VwGH 88/13/0183

VwGH88/13/01831.3.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde des Dipl. Ing. W F in K, vertreten durch Dr. Georg Karasek, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. August 1988, GZ GA 7-1464/1/88, betreffend Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat - angeblich nach Rücksprache mit dem Vorstand des zuständigen Finanzamtes - in seiner Einkommensteuererklärung 1980 Finanzierungskosten von S 72.132,-- als Werbungskosten geltend gemacht. Im Zuge einer nachfolgenden Betriebsprüfung wurde jedoch die Anerkennung dieses Betrages als Werbungskosten versagt. Der auf Grund dieser Ansicht des Prüfers erlassene Einkommensteuerbescheid 1980 führte zu einer "Einkommensteuermehrbelastung" von S 35.703,--. Eine Berufung gegen diesen Bescheid hat - wie sich unter anderem aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner im Verwaltungsakt befindlichen Eingabe vom 20. Juli 1987 ergibt - die "Finanzlandesdirektion mit Berufungsentscheidung vom 6. Oktober 1986 abgewiesen".

Mit dem letztgenannten Schriftstück vom 20. Juli 1987 hat der Beschwerdeführer beantragt, "den Betrag von S 35.703,-- durch Abschreibung nachzusehen". Als einzige Begründung dieses Begehrens weist der Beschwerdeführer auf die nicht der seinerzeitigen Auskunft des Amtsvorstandes entsprechende, zu dem in Rede stehenden Rückstand führende "Bescheidentscheidung" hin, in welcher Vorgangsweise nach seiner Ansicht "gewissermaßen ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorliegt".

Gegen den Bescheid des Finanzamtes, mit welchem das Nachsichtsansuchen des Beschwerdeführers abgewiesen wurde, hat dieser innerhalb offener Frist Berufung erhoben. In derselben wird im wesentlichen die behauptete Unbilligkeit der Einhebung des in Rede stehenden Abgabenbetrages lediglich wieder mit dem Hinweis auf die seinerzeitige unrichtige Auskunftserteilung durch den Vorstand des zuständigen Finanzamtes begründet.

Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage desselben an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab und führte begründend aus:

Im Streitfall werde die Nachsicht eines "Mehrbetrages an Einkommensteuer 1980 in Höhe von S 35.703,-- entstandenen durch die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO auf Grund einer Betriebsprüfung begehrt". Die Berufung "gegen diese Wiederaufnahme wurde mittels Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion abgewiesen". Wenn nun die Nachsicht des genannten Betrages mit der Begründung "wegen Unbilligkeit beantragt" werde, es hätten sich Auskünfte der Finanzbehörde als unrichtig erwiesen, könnten diese Ausführungen den Beschwerdeführer nicht zu dem von ihm angestrebten Erfolg verhelfen; dem wie bereits im erstinstanzlichen Bescheid dargelegt worden sei, könne nur eine Unbilligkeit in der Einhebung Maßnahmen im Sinne des § 236 BAO rechtfertigen.

Somit werde festgestellt, daß im Streitfall eine Unbilligkeit nicht vorliege und vom Ermessen nicht Gebrauch gemacht werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Falle eines Ansuchens um Nachsicht zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Verneint sie diese Frage, dann ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, demnach ist der entsprechende Antrag abzuweisen. Nur wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes bejaht, hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden (vgl. auch Stoll, Bundesabgabenordnung, Wien 1980, Seite 583).

Wie sich aus dem klaren Wortlaut des angefochtenen Bescheides ergibt, hat die belangte Behörde die Rechtsfrage, ob die Einhebung der in Rede stehenden Abgabenschuldigkeiten im Streitfall unbillig ist, verneint, sodaß die Voraussetzung für eine von ihr zu treffende Ermessensentscheidung nicht gegeben ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im allgemeinen voraus, daß die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben, daß also ein wirtschaftliches Mißverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteil vorliegt. Mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage hat jedoch bei Nachsichtsmaßnahmen der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluß jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt daher beim Nachsichtswerber (vgl. Stoll, a. a.O. Seite 582 und die dort zitierte hg. Judikatur).

Da der Unbilligkeitstatbestand auf die Einhebung abstellt, kann mit einer Maßnahme nach § 236 BAO etwa dann nicht vorgegangen werden, wenn eine Abgabenvorschreibung z.B. zufolge unzutreffender Steuerbescheide als unbillig erscheint, dieselben jedoch nicht mit Hilfe der zustehenden Rechtsmittel bekämpft wurden (vgl. Stoll, a. a.0. Seite 585 und die zitierte hg. Judikatur).

Im Streitfall ist der belangten Behörde beizustimmen, wenn sie in Übereinstimmung mit der oben dargelegten Ansicht von Lehre und Rechtsprechung die Auffassung vertritt, daß grundsätzlich "nur eine Unbilligkeit in der Einhebung Maßnahmen im Sinne des § 236 BAO" rechtfertige. Zu Recht verneint die belangte Behörde sinngemäß, daß der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens eine solche Unbilligkeit dargetan oder auch nur behauptet hat, daß die Einhebung des in Rede stehenden Abgabenrückstandes in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stehe, welche sich aus der Einziehung für ihn ergeben würden.

Statt dessen verweist er ausschließlich darauf, daß der strittige Steuerrückstand daraus resultiere, daß er - auf Grund einer unrichtigen Auskunft eines Organes der Finanzverwaltung 1980 Beträge als Werbungskosten geltend gemacht habe, welcher Vorgangsweise jedoch im Zuge einer Betriebsprüfung nicht gefolgt worden sei. Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer gegen den auf der Basis der vom Betriebsprüfer vertretenen Ansicht erlassenen Einkommensteuerbescheid eine Berufung erhoben hat, diese jedoch von der Finanzlandesdirektion abgewiesen wurde.

Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, daß die von der belangten Behörde konkret nicht in Abrede gestellte seinerzeit erteilte unrichtige steuerliche Auskunft keine Begründung für die Annahme einer Unbilligkeit hinsichtlich der Einhebung des in Rede stehenden Abgabenrückstandes darstellt; hat sich derselbe doch offenbar im Rahmen eines ordnungsgemäß durch alle Instanzen durchgeführten Verwaltungsverfahrens als richtig ermittelt - Gegenteiliges wird auch vom Beschwerdeführer nie behauptet - erwiesen. Die Gewährung einer Nachsicht für diesen Rückstand ausschließlich aus dem Grunde, weil ein Organ der Finanzverwaltung ursprünglich hinsichtlich eines geltend gemachten Aufwandsbetrages eine unrichtige, im nachfolgenden Verfahren verworfene Auffassung vertreten hat, erscheint, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, mangels Vorliegens der im § 236 BAO normierten Tatbestandsmerkmale nicht vertretbar.

Die Hinweise des Beschwerdeführers insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1983, Zl. 81/15/0120, mit welchen er die Berechtigung seines vorliegenden Begehrens zu untermauern versucht, gehen, wie bereits im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt wurde, deshalb ins Leere, weil dem genannten Erkenntnis ein ganz anders gelagerter Sachverhalt zugrundeliegt; in jenem Fall nämlich hatte die damalige Beschwerdeführerin auf Grund einer unrichtigen Auskunft des Finanzamtes Kreditvertragsgebühren zu tragen. Gerade umgekehrt aber ist die vorliegende Situation; denn hier hat der Beschwerdeführer Abgaben zu entrichten, von welchen er nur auf Grund einer seinerzeitigen unrichtigen Auskunft eines Amtsorganes angenommen habe, sie nicht entrichten zu müssen.

Da der Beschwerdeführer demnach keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am 1. März 1989

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