VwGH 89/07/0163

VwGH89/07/01635.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des JW in O, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, Zwergergasse 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 17. Juli 1989, Zl. 512.490/01-I 5/89, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde O, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §102 Abs1 litb impl;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §60 Abs1 litd;
WRG 1959 §72 Abs1;
WRG 1959 §102 Abs1 litb impl;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §60 Abs1 litd;
WRG 1959 §72 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1988 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung der Ortskanalisation, Detailprojekt BA 01.

Mit Kundmachung vom 29. Dezember 1988 ordnete der Landeshauptmann von Tirol über dieses Projekt für den 15. Februar 1989 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung an.

2. Mit Eingabe vom 15. Jänner 1989 erhob der nunmehrige Beschwerdeführer - ihm war die Verhandlungsausschreibung im Wege der mitbeteiligten Partei zugestellt worden - gegen das Vorhaben Einwendungen, wobei er beantragte, "in den zu erlassenden Bescheid" nachstehende Forderungen aufzunehmen: Alle mit erheblichem Lärm, Staub und Behinderungen verbundenen Arbeiten an dem besagten Vorhaben dürften in der Zeit vom 1. Mai bis 15. Oktober des in Frage kommenden Jahres im Bereich zwischen der alten Bundesstraße und der so genannten alten Schmiede auf der O Landesstraße nicht vorgenommen werden (dies deshalb, weil andernfalls in dieser Zeit für den Hotelbetrieb des Beschwerdeführers "praktisch Betriebseinstellung verbunden wäre"). Ferner dürften durch die notwendigen Grabarbeiten "die Funktionen der Hauswasserleitung, die Stromzufuhr, die Zuleitung von Telefon durch Erdkabel, die ungehinderte Zufahrt durch Fahrzeuge usw. für beide Hotels nicht beeinträchtigt werden".

3. Im Zuge der am 15. Februar 1989 stattgefundenen Verhandlung beantragte die mitbeteiligte Gemeinde auf Grund der vom Beschwerdeführer gegen ihr Vorhaben erhobenen Einwendungen eine Projektsänderung dergestalt, dass auch im Bereich des im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstückes 320/2 KG O der Regionalstrang 1a durchgehend auf dem Grundstück 1095 KG O (Landesstraße) verlegt werde. Damit werde das genannte Grundstück des Beschwerdeführers nicht mehr berührt. Die erforderliche Zustimmung der Landesstraßenverwaltung zur Projektsänderung werde nachgereicht (vgl. dazu die Verhandlungsschrift vom 15. Februar 1989, S. 5).

4. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. Mai 1989 wurde der mitbeteiligten Gemeinde gemäß den §§ 11, 12, 13, 15, 21 22, 32, 99 Abs. 1 lit. c, 111 und 112 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Ortskanalisation, Bauabschnitt 01 ("für die im Befund näher beschriebenen Maßnahmen und Anlagen und die damit zusammenhängende Wasserbenutzung nach Maßgabe des eingereichten Bauentwurfes") erteilt (Spruchpunkt I). Spruchpunkt V enthält die Anordnung, dass mit dem Bau der Anlage bei sonstigem Erlöschen der Bewilligung bis spätestens 30. Juni 1990 zu beginnen und dieser bis spätestens 30. Juni 1995 zu vollenden sei. Unter Spruchpunkt VI wird die Bewilligung an zahlreiche Nebenbestimmungen gebunden, darunter jene, dass die Bestandsicherheit von Objekten aller Art, die im Gefährdungsbereich der Baustelle liegen, gewahrt bleiben müsse, und dass vor Annäherung der Bau- und Grabungsarbeiten an unterirdisch verlegte fremde Versorgungsstränge rechtzeitig das Einvernehmen mit dem jeweiligen Eigentümer dieser Leitungen herzustellen sei (Punkte 7. und 8.). In Spruchpunkt XI werden die Einwendungen des Beschwerdeführers "- soweit ihnen nicht durch die Vorschreibung von Nebenbestimmungen entsprochen wurde - mangels Parteistellung zurückgewiesen".

Zur Begründung ihres Bescheides führte die Erstbehörde - soweit für die Erledigung der Beschwerde von Belang - im wesentlichen folgendes aus: Die Einwendungen des Beschwerdeführers (vgl. oben 2.) seien "grundsätzlich" zurückzuweisen gewesen, da infolge einer Projektsänderung der Rohrstrang 1a auch zwischen den Schächten 10 und 15 zur Gänze in der Landesstraße (Gp. 1095 KG O) verlegt werde, sodass das Grundstück 320/2 des Beschwerdeführers nicht mehr berührt werde. Da kein weiteres Grundstück des Beschwerdeführers durch die verfahrensgegenständliche Anlage berührt werde, sei er in diesem Verfahren nicht mehr Partei, weshalb seine Einwendungen zurückzuweisen gewesen seien. So weit die Einwendungen aber die Bestandsicherheit von unterirdisch verlegten Versorgungsleitungen betreffen, sei ihnen in den Nebenbestimmungen Rechnung getragen worden. Im übrigen werde auf § 72 WRG 1959 (vgl. auch Spruchpunkt VIII) verwiesen.

5. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung sprach sich der Beschwerdeführer gegen die Aberkennung seiner Parteistellung aus und wies darauf hin, dass bei den "Arbeiten zur unbedingt notwendigen Bachquerung mit dem Fäkalkanal" sein Grundstück 320/2 "unweigerlich, da es nicht anders geht, berührt (wird)". Dies deshalb, weil dazu ein von der Landesstraßenverwaltung hier eingebautes Metallrohr für den Sbach, welches z.T. auf dem ihm gehörigen Grundstück 320/2 liege, wieder herausgenommen werden müsse. Die Arbeiten an dieser Stelle würden Wochen, ja Monate dauern, weshalb das Verlangen gerechtfertigt sei, dass diese außerhalb der Betriebszeit des Hotels vorgenommen werden müssten. Er halte daher seine Einwendungen vollinhaltlich aufrecht.

6. Mit Bescheid vom 17. Juli 1989 gab der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 AVG 1950 keine Folge.

Sache des Berufungsverfahrens sei es zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer von der Erstinstanz die Parteistellung zu Unrecht versagt worden sei. Sich in die sachliche Erledigung der Einwendungen einzulassen, falle nicht in die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde. Unter Bezugnahme auf die §§ 102 Abs. 1, 12 Abs. 2 WRG 1959 vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass ein Eingriff in das Grundeigentum nur dann vorliege, wenn fremder Grund in Anspruch genommen werde, oder durch andere nachteilige Einwirkungen die Substanz des Grundeigentums beeinträchtigt werde. Im vorliegenden Fall hätten die vom Beschwerdeführer während der Zeit der Projektsauflage schriftlich eingebrachten Einwendungen zu einer Projektsänderung geführt, sodass das Grundstück des Beschwerdeführers vom gegenständlichen Projekt nicht mehr berührt werde. Die bloße Nachbarschaft zu einem Projekt sei aber nicht geeignet, in einem Wasserrechtsverfahren Parteistellung zu vermitteln. Auch sei nicht ersichtlich, dass projektsgemäß in die Substanz des Grundeigentums des Beschwerdeführers eingegriffen werden solle. Zum Einwand, dass das Grundstück des Beschwerdeführers durch die Bauarbeiten jedenfalls in Anspruch genommen werde, u.a. dadurch, dass ein z.T. auf seinem Grundstück eingebautes Metallrohr für den S-bach ausgebaut werden müsse, sei auf § 72 Abs. 1 WRG 1959 zu verweisen. Danach müssten die Eigentümer von benachbarten Grundstücken zur Ausführung und Instandhaltung von Wasserbauten und Anlagen das Betreten und die Benützung ihrer Grundstücke gegen Ersatz allfälliger vermögensrechtlicher Nachteile im unbedingt notwendigen Ausmaß gestatten. Überdies sei in den Nebenbestimmungen ausdrücklich vorgesehen, dass durch den Bau in Anspruch genommene Flächen in den früheren Zustand zu versetzen und Schäden zu vergüten seien. Die Entscheidung der Erstbehörde sei demnach zu bestätigen gewesen.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Von diesem wurde die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26. September 1989, B 891/89, abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

8. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf, dass ihm die Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren nicht aberkannt werde, verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

9. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 sind Parteien (eines wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1).

Als Rechte im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

2. Die Wasserrechtsbehörde erster Instanz hat zunächst die Parteistellung des Beschwerdeführers in dem auf Antrag der mitbeteiligten Gemeinde in Gang gesetzten Bewilligungsverfahren im Hinblick darauf als gegeben angesehen, dass das im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Grundstück 320/2 KG O durch das Kanalisationsprojekt, Bauabschnitt 01, der Gemeinde berührt werde (vgl. die Verhandlungs-Kundmachung vom 29. Dezember 1988).

In Übereinstimmung damit hat der Beschwerdeführer seine in der Eingabe vom 15. Jänner 1989 formulierten Einwendungen gegen das genannte Vorhaben (ausschließlich) darauf gestützt, dass er durch die mit diesem verbundenen Bauarbeiten in seinem Grundeigentum berührt werde.

Auf Grund eben dieser Einwendungen hat die mitbeteiligte Gemeinde - vom Beschwerdeführer unbestritten - im Rahmen der am 15. Februar 1989 stattgefundenen Verhandlung ihr Projekt dahin geändert, dass der Regionalstrang la nicht mehr wie ursprünglich projektiert (vgl. den Detaillageplan 4/3, Ausfertigung A, Einlage 6, vom 9. September 1988) u.a. auch über das Grundstück 320/2 des Beschwerdeführers, sondern in diesem Bereich statt dessen auf dem Grundstück 1095 (Landesstraße) verlegt werde (vgl. zu dieser Änderung den Deckplan zum Detaillageplan 4/3, Ausfertigung A, Einlage 6a, vom 20. Jänner 1989). Da solcherart das Grundeigentum des Beschwerdeführers - ein Berührtsein in Ansehung eines anderen Grundstückes als des Grundstückes 320/2 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet - nach Auffassung der Wasserrechtsbehörden beider Rechtsstufen nicht (mehr) berührt werde, kamen sie übereinstimmend zu der Rechtsansicht, es mangle dem Beschwerdeführer in dem das geänderte Projekt betreffenden Bewilligungsverfahren an der Parteistellung, mit der Folge, dass seine Einwendungen, soweit diesen nicht im Wege von Nebenbestimmungen entsprochen worden sei, zurückzuweisen gewesen seien.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Rechtsansicht für zutreffend. Eine die Parteistellung begründende Berührung des Grundeigentums ist nur projektsbedingt möglich (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1989, Zl. 89/07/0149). Auf Grund der vorbeschriebenen, vom Bewilligungsbescheid ausdrücklich umfassten Änderung des Kanalisationsvorhabens konnte die belangte Behörde für den Zeitpunkt ab der Vornahme dieser Änderung in rechtlich unbedenklicher Weise davon ausgehen, dass projektsgemäß weder im Eigentum des Beschwerdeführers stehender Grund in Anspruch genommen noch sonst auf diesen (nicht nur vorübergehend) eingewirkt werde.

Der dazu in der Berufung vorgebrachte und in der Beschwerde wiederholte Einwand, dass von den Bauarbeiten "unweigerlich" auch das Grundstück 320/2 des Beschwerdeführers berührt werde, und zwar dadurch, dass ein von der Landesstraßenverwaltung eingebautes Metallrohr für den S-bach, das zum Teil auf diesem Grundstück liege, wieder herausgenommen werden müsse, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Denn sollte im Sinne des Vorbringens des Beschwerdeführers der Ausbau eines teilweise auf seinem Grundstück 320/2 gelegenen Metallrohres zur Verwirklichung des Kanalisationsvorhabens tatsächlich unumgänglich sein, so würde es sich hiebei - dem dazu erstatteten Berufungs- und Beschwerdevorbringen kann nichts in die gegenteilige Richtung Weisendes entnommen werden - um eine Maßnahme handeln, die in der Benutzungsbefugnis nach § 72 WRG 1959 ihre Deckung fände.

Die zuletzt genannte Befugnis - ein Zwangsrecht im Sinne des sechsten Abschnittes des WRG 1959 (vgl. § 60 Abs. 1 lit. d) - räumt dem Bewilligungsinhaber das Recht ein, benachbarte Grundstücke, soweit unbedingt notwendig, im Zuge der Projektsverwirklichung vorübergehend und in einer die Substanz nicht beeinträchtigenden Weise zu benutzen, und verhält die Eigentümer der betreffenden Nachbargrundstücke, diese Benutzung ihrer Grundstücke gegen Ersatz der ihnen hiedurch verursachten vermögensrechtlichen Nachteile zu dulden (s. § 72 Abs. 1; vgl. auch Grabmayr-Rossmann, Das österreichische Wasserrecht, Wien 1978, S. 331, 352). § 72 Abs. 1 WRG 1959 begründet eine Legalservitut, die eine Benutzung benachbarter Grundstücke in der vorbezeichneten Art ohne Zustimmung des betroffenen Eigentümers und ohne wasserrechtliches Verfahren ermöglicht (vgl. nochmals Grabmayr-Rossmann, a.a.O., S 331). Diese Norm vermittelt demnach keine zur Erhebung von Einwendungen berechtigende Parteistellung in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren.

4. Da nach dem Gesagten - dies bei Zutreffen der diesbezüglichen Behauptung des Beschwerdeführers - die mit dem Ausbau des teilweise auf seinem Grundstück 320/2 gelegenen Metallrohres verbundene Inanspruchnahme seines Grund und Bodens eine bloß vorübergehende wäre, also einen zur Ausführung von Wasserbauten notwendigen Eingriff in das Grundeigentum während der Bauzeit darstellte, der von der Regelung des § 72 WRG 1959 erfasst sein würde, hat die belangte Behörde selbst für den Fall, dass sich die vom Beschwerdeführer bezeichnete Maßnahme als erforderlich erweisen sollte, die Parteistellung des Beschwerdeführers nach § 102 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 12 Abs. 2 leg. cit. zu Recht verneint. Die im Instanzenzug bestätigte Zurückweisung der Einwendungen des Beschwerdeführers erweist sich somit als mit dem Gesetz in Einklang stehend.

5. Aus den vorstehenden Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

7. Da bereits in der Hauptsache entschieden worden ist, erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 5. Dezember 1989

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