VwGH 88/14/0184

VwGH88/14/018429.11.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde des MP in D, vertreten durch Dr. Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in Wien XII, Meidlinger Hauptstraße 1, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom 25. Juli 1988, Zl. 11/39/1- BK/D-1987, betreffend Einkommensteuer für 1981 bis 1984, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §22 Abs2;
BAO §24 Abs1 litd;
EStG 1972 §22 Abs1 Z2;
EStG 1972 §25 Abs1 Z1;
EStG 1972 §47 Abs1;
BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §22 Abs2;
BAO §24 Abs1 litd;
EStG 1972 §22 Abs1 Z2;
EStG 1972 §25 Abs1 Z1;
EStG 1972 §47 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war vom 9. Jänner 1979 bis 12. März 1984 mit 12 vH an einer GmbH beteiligt, deren Geschäftsführer er war. Die übrigen Anteile gehörten den Schwiegereltern des Beschwerdeführers. Seine Schwiegermutter veräußerte ihre Anteile im Ausmaß von 63 vH am 29. Dezember 1979 an ihre Tochter, die Ehegattin des Beschwerdeführers, die ihrerseits mit Notariatsakt vom 17. Jänner 1980 dem Beschwerdeführer ohne Nennung einer bestimmten Geltungsdauer für sich und ihre Rechtsnachfolger das unübertragbare Recht einräumte, von ihr die Abtretung ihres Geschäftsanteiles zu verlangen. Als Abtretungspreis wurde der Nominalbetrag der Stammeinlage vereinbart. Eine Verpflichtung, sich einer Verfügung über den Geschäftsanteiles oder seiner Verpfändung zu enthalten, ging die Ehegattin des Beschwerdeführers diesem gegenüber nicht ein. Mitte 1984 wurde über die GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Die Geschäftsführerbezüge des Beschwerdeführers wurden auch für die Streitjahre vorerst bei der Veranlagung zur Einkommensteuer als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt. Nach amtswegiger Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren wurden die angeführten Einkünfte jedoch in den neuen Sachbescheiden als solche aus selbständiger Arbeit gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG gewertet, weil der Beschwerdeführer im Hinblick auf die ihm eingeräumte Option 1981 als mit mindestens 50 vH beteiligt (vgl. verstärkter Senat E 9.12.1980, Zl. 1666/79, VwSlg. 5535 F/1980) und während der folgenden Jahre des Streitzeitraumes als wesentlich beteiligt im Sinne der zitierten Gesetzesstelle in der Fassung BGBl. 1981/620 angesehen werden müsse.

Die belangte Behörde begründete dies in dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid damit, es sei zwar entgegen der Ansicht des Finanzamtes wirtschaftliches Eigentum des Beschwerdeführers am Geschäftsanteil seiner Ehegattin nicht vorgelegen (vgl. Erkenntis vom 3. April 1984, Zl. 83/14/1043, = ÖStZB 1985, 36), jedoch sei ein Mißbrauch im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO gegeben. Die Option führe nämlich dazu, daß der Geschäftsanteil der Ehegattin ohne Rücksicht auf dessen durch etwaige Geschäftserfolge bedingten wahren Wert vom Beschwerdeführer jederzeit zum vereinbarten Abtretungspreis (Nominale) erworben werden könnte. Diese Konstruktion sei im Hinblick auf die steuerrechtlich unterschiedliche Behandlung nichtselbständiger und selbständiger Arbeit verständlich. Die Begründung des Beschwerdeführers, die Option hätte für den Fall einer Ehezerrüttung das betriebliche Engagement des Beschwerdeführers sichern sollen, sei nicht überzeugend, weil die Ehegattin noch vor Annahme der Option an Dritte hätte verkaufen können. Indiz für den Mißbrauch sei die zeitliche Nähe zwischen Erwerb des Geschäftsanteils durch die Ehegattin des Beschwerdeführers von ihrer Mutter einerseits und des Optionsvertrages zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin andererseits. Die Tatsache, daß die "getroffenen Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit betrachtet ohne die Erreichung eines abgabensparenden Effektes unverständlich erschienen", führe dazu, daß die eingeschlagene Gestaltungsmöglichkeit des bürgerlichen Rechtes für den Bereich des Abgabenrechtes nicht anerkannt werde. Vielmehr sei für diesen Bereich von der den wirtschaftlichen Verhältnissen angemessenen Gestaltung auszugehen, die zur Annahme des wirtschaftlichen Eigentums des Beschwerdeführers am Geschäftsanteil seiner Ehegattin von 63 vH führe.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Besteuerung seiner Geschäftsführerbezüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Gerichtshof hat schon wiederholt erkannt, daß eine Option auf den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH allein wirtschaftliches Eigentum an diesen nicht verschafft (vgl. das bereits oben zitierte Erkenntnis vom 3. April 1984, weiters Erkenntnis vom 13. Mai 1986, 85/14/0169, = ÖStZB 1987, 164, und Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, 86/14/0107, ÖStZB 1987, 246). Wirtschaftliches Eigentum an dem Geschäftsanteil seiner Ehegattin gewann der Beschwerdeführer daher durch die Option nicht. Hievon ist die belangte Behörde zu Recht ausgegangen. Es wird in der Beschwerde nicht in Frage gestellt.

Als Mißbrauch im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO ist eine rechtliche Gestaltung anzusehen, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet. Sowohl Mißbrauchshandlung als auch Mißbrauchsabsicht sind von der Behörde nachzuweisen (Verwaltungsgerichtshof 9. November 1972, 2061/71; Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Seite 56/57).

Zu Recht verweist der Beschwerdeführer in letzterem Zusammenhang darauf, daß bis zum Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1980, VwSlg. 5535 F/1980, die Judikatur dieses Gerichtshofes in Übereinstimmung mit dem Schrifttum dahin ging, daß die Zuordnung der Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unabhängig davon zu erfolgen habe, wie deren gesellschaftsrechtliche Stellung, insbesondere die Höhe ihres Geschäftsanteiles sei (vgl. die Judikatur- und Literaturhinweise in dem zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 9. Dezember 1980). Worauf die belangte Behörde ihre in der Gegenschrift geäußerte Meinung stützen zu können glaubt, ein Abgehen von dieser Judikatur durch das Erkenntnis des verstärkten Senates sei bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Optionsvertrages (17. Jänner 1980) zu erwarten gewesen, kann der Gerichtshof nicht erkennen. Es ist daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer und seine Vertragspartner im Zeitpunkt des Abschlusses des Optionsvertrages dessen Bedeutung im Hinblick auf die Einkunftsart der Geschäftsführerbezüge nicht erkennen konnten. Der Beschwerdeführer macht daher zu Recht geltend, es habe seinerzeit an der Mißbrauchsabsicht gefehlt.

Die belangte Behörde hat schon aus diesem Grund zu Unrecht in der seinerzeitigen Vertragsgestaltung einen Mißbrauch erblickt.

Abgesehen von dieser Beurteilung der subjektiven Seite des Mißbrauchstatbestandes, fehlt es auch an einem Sachverhalt, der es erlaubte, die Vertragsgestaltung als ungewöhnlich und unangemessen zu bezeichnen. Was an dem Erwerb des Geschäftsanteiles durch die Ehegattin des Beschwerdeführers von ihrer Mutter unangemessen oder ungewöhnlich gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Feststellungen zu diesem Rechtsgeschäft hat die belangte Behörde nicht getroffen. Die Ehegattin des Beschwerdeführers hatte ihren Geschäftsanteil nicht vom Beschwerdeführer, sondern von ihrer Mutter erworben. Bei der seitens der Ehegattin des Beschwerdeführers diesem eingeräumten Option handelt es sich daher nicht - wie etwa in den Fällen der hg. Erkenntnisse vom 3. April 1984, 83/14/0143, = ÖStZB 1985, 36, oder vom 26. September 1985, 85/14/0032, = ÖStZB 1986, 156 - um ein Rückabtretungsanbot.

Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die Option zur Erreichung des vom Beschwerdeführer angeführten außersteuerlichen Zweckes (Sicherung des Beschwerdeführers für den Fall der Ehezerrüttung) deshalb ungeeignet sei, weil die Ehegattin des Beschwerdeführers im Optionsvertrag nicht auch die Pflicht übernommen habe, Veräußerungen oder Verpfändungen ihres Geschäftsanteiles zu unterlassen. Schon allein durch das dem Beschwerdeführer eingeräumte Gestaltungsrecht war dieser jedenfalls für den Fall einer Ehezerrüttung rechtlich besser gestellt, als ohne Option, mag er auch immer noch das Risiko verspäteter Ausübung seines Gestaltungsrechtes zu tragen gehabt haben.

Was jedoch die Höhe des festgelegten Abtretungspreises anlangt, so läßt sich auf Grund des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes die Unangemessenheit nicht erkennen. Der Beschwerdeführer hatte in der Berufung vorgetragen, daß die GmbH während ihres Bestandes große Verluste erlitten habe, weshalb der Erwerb eines Geschäftsanteiles "wirtschaftlich nicht geboten erschien". Dieser Behauptung ist die belangte Behörde nicht entgegengetreten. Für sie bestanden somit keine Anhaltspunkte dafür, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers bei Abschluß des Optionsvertrages realistische Chancen gehabt hätte, einmal für ihren Geschäftsanteil mehr als das Nominale zu erhalten. Unangemessenheit des vereinbarten Abtretungspreises war daher nicht erkennbar.

Die belangte Behörde ist daher auch zu Unrecht davon ausgegangen, die objektive Seite des Mißbrauchstatbestandes sei verwirklicht.

Aber auch die von der belangten Behörde gezogenen Schlußfolgerungen aus dem von ihr angenommenen Mißbrauchsfall sind unrichtig:

Anerkennt man nämlich, wie dies die belangte Behörde getan hat, "die getroffenen Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit" für den Bereich des Abgabenrechtes nicht, so hätte dies zur Folge, daß keine Optionsvereinbarung vorläge, dem Beschwerdeführer also kein Gestaltungsrecht auf Übernahme des Geschäftsanteiles seiner Ehegattin zustünde, und - sollte sich die erwähnte Schlußfolgerung der belangten Behörde (sc: "Gesamtheit") auch auf die Übernahme des Geschäftsanteiles von 63 vH durch die Ehegattin des Beschwerdeführers von ihrer Mutter beziehen - abgabenrechtlich noch die Schwiegermutter des Beschwerdeführers als Eigentümerin des betreffenden Geschäftsanteiles angesehen werden müßte.

Liegt ein Mißbrauch im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO vor, so sind die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.

Wie die belangte Behörde aus der Nichtanerkennung der "eingeschlagenen Gestaltungsmöglichkeit" im Sinne der zuletzt zitierten Gesetzesbestimmung dazu gelangte, daß der Beschwerdeführer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen Eigentümer des Geschäftsanteiles seiner Schwiegermutter wurde, bleibt ebenso unerfindlich, wie die Behauptung der belangten Behörde in der Gegenschrift, allein die Anwendung des § 21 BAO (wirtschaftliche Betrachtungsweise) müsse zum selben Ergebnis führen, zu dem die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gelangt sei.

Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt erlaubt es nicht, den Beschwerdeführer allein auf Grund der Tatsache, daß seine Ehegattin einen Geschäftsanteil von ihrer Mutter erworben hatte und sie dem Beschwerdeführer hinsichtlich dieses Geschäftsanteiles eine unbefristete Option zum Erwerb um das Nominale eingeräumt hat, abgabgenrechtlich so zu behandeln, als ob er Eigentümer des betreffenden Geschäftsanteiles geworden wäre.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und hiedurch den Beschwerdeführer in seinen Rechten im Rahmen des Beschwerdepunktes verletzt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Das Aufwandersatzmehrbegehren (Beilagenstempel für zwei weitere Abschriften des angefochtenen Bescheides) war abzuweisen, weil gemäß § 28 Abs. 5 VwGG die Vorlage einer Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides genügte.

Wien, am 29. November 1988

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