VwGH 86/04/0238

VwGH86/04/023825.9.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, in der Beschwerdesache der N-Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie (nunmehr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) vom 18. September 1986, Zl. 301.575/8-III-3/86, betreffend Vorschreibung von Auflagen gemäß § 79 Gewerbeordnung (mitbeteiligte Parteien: 1. A und 2. AB), den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §8;
GewO 1973 §74 Abs1;
GewO 1973 §74;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §77;
GewO 1973 §79 idF 1988/399;
GewO 1973 §79;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §8;
GewO 1973 §74 Abs1;
GewO 1973 §74;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §77;
GewO 1973 §79 idF 1988/399;
GewO 1973 §79;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 16. Jänner 1985 wurde gemäß § 79 GewO 1973 der Beschwerdeführerin "als Betreiberin der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 21.10.1966, Zl. I-1798/3, gewerbebehördlich genehmigten Reparaturwerkstätte für betriebseigene Fahrzeuge auf GP 109/1 KG X der Auftrag erteilt, nachstehende Auflagen unverzüglich zu beachten:

1. Lärmende Arbeiten in der Werkstätte (im Freien ist die Durchführung von lärmenden Arbeiten nicht genehmigt) dürfen nur in der Zeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr durchgeführt werden.

2. Die Zu- und Abfahrt betriebseigener Lkw (fremde Lkw werden nicht repariert) zur Werkstätte bzw. von der Werkstätte darf nur in der Zeit zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr erfolgen".

Die gegen diesen Bescheid sowohl von der Beschwerdeführerin als auch von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Berufungen wies der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 28. Juni 1985 als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

Dieser Bescheid (des Landeshauptmannes von Tirol) wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 18. September 1986 behoben und der diesem zugrundeliegende Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 16. 1. 1985 insofern abgeändert, als Punkt 2 der Auflagen nachstehenden Wortlaut erhielt:

"Die Zu- und Abfahrt betriebseigener Lkw (fremde Lkw werden nicht repariert) zur Werkstätte bzw. von der Werkstätte darf nur in der Zeit zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr erfolgen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat - nach Einbringung der Beschwerde - dem Verwaltungsgerichtshof zur Kenntnis gebracht, daß die Beschwerdeführerin ihre "gesamte Betriebsanlage an die Gemeinde X verkauft" habe.

Die Beschwerdeführerin erstattete mit Schriftsatz vom 12. September 1989 eine dahingehende Äußerung, daß sie die Liegenschaft, in welcher sich die beschwerdegegenständliche Betriebsanlage befinde, an die Gemeinde X verkauft habe. Die Gemeinde X betreibe auf der gegenständlichen Liegenschaft nunmehr einen Bauhof, wobei in der Regel von 7.00 bis 17.00 Uhr gearbeitet werde, in Notfällen - bei Schneeräumung, Katastrophen etc. - aber unter Umständen die ganze Nacht hindurch. Somit werde zur beschwerdegegenständlichen Betriebsanlage auch nach 21.00 Uhr mit Lkw zugefahren bzw. von dieser weggefahren. Für die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde sei maßgebend der Stand ex tunc. Daß die Beschwerdeführerin den Standort ihres Betriebes wegen Schwierigkeiten mit der Gemeinde X in die Gemeinde Y verlegt habe, dürfe kein Grund dafür sein, daß aus rein formellen Gründen die Beschwerdeführerin nunmehr mit ihrer Beschwerde - ex nunc sei der Grund für die Beschwer nicht mehr gegeben - nicht durchdringe. Sollte nicht der Zeitpunkt ex tunc herangezogen werden, werde die Klaglosstellung beantragt, wobei der Beschwerdeführerin, welcher kein Kostenersatz an die belangte Behörde auferlegt werden dürfe, die Kosten der zum damaligen Zeitpunkt berechtigten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zuerkannt werden mögen.

Mit Verfügung vom 2. Mai 1990 wurde die Gemeinde X im Hinblick auf den Wechsel in der Person des Inhabers der beschwerdegegenständlichen Betriebsanlage um Mitteilung ersucht, ob in Ansehung ihrer Rechtsnachfolge die Gemeinde X in das anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren eintrete bzw. eine Fortsetzung des anhängigen Verfahrens wünsche. Einer Äußerung werde innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung entgegengesehen. Bei fruchtlosem Verstreichen dieser Frist gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß die Gemeinde X als nunmehrige Inhaberin der beschwerdegegenständlichen Betriebsanlage nicht in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzutreten wünsche und werde der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet dessen über die Beschwerde befinden.

Eine Äußerung zu dieser Verfügung langte beim Verwaltungsgerichtshof nicht ein.

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1973, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, hat die Behörde (§§ 333, 334, 335) andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid und im Betriebsbewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind. Soweit solche Auflagen nicht zur Abwehr von Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit der im § 74 Abs. 2 Z. 1 genannten Personen notwendig sind, müssen diese Auflagen für den Betriebsinhaber wirtschaftlich zumutbar sein. Zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und und 3 geworden sind, sind zufolge des Abs. 2 des § 79 GewO 1973 Auflagen im Sinne dessen Abs. 1 nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind.

Eine "Auflage" im Sinne des § 79 wie im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1973 kann jede bestimmte, der Vermeidung von Immissionen dienende und zur Erfüllung dieses Zweckes geeignete und behördlich erzwingbare Maßnahme des INHABERS der Betriebsanlage zum Gegenstand haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0238, und die dort zitierte Vorjudikatur). Eine Auflage im Sinne der §§ 77 Abs. 1 und 79 GewO 1973 darf nur als ein an den Inhaber einer Betriebsanlage gerichteter normativer Ausspruch ergehen (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 28. März 1989).

In diesem Sinne erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, "als die Zu- und Abfahrt betriebseigener Lkw (fremde Lkw werden nicht repariert) zur Werkstätte bzw. von der Werkstätte nur in der Zeit zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr und nicht auch in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 22.00 Uhr erfolgen darf".

Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG setzt eine beschwerdeführende Partei voraus, die mit ihrer Beschwerde behauptet, durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde in ihren Rechten verletzt zu sein.

Das Rechtsinstitut der Gegenstandsloserklärung (§ 33 Abs. 1 VwGG) führt immer dann zu einer Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, wenn weder die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Beschwerde, noch für eine Sachentscheidung oder Klaglosstellung - im Sinne einer formellen Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - vorliegen (vgl. dazu u.a. den hg. Beschluß vom 24. Oktober 1985, Slg. N.F. Nr. 11.925/A). Denn die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren der Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht den Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Feststellungen der Gesetzmäßigkeit von Verwaltungsbescheiden an sich, sondern auf die Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen. Die Feststellung der Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist nicht das bestimmungsgemäße Ziel der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde selbst, sondern der Weg, auf dem die Aufhebung des Bescheides zu erreichen ist (vgl. den hg. Beschluß vom 2. Dezember 1948, Slg. N.F. Nr. 612/A).

Bei der in der Beschwerdesache gegebenen Fallkonstellation vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen - und wird diesbezüglich auch von der Beschwerdeführerin nichts vorgebracht -, worin (noch) ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin gelegen sein soll. Ist doch die Erreichung des Verfahrenszieles - Aufhebung des angefochtenen Bescheides - für den Beschwerdeführer ohne objektiven Nutzen und besitzen die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen - für den Beschwerdeführer - nur (mehr) theoretische Bedeutung. Da die Beschwerdeführerin nicht mehr Betriebsinhaberin der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage ist, kann sie auch nicht mehr durch einen - wie bereits ausgeführt - an den Inhaber einer Betriebsanlage gerichteten normativen Ausspruch in ihren Rechten verletzt sein. In diesem Sinne vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß eine

- allfällige - Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach einem der Tatbestände des § 42 Abs. 2 VwGG eine über eine bloß feststellende Wirkung hinausgehende VERÄNDERUNG der RECHTLICHEN Position der Beschwerdeführerin bewirken würde.

Mangels eines Rechtsnachfolgers - bei einer wesensmäßig zu einem sachlichen Objekt verbundenen Parteistellung tritt der Rechtsnachfolger ohne weiteres in die Parteistellung seines Vorgängers ein (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1968, Zl. 688/67) - war daher die Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf den § 58 VwGG. Wenn eine Beschwerde zwar gegenstandslos geworden ist, das Verfahren jedoch nicht wegen Klaglosstellung eingestellt wird, steht weder dem Beschwerdeführer noch der belangten Behörde Kostenersatz zu, weil weder die Bestimmung des § 56 VwGG anwendbar ist, noch davon die Rede sein kann, daß die belangte Behörde als obsiegende Partei im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 Z. 2 VwGG zu gelten hat (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 10. Jänner 1978, Slg. N.F. Nr. 9732/A).

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