VwGH 84/07/0047

VwGH84/07/004727.9.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Univ. Ass. Dr. Unterpertinger, in den Beschwerdesachen der V AKTIENGESELLSCHAFT in W, vertreten durch Dr. Harald FOGLAR-DEINHARDSTEIN und Dr. Andreas FOGLAR-DEINHARDSTEIN, Rechtsanwälte in Wien I, Plankengasse 7, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. April 1983, Zl. III/1-21440/44-83, und vom 11. August 1983, Zl. III/1-21.440/54-83, betreffend wasserpolizeiliche Duldungsaufträge, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
B-VG Art131a;
WRG 1959 §122 Abs1;
WRG 1959 §122 Abs5;
WRG 1959 §31 Abs3;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
B-VG Art131a;
WRG 1959 §122 Abs1;
WRG 1959 §122 Abs5;
WRG 1959 §31 Abs3;

 

Spruch:

Die Verfahren werden eingestellt.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 4. November 1982 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 3 und § 122 Abs. 1 WRG 1959 aufgetragen, an zwei näher bezeichneten Standorten auf in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken die Niederbringung von zwei Grundwassersonden sowie die Entnahme von Wasserproben aus diesen zum Zweck der Untersuchung des Wassers auf chlorierte Kohlenwasserstoffe zu dulden. Mit Bescheid vom 29. März 1983 trug dieselbe Behörde, gestützt auf dieselben Bestimmungen, der Beschwerdeführerin auf, die Niederbringung einer weiteren Grundwassersonde auf ihrem Grund und die Entnahme von Wasserproben aus dieser zum selben Untersuchungszweck zu dulden. In beiden Bescheiden wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Maßnahmen wurden im wesentlichen mit der Notwendigkeit begründet, Aufschluss über die Größe des Kontaminationsbereiches einer im Gebiet von Ternitz festgestellten Verunreinigung des Grundwassers mit chlorierten Kohlenwasserstoffen zu erhalten. Mit den Bescheiden vom 7. April 1983 und vom 11. August 1983 wies sodann der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufungen der Beschwerdeführerin gegen die genannten erstinstanzlichen Bescheide gemäß §§ 31 Abs. 3 und 122 WRG 1959 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und bestätigte jene vollinhaltlich.

Begründend wurden im erstgenannten Rechtsmittelbescheid nach einer Zusammenfassung des vorangegangenen Verwaltungsgeschehens zunächst die von der Berufungsbehörde eingeholten hydrologischen und ärztlichen Gutachten sowie die Stellungnahmen der Beschwerdeführerin wiedergegeben, ferner auf ein von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Lebensmittelforschung erstattetes Gutachten sowie auf Fachpublikationen Bezug genommen und die Voraussetzungen erörtert, von denen die Behörde erster Instanz bei ihrer Entscheidung ausgegangen war. Es wurde erklärt, der Beschwerdeführerin seien durch die Duldung der Niederbringung der Sonden keine konkreten Nachteile entstanden. Die Sachverhaltsermittlungen im Rechtsmittelverfahren hätten eine Bestätigung des erstinstanzlichen Verfahrensergebnisses erbracht. In rechtlicher Hinsicht verwies die Berufungsbehörde insbesondere auf § 31 und § 122 WRG 1959. Sie vertrat die Ansicht, dass eine Pflicht der Beschwerdeführerin zur Duldung der angeordneten Maßnahmen nicht allein auf § 31 WRG 1959 gegründet werden könne, weshalb schon von der Erstbehörde zu Recht § 122 Abs. 1 WRG 1959 angewendet worden sei. Zur Duldung der angeordneten Maßnahmen habe die Beschwerdeführerin verpflichtet werden dürfen, ohne dass man vorerst den Verursacher der aufgetretenen Grundwasserverunreinigung kenne. Es lasse sich auch aus der bescheidmäßigen Anordnung der Behörde erster Instanz nicht ableiten, dass etwa nur deswegen, weil die Sonden auf Grundstücken der Beschwerdeführerin niederzubringen seien, diese als Verursacherin der aufgetretenen Grundwasserverunreinigung angesehen werden könne oder müsse; vielmehr sei diese Anordnung nur zum Zweck einer Erhebung der Ausdehnung den des mit Kohlenwasserstoffen kontaminierten Grundwassers erfolgt, um sodann wirksame Maßnahmen zur Behebung der Verunreinigung treffen zu können. Im Hinblick auf die vom ärztlichen Amtssachverständigen erkannte besondere Gefährdung der Gesundheit von Menschen und die gebotene Dringlichkeit, den von der Kontamination betroffenen Grundwasserbereich kennen zu lernen, habe den Forderungen der Beschwerdeführerin, an die sie ihre Zustimmung zur Niederbringung der Sonden auf ihrem Grund geknüpft habe, nicht entsprochen werden können. Die Wasserrechtsbehörde habe sich zu Recht verpflichtet gesehen, die gegebene Verunreinigungsgefahr möglichst rasch wenigstens zu vermindern, wenn nicht zu beseitigen. Mit der aufgezeigten Gefahr sei auch eine Gefährdung des öffentlichen Wohles und bestehender Wasserversorgungsanlagen gegeben, was ein unverzügliches Einschreiten der Wasserrechtsbehörden geboten erscheinen lasse. Im Ortsgebiet von Ternitz bestünden Nutzwasser- und grundstromabwärts davon einzelne Trinkwasserversorgungsanlagen. Der Vorwurf einer Befangenheit des im erst- und im zweitinstanzlichen Verfahren tätig gewordenen hydrogeologischen Amtssachverständigen wurde zu Unrecht erhoben, da dieser an der Erlassung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft nicht mitgewirkt habe. Die von der Beschwerdeführerin beanstandete Fertigung des erstinstanzlichen Bescheides entspreche der Kanzleiordnung für die niederösterreichischen Landesdienststellen und dem Gesetz über die Organisation der Bezirkshauptmannschaften.

In der Begründung des Bescheides vom 11. August 1983 bezog sich der Landeshauptmann zunächst auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 4. November 1982 und die hierauf in Angriff genommenen Arbeiten, auf Grund deren der hydrogeologische Amtssachverständige nun eine weitere Bohrung für notwendig erachtet habe. Dementsprechend laute der mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 29. März 1983 erteilte Auftrag. In der weiteren Begründung wurde sodann ebenfalls auf das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Lebensmittelforschung und die schon im erstgenannten Berufungsbescheid erwähnten Publikationen hingewiesen. Auch im vorliegenden Fall gelangte die Rechtsmittelbehörde sachverhaltsmäßig zum selben Ergebnis wie die Behörde erster Instanz. Die rechtlichen Ausführungen decken sich im wesentlichen mit jenen des Bescheides vom 7. April 1983.

Die beiden Berufungsbescheide bekämpfte die Beschwerdeführerin zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung ihrer Beschwerden jedoch mit Beschluss vom 24. November 1983, B 308/83, B 628/83, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Vor diesem Gerichtshof macht die Beschwerdeführerin in Bezug auf beide angefochtenen Bescheide Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachtet sich in beiden Fällen in dem Recht verletzt, die angeordnete Niederbringung von zwei Sonden bzw. einer solchen auf ihrem Grund und die Entnahme von Wasserproben aus diesen für den angegebenen Zweck ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht dulden zu müssen.

Die belangte Behörde erstattete je eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbundenen Beschwerden erwogen:

Zunächst ist auf den Einwand der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte ein behauptetermaßen darin gelegenes fehlerhaftes Verhalten der Bezirksverwaltungsbehörde, dass deren Bescheide nicht der Bezirkshauptmann selbst genehmigt und unterfertigt habe, was nichtige Bescheide bzw. Nichtbescheide zur Folge gehabt hätte, unbeachtet gelassen, zu erwidern, dass dieser Vorwurf den vom Bezirkshauptmann selbst genehmigten erstinstanzlichen Bescheid vom 29. März 1983 nicht trifft (insofern ist auch die Begründung des angefochtenen Bescheides vom 11. August 1983 unrichtig), im übrigen hiedurch den die Form der Bescheide betreffenden Bestimmungen des § 58 Abs. 3 und § 18 Abs. 4 AVG 1950 nicht zuwidergehandelt wurde und auch sonst ein stichhaltiger Grund nicht vorliegt, den vom Genehmigenden nach den internen Dienstvorschriften auf der Grundlage des Niederösterreichischen Landesgesetzes vom 12. Oktober 1978 über die Organisation der Bezirkshauptmannschaften, LGBl. 0150-0, für den Bezirkshauptmann gefertigten Bescheid nicht der bezeichneten Bezirksverwaltungsbehörde zuzurechnen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Februar 1985, Slg. 10.338, und die dort angeführte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und Verwaltungsgerichtshofes).

In der Sache selbst wurden die durch die angefochtenen Bescheide bestätigten Bescheide der Bezirkshauptmannschaft jeweils auf §31 Abs. 3 und § 122 Abs. 1 WRG 1959 gestützt. Die gleichzeitige Anwendung dieser beiden Vorschriften entspricht jedoch nicht dem Gesetz. Wenn nämlich Gefahr im Verzug ist und sie es nicht mehr zulässt, die in § 31 Abs. 3 WRG 1959 erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen, sind diese nach dem ersten Satz derselben Bestimmung von der Wasserrechtsbehörde unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Damit wird aber unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 131a B-VG) ausgeübt, die weder in Bescheidform zu kleiden noch mit einer einstweiligen Verfügung nach § 122 WRG 1959 zu verbinden ist.

Ohne dass nun hierauf weiter einzugehen war oder noch zu untersuchen wäre, ob bei der gegebenen Sachlage - insbesondere dem Fehlen eines bekannten "Verpflichteten" (zu diesem Begriff im Sinne des § 31 WRG 1959 siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 1979, Zl. 580/79) - gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 vorgegangen werden durfte - eine Pflicht zum Kostenersatz, die der Beschwerdeführerin auch gar nicht auferlegt wurde, kann nach dieser Gesetzesstelle denjenigen, der lediglich als Dritter eine angeordnete Maßnahme zu dulden hat, jedenfalls nicht treffen -, ist in den Beschwerdefällen davon auszugehen, dass die belangte Behörde, wie spruchmäßig durch den Hinweis (auch) auf § 122 WRG 1959 zum Ausdruck gebracht, eine einstweilige Verfügung erlassen hat, die mangels ausdrücklicher Befristung nach § 122 Abs. 5 WRG 1959 mit Ablauf eines Jahres, vom Tag ihrer Rechtskraft an gerechnet - in den Beschwerdefällen somit bereits im April bzw. August 1984 - außer Kraft getreten ist.

Damit sind die beiden Beschwerden gegenstandslos geworden, was gemäß § 33 Abs. 1 VwGG zur Einstellung der Verfahren zu führen hatte, ohne dass ein Aufwandersatz zuzusprechen war (siehe dazu die nähere Begründung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1986, Zl. 84/07/0183, und in dessen Beschluss vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A, ferner den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1983, Slg. 9644).

Wien, am 27. September 1988

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