Normen
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §20;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §20;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 13. Juli 1988 wurde der am 4. März 1971 geborene Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO schuldig erkannt, weil er am 22. Mai 1988 um 1.05 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Motorfahrrad im Ortsgebiet von Friedberg auf der L 422 in Fahrtrichtung Ortsmitte vor dem Haus Nr. 2 in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich um 1.20 Uhr nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht am Gendarmerieposten Friedberg geweigert habe, sich seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 7.900,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt.
Die vom Beschwerdeführer unter anderem unter Bezugnahme auf § 20 VStG 1950 lediglich gegen das Ausmaß der verhängten Strafe erhobene Berufung wurde von der Steiermärkischen Landesregierung mit Bescheid vom 9. November 1988 abgewiesen. Zur Begründung ihres Bescheides führte die Berufungsbehörde aus:
"Nach der Bestimmung des § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist insbesondere die Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, Grundlage für die Bemessung der Strafe.
Die übertretene Norm zielt wie nahezu alle Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren- und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, trägt zur Erhöhung der Gefahren des Straßenverkehrs bei und gefährdet in seinem Bereich die Verkehrssicherheit.
Dieser Schutzzweck ist durch das vorgeworfene Verhalten verletzt worden, insbesondere da das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen die Verkehrsvorschriften überhaupt zählt.
Unter Berücksichtigung dieser objektiven Kriterien muß die Strafbemessung durch die Vorinstanz als gerechtfertigt angesehen werden, zumal sich die verhängte Strafe im Hinblick auf die gesetzliche Strafobergrenze von 50.000 S ohnehin nur im unteren Strafbereich bewegt.
Das abgelegte Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit kann keine Änderung der Entscheidung herbeiführen, da die verhängte Strafe auch unter Berücksichtigung dieser Milderungsgründe schuldangemessen erscheint.
Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Berufungswerber Jugendlicher ist, konnte die verhängte Geldstrafe nicht herabgesetzt werden, da Strafen einen immerhin spürbaren Vermögensnachteil darstellen müssen, um der Begehung derartiger Übertretungen wirksam vorbeugen zu können und im übrigen auch aus generalpräventiven Erwägungen eine abschreckende Wirkung erzielt werden soll."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der geltend gemacht wird, daß bei der Strafbemessung zu Unrecht nicht von der außerordentlichen Milderung der Strafe nach § 20 VStG 1950 in der Fassung der Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 1987 Gebrauch gemacht worden sei und die belangte Behörde nicht auf die persönlichen und die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers eingegangen sei.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 8.000 S bis 50.000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
§ 20 VStG 1950 in der Fassung der am 1. Juli 1988 in Kraft getretenen Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 1987 sieht vor, daß dann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder wenn der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden kann.
Jugendliche sind Personen, die zwar 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind (§ 4 Abs. 2 VStG 1950).
Der am 4. März 1971 geborene Beschwerdeführer war zur Tatzeit ein Jugendlicher. Gemäß § 20 VStG 1950 kam daher bei ihm eine außerordentliche Milderung der Strafe in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen.
Durch § 20 VStG 1950 wird der Strafsatz (siehe § 10 leg. cit.) insofern geändert, als für die darin angeführten Fälle die Mindeststrafe die Hälfte der für die jeweilige Übertretung vorgesehenen Mindeststrafe beträgt, die untere Strafgrenze sohin bei Übertretungen des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO nicht bei 8.000 S, sondern bei 4.000 S liegt. § 20 VStG 1950 räumt der Behörde ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Ansicht kein Ermessen ein. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, dann hat er einen Rechtsanspruch auf die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes. Die Behörde hat in diesem Falle der Strafbemessung einen Strafrahmen zugrundezulegen, dessen Untergrenze die Hälfte der (gesetzlichen) Mindeststrafe beträgt und ausgehend davon die Strafe innerhalb des solcherart (nach unten) geänderten Strafrahmens festzusetzen. Die Strafzumessung innerhalb dieses sich aus der Anwendung des § 20 VStG 1950 ergebenden Strafrahmens ist - wie in den Fällen, in denen das außerordentliche Milderungsrecht nicht zur Anwendung gelangt - in das Ermessen der Behörde gestellt, das sie nach den Kriterien des § 19 VStG 1950 auszuüben hat. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch macht. Demgemäß obliegt es der Behörde, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Slg. Nr. 10077/A).
Diesem Erfordernis trägt die vorstehend wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides für das über den Beschwerdeführer verhängte Ausmaß der Strafe, mit dem die Mindeststrafe nur ganz geringfügig unterschritten wurde, nicht Rechnung. Wenn die belangte Behörde auf den durch das vorgeworfene Verhalten verletzten Schutzzweck verweist, weil insbesondere "das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen die Verkehrsvorschriften überhaupt zählt", ist ihr zu entgegnen, daß im § 99 Abs. 1 (Einleitung und lit. b) StVO von vornherein aufbauend auf dem Anliegen der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Fahrzeuglenker durch Alkohol am Steuer ein Strafrahmen von 8.000 S bis 50.000 S festgelegt wurde und dieses angeführte allgemeine Anliegen als solches, das heißt ohne Berücksichtigung der näheren Begleitumstände einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO, kein für die Strafbemessung im Einzelfall geeignetes Kriterium darstellt. Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist ferner insoweit mangelhaft, als unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention nicht dargelegt wird, aus welchen Gründen nicht auch eine geringere als die verhängte Strafe geeignet wäre, den bisher unbescholtenen Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Verwaltungsübertretungen dieser Art abzuhalten. Daß Strafen einen immerhin spürbaren Vermögensnachteil darstellen müßten, um - wie die belangte Behörde meint - der Begehung derartiger Übertretungen wirksam vorbeugen zu können, rechtfertigt es insbesondere dann nicht, einen erstmaligen derartigen Verstoß gleich mit einer Strafe in fast doppelter Höhe der Mindeststrafe zu ahnden, wenn - wie im Beschwerdefall - die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers unberücksichtigt blieben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
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