VwGH 89/08/0105

VwGH89/08/010519.9.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des SN in W, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 25, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 2. Februar 1989, Zl. 120.721/1-7/89, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiener Gebietskrankenkasse, Wien X, Wienerbergstraße 15-19, 2. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Wien II, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Wien XX, Adalbert Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §11 Abs1 Satz2;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §11 Abs1 Satz2;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- und der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1988, Zl. 88/08/0118, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 10. Februar 1988, mit welchem im Instanzenzug festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer ab 1. Mai 1983 zur H-OHG in keinem die Vollversicherungs- (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz)Bescheid gab die belangte Behörde neuerlich der Berufung gegen den die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers ab dem 1. Mai 1983 verneinenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Juni 1985 keine Folge und bestätigte diesen Bescheid "aus seinen zutreffenden Gründen". In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer in einer bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkassa am 17. November 1983 aufgenommenen Niederschrift angegeben habe, er sei vom 1. Jänner bis 10. August 1983 im Büro der Firma H-OHG in Wien V, X-gasse 26, tätig gewesen. Diese Aussage stehe im Widerspruch zu seinen Angaben vom 21. September 1984, wonach das Mietverhältnis hinsichtlich der Büroräumlichkeiten in der X-gasse 26 per 30. April 1983 aufgekündigt worden sei. Letztere Darstellung sei die glaubwürdigere, zumal aus einer Mitteilung einer Gebäudeverwaltung vom 6. Dezember 1983 hervorgehe, daß die Wohnung X-gasse 26/27 ab 1. Mai 1983 leergestanden sei. Die belangte Behörde schenke auch der Behauptung, daß der Berufungswerber von "seinem Dienstgeber, Herrn Ö," nach dessen Abreise in die Türkei Ende April 1983 noch auf das arbeitsbezogene Verhalten gerichtete Weisungen erhalten habe bzw. daß die Einhaltung der behaupteten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden oder die ordnungsgemäße Durchführung der übertragenen Arbeiten kontrolliert worden sei, keinen Glauben. Dies deshalb, weil Ö - nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers - bei seiner Ankunft in der Türkei zunächst verhaftet worden sei und in der Folge strafweise einen Militärdienst in der Dauer von fünf Jahren habe ableisten müssen. Es sei daher nicht anzunehmen, daß er unter diesen Umständen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen dem Beschwerdeführer telefonisch Weisungen und Aufträge erteilen oder seine Arbeit kontrollieren habe können. Was die vom Beschwerdeführer behauptete regelmäßige schriftliche Berichterstattung an den Dienstgeber anlange, so sei vom Beschwerdeführer zwar die Kopie eines Geschäftsbriefes vom 15. Jänner 1984 vorgelegt worden; es sei aber nicht anzunehmen, daß dieses Schreiben jemals den Adressaten erreicht habe, zumal die Anschrift nur mit "z.Zt. Istanbul" angegeben gewesen sei. Schließlich erscheine der belangten Behörde auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei über den April 1983 hinaus (bis 1. Jänner 1984) weiter für die H-OHG tätig gewesen, unglaubhaft, weil er das ihm für die Zeit vorher zugestandene Entgelt für seine Tätigkeit zum überwiegenden Teil auf gerichtlichem Wege einklagen habe müssen und auch in Zukunft nicht mit einer ordnungsgemäßen rechtzeitigen Bezahlung habe rechnen können. Bei Würdigung der Angaben des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde zu der Ansicht gekommen, daß der Beschwerdeführer nach dem 30. April 1983 zwar weiter in irgendeiner Form für die H-OHG tätig gewesen sei, daß er diese Tätigkeit aber nicht in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit ausgeübt habe, weil er weder an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort - ein solcher sei zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr vorhanden gewesen - gebunden gewesen sei, noch einem Weisungs- und Kontrollrecht des Dienstgebers hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeit und seines arbeitsbezogenen Verhaltens unterlegen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bemängelt, daß mit den Feststellungen der belangten Behörde, daß die Wohnung X-gasse 26/27 ab 1. Mai 1983 leergestanden sei, und den Ausführungen, daß er ab Ende April 1983 keine Weisungen mehr erhalten habe, nicht zum Ausdruck gebracht werde, daß mit diesem Zeitpunkt auch das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers geendet habe. Die Abreise des Arbeitgebers sei weder arbeitsrechtlich noch sozialversicherungsrechtlich geeignet gewesen, eine Beendigung des Dienstverhältnisses herbeizuführen, insbesondere dann, wenn andererseits festgestellt werde, daß der Beschwerdeführer nach dem 30. April 1983 noch weiter "in irgendeiner Form für die H-OHG" tätig gewesen sei. Die daran anknüpfende rechtliche Folgerung, wonach das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ab diesem Zeitpunkt mangels Ordnungsvorschriften und Verlust des Arbeitsplatzes sowie mangels des Weisungs- und Kontrollrechtes gefehlt hätte, sei nicht schlüssig. Zur Annahme eines Dienstverhältnisses sei es nicht erforderlich, daß diese Rechte tatsächlich ausgeübt werden. Sie leiteten sich aus dem Dienstvertrag sowie der Art der zu bewältigenden Arbeiten ab. Man spreche von einer "stillen Autorität" des Dienstgebers, der oft mangels Fachkenntnis bzw. Information gar nicht in der Lage sei, Weisungen zu erteilen.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß im vorliegenden Fall nicht die Frage entscheidend ist, ob das zivilrechtliche Dienstverhältnis des Beschwerdeführers mit 1. Mai 1983 beendet wurde; wesentlich ist vielmehr, ob der Beschwerdeführer auch nach dem 30. April 1983 noch in einem Beschäftigungsverhältnis stand, bei welchem die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber jenen der persönlichen Unabhängigkeit überwogen. Es kommt also auf die konkrete Gestaltung der Beschäftigung - deren Gesamtbild - im entsprechenden Zeitraum an. Auch der Beschwerdeführer behauptet nicht, nach dem genannten Zeitpunkt Einschränkungen hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitsablaufes und der Arbeitsorganisation unterlegen gewesen zu sein. Maßgebliche Bedeutung kommt somit seiner Weisungs- und Kontrollunterworfenheit zu. Diese verneinte die belangte Behörde sachverhaltsbezogen zu Recht. Der Beschwerdeführer läßt die Feststellung der belangten Behörde, daß ihm der Geschäftsführer der H-OHG nach dem 30. April 1983 keine Weisungen mehr erteilt habe und keine Kontrolle mehr ausgeübt habe, unbekämpft. Wenn die belangte Behörde daraus, daß der Geschäftsführer der H-OHG aus den in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Gründen an der Erteilung von Weisungen und der Ausübung einer wirksamen Kontrolle faktisch gehindert war, ableitete, daß beim Beschwerdeführer keine Weisungs- und Kontrollunterworfenheit bestanden hat, so ist dies nicht unschlüssig. In einem solchen Fall kann auch von keiner "stillen Autorität" des Dienstgebers gesprochen werden (vgl. zum Ganzen u. a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1988, Zl. 84/08/0002).

Ferner macht der Beschwerdeführer geltend, daß sich auf Grund des § 11 ASVG das Ende der Versicherungspflicht nicht von der arbeitsrechtlichen Auflösung des Dienstverhältnisses loslösen lasse. Falle nämlich der Zeitpunkt, dem zu der Anspruch auf Entgelt ende, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlösche die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches. Es sei nicht festgestellt worden, daß der Entgeltanspruch des Beschwerdeführers mit 1. Mai 1983 ende; der Beschwerdeführer habe im Gegenteil über diesen Zeitpunkt hinaus Ansprüche geltend gemacht. Unabhängig davon, ob nun seine Ansprüche auf Entlohnung über diesen Zeitpunkt hinaus mit Erfolg geltend gemacht hätten werden können oder nicht, bleibe die Pflichtversicherung bis zum Ende des Entgeltanspruches bestehen.

Bei diesen Ausführungen übersieht der Beschwerdeführer, daß sich § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG bloß auf den Anspruch aus einem beendeten Beschäftigungsverhältnis bezieht, nicht aber, auch auf ein Entgelt aus einem weiterlaufenden Beschäftigungsverhältnis (wie es vom Beschwerdeführer behauptet wird). Der Gesetzgeber hat in der genannten Bestimmung die Versicherungspflicht ausdrücklich auf die Zeit bis zum Ende des Entgeltanspruches erstreckt, wenn die Beschäftigung des Dienstnehmers infolge Kündigung und gleichzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb oder infolge des vom Dienstgeber verschuldeten Ausscheidens des Dienstnehmers aus dem Betrieb ihr faktisches Ende gefunden hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1989, Zl. 87/08/0274). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde vom Beschwerdeführer nie behauptet, auch die Aktenlage bietet hiefür keinerlei Anhaltspunkte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 19. September 1989

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