe darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer angegeben habe, beim Baden nicht allein die Badewanne besteigen zu könnnen. Diese Unsicherheiten könnten jedoch durch Anbringen von Haltegriffen und Gummimatten beseitigt werden. Ausschließlich diesen Punkt bestreitet der Beschwerdeführer in seiner Berufung, in der er behaupte, Fremdhilfeleistung beim Ein- und Aussteigen in bzw. aus der Badewanne zu benötigen. Der Beschwerdeführer habe jedoch nicht vorgebracht, daß das Waschen selbst, das An- und Auskleiden, die Verrichtung der Notdurft und die Nahrungsaufnahme unmöglich wären. Dies könne auch dem erhobenen Befund (bei uneingeschränkten oberen Extremitäten und frei beweglichen Beingelenken mit Ausnahme des rechten Sprunggelenkes) nicht entnommen werden. Da nur das Unvermögen zur Besorgung dieser unmittelbar lebensnotwendigen Verrichtungen zu einem Pflegezulagenanspruch führe, habe schon allein aus diesem Grund der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen werden müssen. Der Umstand, daß im konkreten Fall Hilfsmittel wie etwa Haltegriffe bzw. Duschsessel nicht angebracht werden könnten, sei entgegen dem Vorbringen im Zuge des Berufungsverfahrens deshalb für die Entscheidung nicht relevant, weil die damit verbundenen notwendigen Fremdhilfeleistungen Handreichungen darstellten, die nahen Angehörigen im Rahmen des sittlichen Familienverbandes zumutbar seien. Nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es unerheblich, ob solche Personen vorhanden bzw. in der Lage seien, die Handreichungen auch zu erbringen. Auf Grund der der Berufung beigelegten Befunde habe die belangte Behörde den leitenden Arzt beim Landesinvalidenamt neuerlich befaßt, der in seiner Stellungnahme vom 9. April 1989 ausgeführt habe, daß die behauptete Bettlägrigkeit in dem Sinne nicht vorliege, sondern das rechte Bein nach längeren oder kürzeren Fußmärschen glaubhaft anschwelle und danach eine zeitlang hoch gelagert werden müsse. Es sei auch glaubhaft, daß sich der Beschwerdeführer zur Entlastung der Wirbelsäule öfters hinlegen müsse, die beigebrachten Befunde seien in ihrer Gesamtheit jedoch nicht geeignet, eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Gewährung der Pflegezulage nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt er dabei unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, ein tägliches Bad sei wegen des notwendigen Tragens einer Prothese und der fallweise auftretenden Follikulitis bei ihm unbedingt erforderlich. Zu diesem Zweck müsse er in die Badewanne hinein- und wieder herausgelangen. Dazu müsse zunächst die Prothese abgenommen werden. Wegen der starken Funktionsstörung des rechten Fußes könne er dieses Bein nicht belasten und müsse somit in die Badewanne hinein- und auch wieder herausgehoben werden. Er sei daher, um dem absolut notwendigen Erfordernis des Badens nachkommen zu können, auf fremde Hilfe angewiesen, wobei es sich dabei nicht mehr um Handreichungen handle, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des sittlichen Familienbandes nahen Angehörigen zumutbar seien.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Gemäß § 18 Abs. 1 KOVG 1957 wird zur Beschädigtenrente eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung zu hilflos ist, daß er für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf.

Die Voraussetzung für die Gewährung der Pflegezulage ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann erfüllt, wenn der Grad der Hilflosigkeit ein Maß an Hilfeleistungen durch andere Personen erforderlich macht, das als "Pflege und Wartung" zu qualifizieren ist. Hiebei ist davon auszugehen, daß der Beschädigte infolge der durch die Dienstbeschädigung verursachten Gebrechen (Versehrtheit) unfähig ist, bestimmte, unmittelbar auf seinen Körper bezogene Funktionen selbständig auszuüben und deshalb hiezu die Hilfe einer anderen Person bedarf (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 29. Oktober 1973, Zl. 690/73, VwSlg. Nr. 8.490/A).

Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang im wesentlichen vor, Hilfe beim An- und Ablegen der Prothese und Unterstützung beim Ein- und Heraussteigen aus der Badewanne zu benötigen. Dabei handelt es sich jedoch um bloße Handreichungen, die im Rahmen des sittlichen Familienbandes nahen Angehörigen zugemutet werden und nicht - wie die Ganzkörperreinigung - selbst dem Begriff "Pflege und Wartung" unterstellt werden können (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1983, Zl. 82/09/0117, und vom 23. Mai 1984, Zl. 84/09/0022). Bei der Prüfung, ob Handreichungen von nahen Angehörigen auf Grund des sittlichen Familienbandes erwartet und ihnen zugemutet werden können, kommt es nicht darauf an, ob diese Handreichungen von Angehörigen tatsächlich erbracht werden; es handelt sich bloß darum, daß diese Handreichungen im allgemeinen durch jene Kriterien charakterisiert sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1973, Zl. 1956/72, in dem weitere Judikaturhinweise enthalten sind).

Da es sich bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Hilfeleistungen um solche Handreichungen handelt, die von nahen Angehörigen auf Grund des sittlichen Familienbandes erwartet und ihnen zugemutet werden können, erreicht sein Grad an Hilflosigkeit nicht ein Maß an Hilfeleistung, das als "Pflege und Wartung" bezeichnet werden kann. Deshalb gehen auch seine unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerdeausführungen ins Leere, die belangte Behörde hätte nähere Erhebungen darüber anstellen müssen, ob ihm die Verwendung bestimmter Hilfsmittel (Haltegriff, Gummimatte) infolge seines hohen Alters und seiner schweren Gesundheitsstörung überhaupt zumutbar sei. Dies gilt auch für das Vorbringen, die belangte Behörde hätte sich auch von den örtlichen Verhältnissen und dem Zustand seines Bades ein Bild machen müssen, um eine verläßliche Grundlage für ihre Entscheidung zu besitzen. Konnte die Behörde - wie im Beschwerdefall - zutreffend davon ausgehen, daß bloß die Notwendigkeit einzelner Handreichungen besteht, die von nahen Angehörigen auf Grund des sittlichen Familienbandes erwartet und ihnen zugemutet werden können, so war sie nicht gehalten, auch noch zu klären, ob solche Handreichungen durch dem Beschädigten zumutbare technische Hilfsmittel ersetzt werden können. An der vom Gesetz geforderten "Hilflosigkeit" fehlt es schon dann, wenn ein Beschädigter bloß auf die bereits mehrfach umschriebenen Handreichungen angewiesen ist.

Wenn der Beschwerdeführer erstmalig in seinem Beschwerdeschriftsatz behauptet, er müsse in die Badewanne "gehoben" werden, so handelt es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 VwGG).

Auf Grund dieser Erwägungen besteht kein Anspruch auf Pflegezulage nach § 18 Abs. 1 KOVG 1957. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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