VwGH 89/09/0117

VwGH89/09/01175.4.1990

T-AG gegen Steiermärkische Landesregierung vom 18. Juli 1989, Zl. 5-214 J 5/2-89, betreffend Zurückverweisung in Angelegenheit des Behinderteneinstellungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: R)

Normen

AVG §66 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;
AVG §66 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1988 wies der Behindertenausschuß beim Landesinvalidenamt für Steiermark den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf nachträgliche Zustimmung zu der bereits zum 2. Jänner 1988 ausgesprochenen Kündigung des Mitbeteiligten gemäß den §§ 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß im gegenständlichen Fall erst mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für die Steiermark vom 16. Mai 1988, zugestellt am 26. Mai 1988, rechtskräftig nach Verstreichung der 14-tägigen Rechtsmittelfrist, festgestellt worden sei, daß der Dienstnehmer ab 1. Oktober 1987 rückwirkend zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gehöre, während das Dienstverhältnis bereits mehr als fünf Monate vorher, am 2. Jänner 1988 geendet habe. Da somit das Dienstverhältnis im Zeitpunkt der Verbindlichkeit des Bescheides über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten bereits mehrere Monate beendet gewesen wäre, genieße der Dienstnehmer im gegenständlichen Fall nicht den qualifizierten Kündigungsschutz nach dem Behinderteneinstellungsgesetz.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Mitbeteiligte vor, daß er bereits zwei Monate vor Ausspruch der gegenständlichen Kündigung den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gestellt und dies seinem Arbeitgeber, der beschwerdeführenden Partei, bekannt gegeben habe. Daß der beschwerdeführenden Partei das Ausmaß der Behinderung schon lange vorher bekannt gewesen wäre, ergäbe sich auch daraus, daß für die Beschäftigung seiner Person nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz als Hilfeleistung zur geschützten Arbeit Zuschüsse bezogen worden seien. Obwohl die beschwerdeführende Partei auf Grund ihrer Fürsorgepflichten verpflichtet gewesen wäre, die Entscheidung des Landesinvalidenamtes abzuwarten, habe sie sich entschlossen, zur Umgehung der Schutzbestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes frühzeitig die Kündigung des Mitbeteiligten auszusprechen. Der Umstand, daß zwischen Antragstellung und Bescheiderlassung mehr als sieben Monate verstrichen seien, liege nicht im Einflußbereich des Mitbeteiligten und dürfe daher nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden. Der besondere Kündigungsschutz nach dem Behinderteneinstellungsgesetz werde mit dem Ersten des Monats wirksam, in dem der Antrag eingebracht worden sei, im Falle des Mitbeteiligten somit ab 1. Oktober 1987. Die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten könne auch rückwirkend begründet werden. Auch dann, wenn ein Bescheid des Landesinvalidenamtes erst nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zugestellt werde, könne damit rückwirkend die Behinderteneigenschaft des Arbeitnehmers mit der Rechtsfolge begründet werden, daß die bereits ausgesprochene Kündigung unwirksam werde. Der Schutz des Behinderteneinstellungsgesetzes bestehe sogar unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers von dieser Begünstigung. Die im bekämpften Bescheid ausgesprochene Rechtsansicht sei mit dem Schutzzweck des Behinderteneinstellungsgesetzes nicht vereinbar. Diese Auslegung könne nur dazu führen, daß behinderte Arbeitnehmer entgegen den Schutzbestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes unverzüglich gekündigt würden, sobald der Arbeitgeber Kenntnis erlange, daß ein entsprechender Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit gestellt worden sei. Diese Auslegung zwinge den Arbeitgeber regelrecht in einen Wettlauf mit der Zeit gegen den Feststellungsbescheid.

Über diese Berufung entschied die belangte Behörde, daß der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 in Verbindung mit § 19a des Behinderteneinstellungsgesetzes zur Gänze behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen wird. Begründet wird dieser Bescheid nach Wiedergabe des bereits vorstehend Ausgeführten im wesentlichen wie folgt: Die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz werde in § 12 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes geregelt. Danach werde bei jedem Landesinvalidenamt ein Behindertenausschuß errichtet, der in den von diesem Bundesgesetz bestimmten Fällen zu entscheiden habe. Zu den im Gesetz genannten Fällen der Zuständigkeit des Behindertenausschusses gehöre gemäß § 8 Abs. 2 des genannten Gesetzes der Kündigungsschutz des Behinderten. Nach der zitierten Bestimmung dürfe die Kündigung eines begünstigten Behinderten von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuß nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschrift sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt habe. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses sei rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteile.

Nach dem Wortlaut und dem Sinn der zitierten Gesetzesbestimmungen, die einen erhöhten Kündigungsschutz der Behinderten begründeten, könne es nicht zweifelhaft sein, daß die Zuständigkeit des Landesbehindertenausschusses zur Entscheidung über den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 26. September 1988 - und zwar unabhängig davon, ob die am 3. Dezember 1987 ausgesprochene Kündigung wirksam gewesen sei oder nicht - feststehe. Dies insbesondere deshalb, weil einerseits jedenfalls zur Zeit der Antragstellung die Behinderteneigenschaft des Mitbeteiligten bescheidmäßig unbestritten festgestanden sei, anderseits jedoch der Antrag der beschwerdeführenden Partei in erster Linie auf nachträgliche Genehmigung der bereits zum 3. Dezember 1987 ausgesprochenen Kündigung gerichtet gewesen sei. Die Möglichkeit der nachträglichen Erteilung der Zustimmung des Behindertenausschusses zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung sei im Gesetz ausdrücklich - allerdings für besondere Ausnahmefälle - vorgesehen, sodaß hiefür eine Zuständigkeit der Behörde erster Instanz jedenfalls gegeben erscheine.

Unbestritten sei, daß die beschwerdeführende Partei die Kündigung des Mitbeteiligten am 3. Dezember 1987 mit Wirksamkeit vom 2. Jänner 1988 ausgesprochen habe. Der Antrag auf Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten sei vom Mitbeteiligten am 22. September 1987 gestellt worden. Der Bescheid, daß der Mitbeteiligte zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre, sei am 16. Mai 1988 mit Rückwirkung auf den 1. Oktober 1987 erlassen worden. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf nachträgliche Zustimmung zu der am 3. Dezember 1987 zum 2. Jänner 1988 ausgesprochenen Kündigung sei am 26. September 1988 erfolgt. Der diesbezügliche Bescheid sei am 1. Dezember 1988 erstellt worden. Da somit zum Zeitpunkt der Antragstellung der beschwerdeführenden Partei auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung des Mitbeteiligten die Behinderteneigenschaft des Mitbeteiligten bescheidmäßig unbestritten festgestanden sei, wäre die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz jedenfalls gegeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Sowohl die belangte Behörde als auch der Mitbeteiligte haben Gegenschriften erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Aus den vorgelegten Schriftsätzen ergibt sich zum Sachverhalt unbestritten über das bereits vorher Dargelegte hinaus weiters, daß der Mitbeteiligte mit 9. August 1989 eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestehens seines Arbeitsverhältnisses beim zuständigen Kreisgericht Leoben als Arbeits- und Sozialgericht eingebracht hat. Dies war offenbar auch der Grund für den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 26. September 1989 auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung gemäß § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes. Das gerichtliche Verfahren wurde bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Verfahren nach dem Behinderteineinstellungsgesetz unterbrochen.

Die beschwerdeführende Partei sieht sich nach ihrem ausdrücklichen Vorbringen durch den von ihr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid in ihrem gesetzlich gewährleistetem Recht auf Kündigung eines Arbeitnehmers im Sinne der Bestimmung des § 77 der Gewerbeordnung in Verbindung mit § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes vor allem deshalb verletzt, weil der Feststellungsbescheid rückwirkend zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, als das Dienstverhältnis längst beendet war.

Damit verkennt die beschwerdeführende Partei den Gegenstand des Verfahrens. Gegenstand des Verwaltungsverfahrens ist nicht die Frage der Kündigung des Mitbeteiligten oder die Berechtigung zur rückwirkend erfolgten und rechtskräftigen bescheidmäßigen Feststellung der Behinderteneigenschaft des Mitbeteiligten, sondern allein die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommenen Behebung des den Antrag der beschwerdeführenden Partei zurückweisenden erstinstanzlichen Bescheides bzw. die erfolgte Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG 1950.

Auf Grund des Beschwerdevorbringens selbst ist klargestellt, daß die beschwerdeführende Partei das Verwaltungsverfahren durch ihren Antrag auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung eingeleitet hat. Diesem Antrag wurde von der Behörde erster Instanz nicht entsprochen; der Antrag wurde vielmehr zurückgewiesen.

Voraussetzung der Zulässigkeit einer Beschwerde ist eine beschwerdeführende Partei und deren "Beschwer". Das Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei besteht bei einer Beschwerde im objektiven Interesse an der Beseitigung des angefochtenen, sie belastenden Verwaltungsaktes. Das objektive Interesse der beschwerdeführenden Partei an der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gründet in der - bereits erwähnten - Beschwer. Eine solche liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der beschwerdeführenden Partei an die Verwaltungsbehörde zu deren Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder mangels Antrages die Verwaltungsbehörde die beschwerdeführende Partei durch ihren Verwaltungsakt belastet (materielle Beschwer vgl. Beschluß vom 26. Mai 1988, Zl. 88/09/0031).

Unter Beachtung des geltend gemachten Beschwerdepunktes vermag der Verwaltungsgerichtshof darin, daß durch den angefochtenen Bescheid der den Antrag der beschwerdeführenden Partei zurückweisende Bescheid der ersten Instanz aufgehoben und die Zurückverweisung der Angelegenheit ausgesprochen worden ist, keine Beschwer im vorher dargestellten Sinne zu erkennen.

Die vorliegende Beschwerde mußte daher gemäß § 34 Abs. 1 letzter Fall und Abs. 3 VwGG durch den nach § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG zuständigen Senat ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung im Rahmen des Begehrens stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1985. Das Mehrbegehren des Mitbeteiligten an Umsatzsteuer war abzuweisen, weil der Schriftsatzaufwand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unabhängig von einer Bemessungsgrundlage festgesetzt ist (vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 20. September 1983, Zl. 83/07/0182).

Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß die Rechtsauffassung auf die die Behörde erster Instanz ihre Zurückweisung gestützt hat und auf die sich auch die beschwerdeführende Partei beruft, zwar in dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1985, Zl. 84/09/0035, enthalten ist, daß diese Auffassung aber schon im Hinblick auf den damals etwas anders gelagerten Sachverhalt für die damals erfolgte Abweisung der seinerzeitigen Beschwerde nicht tragend war und daher dieser Auffassung schon deshalb keine Bindungswirkung zukommen kann.

Soweit in diesem Erkenntnis in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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