VwGH 89/03/0272

VwGH89/03/027210.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. August 1989, Zl. IIb2-V-7367/7-89,

betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. August 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 30. Juli 1988 um 15.29.31 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws auf der Inntalautobahn A 12 bei km 109.0 in Richtung Westen fahrend die auf Autobahnen gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit um ca. 51 km/h überschritten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Zur Begründung führte die Behörde u.a. aus, die Geschwindigkeitsüberschreitung sei durch Nachfahren des Meldungslegers und Ablesen der Geschwindigkeit vom Tachometer des Dienstfahrzeuges über eine Strecke von ca. 800 m in gleichbleibendem Abstand hinter einem Fahrzeug mit Landecker Kennzeichen festgestellt worden, vor dem wiederum der Beschwerdeführer in gleichbleibendem Abstand und mit gleicher Geschwindigkeit gefahren sei. Durch eine Fehleinstellung des Scheibenwischers seien auf dem bei dieser Fahrt vom Meldungsleger hergestellten Foto nur bestimmte Daten (Geschwindigkeit, Datum und Uhrzeit), nicht jedoch das Kennzeichen des vor dem Meldungsleger fahrenden und fotografierten Pkws (Landecker Kennzeichen) lesbar. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers sei auf dem Foto überhaupt nicht ersichtlich. Nach der Zeugenaussage des Meldungslegers habe dieser den vor ihm fahrenden Lenker des Pkws mit Landecker Kennzeichen nicht angehalten. Der Beschwerdeführer sei nur wegen der Identitätsfeststellung angehalten worden und habe eine Geschwindigkeitsüberschreitung dem Grunde nach nicht abgestritten, sondern lediglich das Ausmaß als zu hoch betrachtet. Er habe ein Organmandat bezahlen wollen, was jedoch vom Meldungsleger wegen der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung abgelehnt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne eine Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren mit dem Funkstreifenwagen festgestellt werden. Bei dem zeugenschaftlich vernommenen Meldungsleger handle es sich um ein geschultes Organ der Straßenaufsicht, dem bei falschen Angaben eine strafrechtliche und disziplinarrechtliche Verantwortung drohe. Für die Darstellung des Meldungslegers spreche, daß der bei der Bezirkshauptmannschaft zur Anzeige gebrachte Lenker des Fahrzeuges mit dem Landecker Kennzeichen die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung offensichtlich als richtig akzeptiert und die auferlegte Strafe bezahlt habe. Für die Darstellung des Meldungslegers spreche weiters der Umstand, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner Anhaltung bemüht gewesen sei, die Angelegenheit mit einem Organmandat zu erledigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Feststellung der belangten Behörde, daß es für die Darstellung des Meldungslegers spreche, daß der bei der Bezirkshauptmannschaft zur Anzeige gebrachte Lenker des Fahrzeuges mit dem Landecker Kennzeichen die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung offensichtlich als richtig akzeptiert und die auferlegte Strafe bezahlt habe. Wie die belangte Behörde zu dieser Feststellung komme, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Es sei gegen jedes Rechtsempfinden und gegen jeden Grundsatz des Parteiengehörs, wenn die Behörde Ergebnisse von Verwaltungsverfahren gegen andere Verkehrsteilnehmer, die ihm selbstverständlich nicht bekannt seien, als Grundlage für seine Verurteilung nehme.

Es ist richtig, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zum Ausgang des gegen den unmittelbar vor dem Meldungsleger fahrenden Lenker des Fahrzeuges mit Landecker Kennzeichen durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens, den sie als für die Darstellung des Meldungslegers sprechend wertete, kein Parteiengehör gewährte. Dieser Mangel fällt jedoch nicht ins Gewicht. Verfahrensmängel führen nämlich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sie wesentlich sind, wobei die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels in der Beschwerde darzustellen ist. Es ist Sache des Beschwerdeführers darzulegen, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre. Dies hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall aber unterlassen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermag, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Beschwerdeführer meint ferner, nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides habe der Meldungsleger angegeben, daß eine Anhaltung des Lenkers des vor ihm fahrenden Pkws mit dem Landecker Kennzeichen nicht notwendig gewesen sei, weil das Kennzeichen dem Foto entnommen hätte werden können, während es in der Begründung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde heiße, der Meldungsleger habe ausgesagt, durch eine Fehleinstellung des Scheibenwischers seien nur bestimmte Daten, nicht jedoch das Kennzeichen des fotografierten Pkws lesbar gewesen. Durch diesen Widerspruch in den Angaben des Meldungslegers werde die Verläßlichkeit dieses Zeugen stark beeinträchtigt. Es stelle sich die Frage, warum dann nur der Beschwerdeführer und nicht auch der vor dem Meldungsleger fahrende Lenker vom Meldungsleger angehalten worden sei.

Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß es für die Bestrafung des Beschwerdeführers ohne Bedeutung ist, ob auch der andere Pkw-Lenker vom Meldungsleger angehalten wurde, der Beschwerdeführer also aus dem Umstand, daß dies unterblieb, sich auf kein durch den angefochtenen Bescheid verletztes Recht berufen könnte, liegt der von ihm vermeintliche Widerspruch in den Angaben des Meldungslegers nicht vor. Der Meldungsleger begründete nämlich die Nichtanhaltung des vor ihm fahrenden Pkws damit, daß dieses Fahrzeug fotografiert wurde. Er konnte demnach im Zeitpunkt der Aufnahme davon ausgehen, daß dem Lichtbild auch das Kennzeichen entnommen werden könne, womit ein geeignetes Beweismittel hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung mit diesem Fahrzeug auch ohne Anhaltung des Lenkers des Fahrzeuges zur Verfügung stand. Daß durch den Scheibenwischer des Fahrzeuges des Meldungslegers das Kennzeichen des fotografierten Pkws verdeckt wurde, stellte sich erst nachträglich heraus und war zum Zeitpunkte der Aufnahme für den Meldungsleger (noch) nicht erkennbar. Anders verhält es sich hingegen in Hinsicht auf das vor dem fotografierten Pkw fahrende Fahrzeug des Beschwerdeführers. Bezüglich dieses Fahrzeuges mußte der Meldungsleger bei seiner Nachfahrt annehmen, daß es nicht auf dem Lichtbild aufscheinen wird, was den Meldungsleger veranlaßte, das Fahrzeug des Beschwerdeführers zwecks Feststellung der Identität des Lenkers anzuhalten, mag es letztlich dazu wegen dringender Abberufung des Meldungslegers zu einem anderen Einsatz nicht gekommen sein. Ausgehend davon ist in den Angaben des Meldungslegers entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kein Widerspruch zu erblicken, aus dem auf eine Beeinträchtigung der Verläßlichkeit des Meldungslegers geschlossen werden könnte.

Der Beschwerdeführer wendet weiters ein, auch einem Gendarmeriebeamten, der den Verkehr zu überwachen habe, sei es unmöglich, abzuschätzen, ob der Tiefenabstand zwischen Fahrzeugen, die vor ihm fahren, gleichbleibe oder nicht. Daß der Tiefenabstand zwischen Fahrzeugen etwa gleichbleibend sei, könne allenfalls bei Kolonnenverkehr - ein solcher werde vom Meldungsleger aber gar nicht behauptet - angenommen werden. Wenn aber "eine aufgelockerte Kolonne von zwei oder mehreren Fahrzeugen hintereinander" fahre, verändere sich der Abstand dieser Fahrzeuge und damit die Geschwindigkeiten ständig. Aus dem Umstand, daß mit dem vor dem Meldungsleger gefahrenen Pkw die Geschwindigkeit überschritten wurde, folgere demnach nicht, daß auch mit dem vor diesem Fahrzeug fahrenden Fahrzeug eine derartige Geschwindigkeitsüberschreitung begangen worden sei.

Mit diesem - wie der Beschwerdeführer selbst darlegt - vor allem gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichteten Ausführungen vermag der Beschwerdeführer ebenfalls eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Die Annahme der belangten Behörde, daß das Nachfahren mit dem Dienstfahrzeug über eine entsprechend lange Strecke

Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, es sei nicht erwiesen, daß die Übertretung gerade bei km 109,0, wie ihm dies von der Behörde vorgeworfen werde, geschehen sein soll. Es sei ihm auch nicht "eine Übertretung in einem Bereich" vorgehalten worden. Überdies sei ihm der Vorwurf nicht rechtzeitig bekanntgegeben worden und es seien die Ausführungen der belangten Behörde, die sich diesbezüglich auf den Bescheid der Erstinstanz stütze, nicht präzise genug, um eine Verurteilung herbeizuführen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß schon in der Anzeige der Tatort mit "auf der A 12 auf Höhe von Km 109,0" angegeben ist und dem Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme vor der Erstinstanz am 11. Oktober 1988 noch innerhalb der Verfolgungsverjährung als Tatort - wie in dem von der belangten Behörde bestätigten Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - "auf der Inntalautobahn A 12, bei km 109.0" vorgehalten wurde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß diese Tatortumschreibung nicht hinreichend konkretisiert und dem Beschwerdeführer nicht rechtzeitig bekanntgegeben worden sei. Sollte dieses Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen sein, daß es der belangten Behörde verwehrt gewesen sei, dem Beschwerdeführer die Übertretung der Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Tatort "bei km 109,0" anzulasten, weil die Geschwindigkeitsüberschreitung "in einem Bereich" begangen worden sei, ist der Beschwerdeführer auch damit nicht im Recht. Es ist zwar richtig, daß eine Geschwindigkeitsüberschreitung begrifflich niemals (ausschließlich) an einem bestimmten Punkt begangen werden kann, doch bedeutet es - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. September 1989, Zl. 89/18/0068, ausgesprochen hat - keinen den Beschwerdeführer belastenden Verstoß gegen die Bestimmung des § 44a lit. a VStG, wenn die belangte Behörde aus der gesamten Strecke, auf der der Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung beging, lediglich eine kurze Strecke als Tatort der Bestrafung zugrundelegte.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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