VwGH 88/08/0275

VwGH88/08/02758.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und den Senatspräsidenten Dr. Liska sowie den Hofrat Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des WK in K, vertreten durch Dr. Hellmuth Boller, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntnerstraße 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. August 1988, Zl. MA 63-K 60/87/Str., betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen, zu Recht erkannt:

Normen

AAV §13 Abs2;
AVG §59 Abs1 impl;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2;
AAV §13 Abs2;
AVG §59 Abs1 impl;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit nicht die Behebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ausgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.920,-binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 6./7. Bezirk vom 4. August 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es "als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Arbeitgebers, der WK Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, dass in Wien 6., G-Straße 91 in der Zeit von 2. Oktober 1985 bis 17. Februar 1987 in einem Arbeitsraum, nämlich im straßenseitigen Verkaufsraum nicht dafür gesorgt wurde, dass frische, von Verunreinigungen möglichst freie Luft zugeführt sowie Luft mit zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxidgehalt abgeführt wurde, wobei der Raum möglichst gleichmäßig be- und entlüftet wird, da die Lüftungsöffnung keinen wirksamen Querschnitt von mindestens einem Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Raumes aufwies, da bei einer Bodenfläche von 75 m2 lediglich eine Oberlichtöffnung im Ausmaß von 90 cm x 70 cm = 0,63 m2 vorhanden war". Er habe dadurch "§ 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/72 in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/83 in der geltenden Fassung" verletzt und wurde hiefür gemäß § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarrest 36 Stunden) bestraft.

Auf Grund der vom Beschwerdeführer dagegen eingebrachten Berufung wurde dieses Straferkenntnis mit dem angefochtenen Bescheid "insofern behoben und das Verfahren in dieser Hinsicht gemäß § 45 Abs. 1 lit. a des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG 1950, BGBl. Nr. 172) eingestellt, als dem Beschuldigten zur Last gelegt wurde, nicht für die Zufuhr frischer, von Verunreinigungen möglichst freier Luft in den Verkaufsraum und für die Abfuhr der Luft mit zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxidgehalt aus dem Verkaufsraum gesorgt zu haben". Im übrigen wurde die Berufung in der Schuldfrage und im Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Strafvollzugskosten abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der erste Absatz des Spruches wie folgt zu lauten hat:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Arbeitgebers WK Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, dass in der Zeit vom 2. Oktober 1985 bis 17. Februar 1987 in dem in der Betriebsanlage in Wien 6, G-Straße 91, befindlichen straßenseitigen Verkaufsraum die für die Lüftung verwendete Oberlichte keinen wirksamen Lüftungsquerschnitt von mindestens einem Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Raumes aufgewiesen hat, weil bei einer Bodenfläche von 69,67 m2 nur eine Lüftungsöffnung im Ausmaß von 90 cm mal 70 cm (d.s. 0,63 m2) vorhanden war." Gleichzeitig wurde die Strafe mit S 500,-- (Ersatzarrest 18 Stunden) neu bemessen und der erstinstanzliche Kostenbeitrag mit S 50,-- festgesetzt. Nach der Begründung sei es unbestritten, dass der straßenseitige Verkaufsraum kein ins Freie führendes, "öffenbares" Fenster besitze. Es sei jedoch eine Oberlichte über der straßenseitigen Türe vorhanden, die für die Lüftung des Arbeitsraumes verwendet werden könne. Diese Oberlichte habe ein Ausmaß von 70 x 90 cm. Verfehlt sei es in diesem Zusammenhang allerdings gewesen, dem Beschwerdeführer vorzuwerfen, er habe nicht für die Zufuhr von frischer und für die Abfuhr der Luft mit zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxidgehalt gesorgt, zumal der Anzeige nicht zu entnehmen sei, dass durch eine Messung festgestellt worden sei, dass die über die Türen aus den Lagerräumen kommende Luft nicht frisch gewesen sei oder Verunreinigungen enthalten habe und in dem Verkaufsraum der Sauerstoffgehalt der Luft zu gering und der Kohlendioxidgehalt zu hoch gewesen sei. Das bekämpfte Straferkenntnis sei daher insoweit zu beheben und das Verfahren hierüber einzustellen gewesen, als dem Beschwerdeführer ein solches Verhalten zur Last gelegt worden sei. In Ansehung des Vorwurfes, dass die für die Lüftung des Verkaufsraumes zur Verfügung stehende Oberlichte im Verhältnis zur Fußbodenfläche des Verkaufsraumes einen zu geringen Querschnitt, nämlich nicht mindestens ein Fünfzigstel der Fußbodenfläche aufgewiesen habe, sei das bekämpfte Straferkenntnis jedoch zu bestätigen gewesen. Der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, dass die Öffnung der Oberlichte ein Ausmaß von 90 x 70 cm aufweise, was weniger als ein Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Verkaufsraumes sei, die vom Beschwerdeführer mit 69,67 m2 angegeben werde. Die auf die Straße führende Eingangstür oder die in die Lagerräume führenden Türen des Verkaufsraumes könnten ebenso wenig als "sonstige Lüftungsöffnungen" im Sinne des § 13 Abs. 2 AAV in Frage kommen wie die vom Beschwerdeführer angeführten nicht luftdichten Abschlüsse der Fenster und Türen des Verkaufsraumes. Es sei daher davon auszugehen, dass die Oberlichte über der Eingangstüre die einzige "sonstige Lüftungsöffnung" des Verkaufsraumes darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde insoweit, als damit der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides in der mit dem angefochtenen Bescheid modifizierten Form bestätigt und dem Beschwerdeführer eine Strafe von S 500,-- auferlegt wurde. Der Beschwerdeführer erachtet sich "durch die Bestrafung auf Grund des § 31 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes ... in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung ..." in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 13 Abs. 2 AAV hat folgenden Wortlaut:

"(2) Die natürliche Lüftung von Arbeitsräumen hat nach Möglichkeit durch Fenster zu erfolgen; bei einer Raumtiefe von mehr als 10 m muss eine Querlüftung durch Fenster, Ventilatoren oder sonstige Lüftungsöffnungen, wie Lüftungsschächte oder Lüftungsklappen, möglich sein. Fenster und sonstige Lüftungsöffnungen müssen einen wirksamen Lüftungsquerschnitt von mindestens einem Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Raumes aufweisen und sich von einem festen Standplatz aus öffnen oder verstellen lassen; sie müssen so angeordnet sein, dass Arbeitnehmer an Arbeitsplätzen vor schädlicher Zugluft geschützt sind. In eingeschossigen Gebäuden müssen Arbeitsräume mit mehr als 500 m2 Bodenfläche zusätzlich durch Lüftungsaufsätze auf dem Dach luftbar sein."

Der Beschwerdeführer räumt ein, erkannt zu haben, dass die im ersten Satz dieser Bestimmung enthaltene demonstrative Aufzählung von Beispielen für "sonstige Lüftungsöffnungen" ("Lüftungsschächte oder Lüftungsklappen") auch für den im zweiten Satz verwendeten Begriff der "sonstigen Lüftungsöffnungen" gilt. Die Anführung der Beispiele lässt klar erkennen, dass der Begriff der "sonstigen Lüftungsöffnungen" nicht - wie der Beschwerdeführer meint - schlechthin alle Öffnungen umfasst, durch die Luft in einem Raum eindringen kann, sondern dass darunter nur solche Einrichtungen zu verstehen sind, die nach ihrer Zweckbestimmung der Lüftung von Räumen dienen sollen. Türen sind nach den Erfahrungen des täglichen Lebens dazu bestimmt, den Zutritt zu Räumen zu ermöglichen; dieser Zweckbestimmung gegenüber tritt die Möglichkeit, durch das Öffnen und Offenhalten von Türen auch eine Lüftung des Raumes zu bewirken, in den Hintergrund. Wenn der Beschwerdeführer einwendet, dass kein sachlich gerechtfertigtes Argument bestehe, Türen nicht als Lüftungsöffnungen im Sinne des Gesetzes zu bewerten, so übersieht er, dass bei Türen, die ins Freie führen, die Möglichkeit des Offenhaltens zu Lüftungszwecken im Vergleich zu Fenstern und den als Beispiele für "sonstige Lüftungsöffnungen" angeführten Lüftungsschächten oder Lüftungsklappen im allgemeinen - etwa aus Gründen der Sicherheit - eingeschränkt ist, während bei Türen, die in andere Räume führen, die Lüftungswirkung infolge der mangelnden unmittelbaren Frischluftzufuhr beeinträchtigt ist. Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, dass Türen nicht als "sonstige Lüftungsöffnungen" bei der Berechnung des wirksamen Lüftungsquerschnittes gemäß § 13 Abs. 2 zweiter Satz AAV zu berücksichtigen sind, ist daher nicht als rechtswidrig anzusehen. Dass der Berechnung des wirksamen Lüftungsquerschnittes nur die Fenster und sonstigen Lüftungsöffnungen des jeweiligen Raumes, nicht aber auch die anderer, durch Türen verbundener Räume zu Grunde zu legen sind, folgt schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, wonach auf die Fußbodenfläche des (jeweiligen) Raumes Bezug genommen wird.

Der Beschwerdeführer vermag somit mit seinem Vorbringen keine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.

Mit Beschluss vom 2. Februar 1989 hat der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannt gegeben, dass der angefochtene Bescheid nach vorläufiger Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet sein könnte, weil nach dem unverändert bestätigten Spruchteil gemäß § 44a lit. b VStG 1950 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses als durch die Tat verletzte Rechtsvorschriften "§ 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/72 in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/83 in der geltenden Fassung" angeführt seien, obwohl das Verfahren hinsichtlich des Tatvorwurfes nach § 13 Abs. 1 AAV mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 eingestellt worden sei.

Während sich der Beschwerdeführer dieser Rechtsansicht anschloss, vertrat die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass im Spruch ihres Bescheides unmissverständlich zum Ausdruck komme, "dass von der Aufhebung und der Einstellung sowohl das darin bezeichnete Tatverhalten als auch die daran geknüpfte rechtliche Beurteilung, nämlich dass durch dieses Verhalten die Rechtsvorschriften des § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 13 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung verletzt worden sind, erfasst werden". Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten. Der die nach § 44a lit. b VStG 1950 erforderliche Anführung der Verwaltungsübertretung, die durch die Tat verletzt worden ist, enthaltende Teil des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde nämlich entgegen der Ansicht der belangten Behörde durch den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht abgeändert. Eine der Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des Tatvorwurfes nach § 13 Abs. 1 AAV Rechnung tragende Modifizierung des Spruches auch in Ansehung des Spruchteiles nach § 44a lit. b VStG 1950 wäre nicht zuletzt deshalb vorzunehmen gewesen, weil die Behörde erster Instanz von einer einheitlichen, beide Tatvorwürfe (§ 13 Abs. 1 und 2 AAV) umfassenden Tat ausgegangen war und den Spruch ihres Straferkenntnisses dementsprechend formuliert hatte. Der Beschuldigte hat aber ein Recht darauf, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 7. September 1988, Zl. 88/18/0030). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, von der im Beschluss vom 2. Februar 1989 geäußerten vorläufigen Rechtsansicht abzugehen und erhebt diese Rechtsansicht nunmehr zu seiner endgültigen.

Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG im bekämpften Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 8. Juni 1989

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