Normen
AlVG 1977 §1 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §10 Abs1;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §5 Abs1 Z2;
ASVG §5 Abs2 lita;
ASVG §5 Abs2 litb;
ASVG §5 Abs2 litc;
ASVG §5 Abs2;
AlVG 1977 §1 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §10 Abs1;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §5 Abs1 Z2;
ASVG §5 Abs2 lita;
ASVG §5 Abs2 litb;
ASVG §5 Abs2 litc;
ASVG §5 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 25. Mai 1987 stellte die Beschwerdeführerin fest, daß die Zweitmitbeteiligte auf Grund ihrer Beschäftigung als Filmschauspielerin bei der Erstmitbeteiligten in der Zeit vom 9. Juni bis 30. Juni 1986 und vom 18. August bis 30. August 1986 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei. Die Pflichtversicherung werde daher von Amts wegen durchgeführt und die von der Erstmitbeteiligten erstatteten Meldungen für fallweise beschäftigte Personen entsprechend richtig gestellt.
Mit Bescheid vom 21. Jänner 1988 wies die Einspruchsbehörde den von der Erstmitbeteiligten dagegen erhobenen Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der von der Erstmitbeteiligten erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge und stellte in Abänderung des Einspruchsbescheides fest, daß die Zweitmitbeteiligte am 10., 11., 12., 19., 24. und 25. Juni 1986 sowie am 25. Augsut 1986 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.
Ihrer Entscheidung legte sie folgenden Sachverhalt zugrunde: Am 7. Mai 1986 habe die Zweitmitbeteiligte mit der Erstmitbeteiligten einen Arbeitsvertrag für Film- und Videoschaffende mit einer Vertragsdauer vom 9. Juni bis 30. Juni 1986 und vom 18. August bis 30. August 1986 abgeschlossen, innerhalb welchen Zeitraumes sie der Erstmitbeteiligten höchstens an acht Tagen ausschließlich zur Verfügung habe stehen müssen. Für diese Tätigkeit sei eine Pauschalgage von S 72.000,-- und für einen allenfalls noch erforderlichen weiteren Drehtag eine Tagesgage von S 9.000,-- vereinbart worden. Im Rahmen dieser Vereinbarung sei die Zweitmitbeteiligte am 10., 11., 12., 19. und 25. Juni sowie am 25. August 1986 beschäftigt gewesen. Da die von ihr zu verkörpernde Rolle auch eine Reitszene beinhaltet habe, sie aber keine geübte Reiterin sei, sei ihr von der Erstmitbeteiligten aufgetragen worden, eine zusätzliche Reitstunde zu nehmen. Im Verlauf des Reitunterrichtes, der am 24. Juni 1986 stattgefunden habe, sei sie vom Pferd gefallen und habe sich eine Verletzung zugezogen.
Dieser Sachverhalt sei rechtlich wie folgt zu beurteilen:
Für den Eintritt der Pflichtversicherung nach dem ASVG sei nach § 4 Abs. 2 ASVG eine Beschäftigung in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt Voraussetzung. In dem gegenständlich zu beurteilenden Fall stünden die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit sowie die Entgeltlichkeit des Arbeitsverhältnisses außer Streit. Das Entstehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses sei aber in erster Linie von der tatsächlichen Aufnahme einer Beschäftigung abhängig (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 19. November 1969, Zl. 479/69). Dies sei bei der Zweitmitbeteiligten zweifellos nur an den im Spruch genannten Tagen der Fall gewesen, wobei der 24. Juni 1986 nach Auffassung der belangten Behörde einem vertraglich vereinbarten "Arbeitstag" gleichzusetzen sei, zumal die Zweitmitbeteiligte auf Anordnung der Erstmitbeteiligten habe Reitunterricht nehmen und ihr (der Erstmitbeteiligten) demnach ausschließlich zur Verfügung habe stehen müssen. Die Annahme des Bestandes der Pflichtversicherung für weitere darüber hinausgehende Zeiträume erscheine verfehlt, weil das hiefür entscheidende Kriterium der Beschäftigung nicht gegeben gewesen sei. Folgte man nämlich der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung, so wäre es einem in gleicher Weise tätigen Arbeitnehmer in die Hand gegeben, den Bestand einer Pflichtversicherung durch Vereinbarung entsprechend langer Rahmenzeiträume willkürlich auszudehnen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Feststellung der Pflichtversicherung der Zweitmitbeteiligten in der Zeit vom 9. Juni bis 30. Juni und vom 18. August bis 30. August 1986 nach den Bestimmungen des ASVG und des AlVG verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Von den mitbeteiligten Parteien erstattete lediglich die Erstmitbeteiligte eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, daß die festgestellte Beschäftigung der Zweitmitbeteiligten an den im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Tagen in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt zur Erstmitbeteiligten ausgeübt wurde; dagegen bestehen - auch bei Bedachtnahme auf die Aktenlage - keine von Amts wegen aufzugreifenden Bedenken. Strittig ist, ob die Zweitmitbeteiligte nur an diesen Tagen oder auch in einem darüber hinausgehenden Zeitraum nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG vollversichert und dementsprechend nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG arbeitslosenversichert war.
Ob bei Beschäftigungen, die an einzelnen Tagen ausgeübt werden, ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis oder mehrere, unter Umständen auf den einzelnen Tag beschränkte Beschäftigungsverhältnisse anzunehmen sind, ist nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0142, nach jenen Kriterien zu beurteilen, die der Gerichtshof bei der Abgrenzung von Vollversicherungs- und Teilversicherungspflicht im Zusammenhang mit der Anwendung der Grenzbeträge des § 5 Abs. 2 ASVG entwickelt hat. Diesbezüglich hat der Gerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 23. September 1970, Slg. Nr. 7859/A, vom 16. Jänner 1990, Zl. 88/08/0260, und vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0204, ausgesprochen, daß bei Beschäftigungsverhältnissen, die nur an einzelnen Tagen zur Verrichtung von Arbeitsleistungen führen, zu prüfen ist, ob die Arbeitsleistung im Sinne einer periodisch wiederkehrenden Leistungspflicht (täglich, wöchentlich, monatlich) auf Grund einer ausdrücklichen oder doch schlüssigen Vereinbarung im voraus bestimmt ist; diesfalls ist ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis anzunehmen und (bei Vereinbarung der Beschäftigung für mindestens eine Woche oder auf unbestimmte Zeit) das erzielte Entgelt der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. b zweiter Fall ASVG gegenüberzustellen. Liegt eine derartige Vereinbarung nicht vor, so sind nur die reinen Beschäftigungszeiten als Beschäftigungsverhältnisse anzusehen und die Frage der Geringfügigkeit des Entgeltes nach § 5 Abs. 2 lit. a oder b, erster Fall, unter Bedachtnahme auf § 471c ASVG zu beurteilen. Eine nachträglich feststellbare, tatsächlich periodisch wiederkehrende Leistung ist allerdings ein Indiz für eine im vorhinein zumindest schlüssig getroffene Vereinbarung.
In jedem Fall beginnt aber entsprechend dem § 10 Abs. 1 ASVG die Pflichtversicherung in einem neubegründeten Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich (von im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) mit dem tatsächlichen Antritt (der Aufnahme) der Beschäftigung; auf den vereinbarten Beginn des Beschäftigungsverhältnisses kommt es nicht an (vgl. dazu außer dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis u.a. jenes vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/08/0281, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist zwar der belangten Behörde darin beizupflichten, daß die Pflichtversicherung der Zweitmitbeteiligten nicht vor dem 10. Juni 1986, dem Tag der erstmaligen Aufnahme ihrer Beschäftigung für die Erstmitbeteiligte im Rahmen des gegenständlichen Vertragsverhältnisses, beginnen konnte. Das weitere Begründungselement, es erscheine die Annahme des Bestandes der Pflichtversicherung für weitere über die festgestellten Beschäftigungstage hinausreichende Zeiträume deshalb verfehlt, "weil das hiefür entscheidende Kriterium der Beschäftigung nicht gegeben" gewesen sei, ist aber in dieser allgemeinen Formulierung rechtsirrig. Es wäre vielmehr nur unter der Voraussetzung rechtmäßig, daß zwischen der Erst- und Zweitmitbeteiligten kein (die tatsächlichen Beschäftigungstage übersteigendes) durchgehendes Beschäftigungsverhältnis, sondern nur auf die jeweiligen Beschäftigungstage beschränkte Beschäftigungsverhältnisse bestanden hätten. Denn die Annahme eines durchgehenden Beschäftigungsverhältnisses während eines bestimmten Zeitraumes hängt nicht von der tatsächlichen Beschäftigung an allen Tagen dieses Zeitraumes, sondern von der im voraus vereinbarten periodisch wiederkehrenden Leistungspflicht ab. Gerade der Bestand eines durchgehenden Beschäftigungsverhältnisses oder auf die jeweiligen Beschäftigungstage beschränkter Beschäftigungsverhältnisse ist aber zwischen der Beschwerdeführerin und der Erstmitbeteiligten umstritten. Ausgehend von ihrem Rechtsirrtum, es sei schlechthin schon wegen des Fehlens einer tatsächlichen Beschäftigung an anderen als an den im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Tagen keine Pflichtversicherung für weitere über die festgestellten Beschäftigungstage hinausreichende Zeiträume anzunehmen, hat es die belangte Behörde, wie die Beschwerdeführerin mit Recht rügt, unterlassen, in Auseinandersetzung mit den Argumenten der Einspruchsbehörde und den sich daran anknüpfenden, einander widerstreitenden Standpunkten der Beschwerdeführerin und der Erstmitbeteiligten solche Feststellungen zu treffen, die es sowohl den zuletzt genannten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als auch dem Verwaltungsgerichtshof ermöglicht hätten zu beurteilen, ob die Zweitmitbeteiligte zur Erstmitbeteiligten während der gesamten, im Arbeitsvertrag genannten Zeiträume (ab dem 10. Juni 1986) bzw. zumindest in einem Teilzeitraum derselben in einem durchgehenden Beschäftigungsverhältnis stand oder ob nur an den im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Tagen einzelne Beschäftigungsverhältnisse vorlagen.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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