VwGH 87/07/0012

VwGH87/07/001215.9.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Teissl, über die Beschwerde des

1.) FK und der 2.) MK, beide in F, vertreten durch Dr. Ernst Greger, Rechtsanwalt in Oberndorf, Färberstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 28. November 1986, Zl. 510.183/01-I 5/84, betreffend Feststellung einer Dienstbarkeit nach dem Wasserrechtsgesetz (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Frankenmarkt in Frankenmarkt), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52 Abs1;
AVG §52 Abs2;
AVG §68 Abs1;
VVG §1 Abs1;
VVG §10 Abs2 lita;
VVG §5;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WRG 1959 §111 Abs4;
WRG 1959 §63 litb;
AVG §52 Abs1;
AVG §52 Abs2;
AVG §68 Abs1;
VVG §1 Abs1;
VVG §10 Abs2 lita;
VVG §5;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WRG 1959 §111 Abs4;
WRG 1959 §63 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das sämtlichen Parteien des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugegangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1980, Zlen. 2559, 2560/79 = Slg. Nr. 10.021/A, hingewiesen.

Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die im Instanzenweg durch den Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) bestätigte Verhängung einer Zwangsstrafe gemäß § 5 VVG 1950, durch die der Widerstand der Beschwerdeführer gegen die Errichtung eines wasserrechtlich bewilligten Kanalstranges auf ihrem Grundstück Nr. nnn/n KG. Frankenmarkt überwunden werden sollte, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Begründend vertrat der Verwaltungsgerichtshof dazu im wesentlichen die Auffassung, daß zwar die gesetzliche Fiktion, daß eine erforderliche Dienstbarkeit bei Vorliegen der im § 111 Abs. 4 WRG 1959 bestimmten Voraussetzungen als eingeräumt anzusehen sei, zur Annahme des Bestandes einer Dienstbarkeit berechtige, daß aber eine Duldungsverpflichtung nicht Inhalt des zu vollstreckenden wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides gewesen sei. Notwendige Voraussetzung einer Vollstreckungsverfügung sei ein Titelbescheid, welcher die zu vollstreckende Leistung oder Verpflichtung eindeutig bestimme. Die Vollstreckungsbehörde habe daher nicht auf der Grundlage des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides bereits eine Vollstreckungsverfügung erlassen dürfen, ohne daß zuvor die zuständige Wasserrechtsbehörde mit Bescheid festgestellt habe, daß für die bewilligte Anlage Grund in einem für die Betroffenen unerheblichen Ausmaß, das nun bestimmt zu bezeichnen sei, in Anspruch genommen werde. Hiebei sei in der Begründung dieses Bescheides gegebenenfalls zu klären, daß weder von den Grundeigentümern Einwendungen erhoben noch von diesen oder vom Wasserberechtigten ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit gemäß § 63 lit. b WRG 1959 gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden sei und sohin ein Verpflichtungsgrund gegen die betroffenen Grundeigentümer vorliege; denn nur die Bewilligungsbehörde könne feststellen, ob die Voraussetzungen in dem von ihr durchgeführten Bewilligungsverfahren erfüllt worden seien. Habe die Bewilligungsbehörde diese Feststellungen getroffen und wolle der Berechtigte von seiner Bewilligung im Wege behördlicher Vollstreckung Gebrauch machen, dann habe die Bewilligungsbehörde die als Exekutionstitel geeignete Vollziehungsverfügung zu erlassen. Erkenne aber die Bewilligungsbehörde, daß die Voraussetzungen des § 111 Abs. 4 WRG 1959 nicht vorlägen, dann könne der Wasserberechtigte das bewilligte Vorhaben nur verwirklichen, wenn ihm bescheidmäßig das erforderliche Zwangsrecht eingeräumt worden sei.

Auf Grund dieses aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes erließ der LH am 1. August 1980 einen Ersatzbescheid, mit welchem nunmehr in Stattgebung der Berufung der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Verhängung einer Zwangsstrafe ersatzlos behoben wurde.

Bereits zuvor hatte der LH als Bewilligungsbehörde ein Gutachten des (Privat-)Sachverständigen Dipl.-Ing. EN zur Frage eingeholt, ob die Grundinanspruchnahme durch die Kanalverlegung auf dem Grundstück der Beschwerdeführer als unerheblich im Sinne des § 111 Abs. 4 WRG 1959 anzusehen ist. In diesem am 11. Juli 1980 erstatteten Gutachten ging der Sachverständige davon aus, daß nach dem bewilligten Projekt auf dem Grundstück Nr. nnn/n ein Nebenstrang der Kanalisation von Frankenmarkt mit einem Durchmesser von 25 cm und einer Länge von ca. 145 lfm und die Kontrollschächte Nr. 131 bis 135 errichtet werden sollten; die Künettenaushubtiefe betrage ca. 2,5 m. Der Kanalstrang komme zum Teil auf einen in der Natur vorhandenen Weg, zum Teil in eine Wiese zu liegen. Die weitere Verwendung des betroffenen Grundstücksteiles als Weg bzw. Wiese werde durch die Verlegung nicht eingeschränkt. Im Zuge der Errichtung und Wartung des Kanalstranges verursachte Flurschäden müßten allerdings entsprechend vergütet, die beanspruchten Flächen wieder rekultiviert und die durch die Kontrollschächte entstehenden Behinderungen angemessen entschädigt werden. Auf Grund der gegebenen Verhältnisse sei zusammenfassend festzustellen, daß der gegenständliche Kanalstrang das betreffende Grundstück in einem für die Beschwerdeführer unerheblichen Ausmaß in Anspruch nehme.

In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten vom 20. August 1980 lehnten die Beschwerdeführer den Sachverständigen als befangen ab, weil er ständig von der mitbeteiligten Gemeinde (MB) beschäftigt werde, was für ihn sehr einträglich sei. Das Gutachten sei auch inhaltlich unzutreffend, und zwar insbesondere deshalb, weil es sich nur mit dem Kanalstrang zwischen den Schächten Nr. 131 und 135, nicht aber mit der gesamten Inanspruchnahme des Grundstücks der Beschwerdeführer durch das Vorhaben der MB befasse. Von einer nur unerheblichen Grundinanspruchnahme könne deshalb keine Rede sein,

"weil das gegenständliche Kanalprojekt an der Südgrenze unseres Grundstückes nnn/n den Grund in einer Länge von 150 lfm, an der Nordseite ... in einer Länge von 40 lfm in Anspruch nimmt und an der Nordseite außerdem durch ein Regenentlastungsbauwerk stark beansprucht und total entwertet wird. Insgesamt werden ca. 6.000 m Grundfläche unseres Grundstückes nnn/n beansprucht. So wird beispielsweise bei jedem stärkeren Gewitterregen oder längeren Regenfällen dieses Regenentlastungsbauwerk automatisch in Betrieb gesetzt, wobei durch das Kanalrohr 1.800 Liter Abwässer pro Sekunde in den B-bach eingeleitet werden. In diesem Zusammenhang muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß es sich bei dem B-bachbett um unseren Privatgrund und auch um unser Privatgewässer handelt. Bei Inbetriebsetzung des Regenentlastungsbauwerkes wird die Wasserqualität unseres Privatgewässers schwer beeinträchtigt. Unser B-bach weist ein zu geringes Fassungsvermögen auf, um die anfallenden Abwassermengen abzutransportieren, sodaß als logische Folgeerscheinung unser Grundstück nnn/n mehrmals im Jahre in einem Ausmaß von 1 Hektar überschwemmt wird.

Wir erleiden dadurch immensen Schaden; ..."

Außerdem stellten die zahlreichen Kanalschächte eine dauernde Behinderung dar. Ferner sei unberücksichtigt geblieben, daß durch die Kanalverlegung zahlreiche Bäume entfernt werden müßten.

Mit Spruchpunkt I. seines Bescheides vom 18. Dezember 1981 stellte sodann der LH fest,

"daß die mit der Errichtung und dem Bestand des mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von O.Ö. vom 15.12.1969 ... in der Fassung des Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 13.4.1970 ... wasserrechtlich bewilligten Nebenkanales der Ortskanalisation Frankenmarkt-Nord zwischen den Schächten 49 und 135 bei projekts- und bewilligungsgemäßer Ausführung verbundene Inanspruchnahme des Gst.Nr. nnn/n, KG.

Frankenmarkt, für die Grundeigentümer ... unerheblich ist, auch im

Zeitpunkt der Rechtskraft der vorzitierten Bescheide unerheblich war und deshalb in Ermangelung eines ausdrücklichen Dienstbarkeitsvertrages, einer Dienstbarkeitsvereinbarung oder einer Einwendung gegen die Inanspruchnahme dieses Grundstückes, jeweils bezogen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft dieser Bescheide, mit der Rechtskraft dieser Bescheide die Legaldienstbarkeit der Errichtung und des Bestandes dieses Nebenkanales zu Lasten des Grundstückes Nr. nnn/n, KG. Frankenmarkt, und deren jeweiliger Eigentümer im Sinne des § 63 lit. b WRG 1959 zu Gunsten der Marktgemeinde Frankenmarkt in dem durch diese Bescheide und das diesen Tatsachen zugrundeliegende Projekt vorgegebenen Umfang als eingeräumt anzusehen ist.

Demgemäß wird zum Zwecke der zwangsweisen Durchsetzung dieser Dienstbarkeit zu Gunsten der dienstbarkeitsberechtigten Marktgemeinde Frankenmarkt ... festgestellt, daß die derzeitigen Eigentümer des Gst. Nr. nnn/n ... verpflichtet sind, die Errichtung und den Bestand des Nebenkanales der Ortskanalisation Frankenmarkt-Nord zwischen den Schächten 49 und 135 in dem der ... wasserrechtlichen Bewilligung und dem ...

zugrundeliegenden Projekt entsprechenden Umfang ... zu dulden."

In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wies der LH den Ablehnungsantrag der Beschwerdeführer gegen den beigezogenen Sachverständigen gemäß § 53 AVG 1959 ab.

Begründend bezog sich der LH im wesentlichen auf das von ihm eingeholte Gutachten. Die diesem Gutachten entgegengehaltene Äußerung der Beschwerdeführer sei nicht geeignet gewesen, bei der Behörde Zweifel an der fachlichen Richtigkeit des Sachverständigengutachtens zu erwecken. Dies insbesondere deshalb, weil aus dieser Stellungnahme nicht geschlossen werden könne, daß andere als subjektive Momente für die Beurteilung durch die Beschwerdeführer maßgebend gewesen wären. Ein objektiv untermauertes Gegengutachten hätten die Beschwerdeführer nicht beigebracht. Der Feststellungsbescheid und die den Beschwerdeführern gegenüber ausgesprochene Duldungsverpflichtung sollten im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1980 der Ermöglichung eines Verwaltungsvollstreckungsverfahrens dienen. Eine Befangenheit des Sachverständigen hätten die Beschwerdeführer nicht glaubhaft und wahrscheinlich gemacht, ihr diesbezüglicher Antrag sei daher nicht im Sinne des § 53 AVG 1950 begründet.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwiesen die Beschwerdeführer insbesondere auf ihr Vorbringen in der Stellungnahme vom 20. August 1980; demnach sei der LH zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, die Inanspruchnahme des Grundes der Beschwerdeführer sei unerheblich. Es wäre daher eine Dienstbarkeit nicht einzuräumen und es wären die Beschwerdeführer auch zu keiner Duldung zu verpflichten gewesen. Die Beschwerdeführer hielten auch ihr Vorbringen zur behaupteten Befangenheit des Sachverständigen aufrecht.

Die belangte Behörde forderte am 11. August 1983 den in erster Instanz beigezogenen Sachverständigen zur Ergänzung seines Gutachtens auf. In diesem Ergänzungsgutachten vom 15. November 1983 hielt der Sachverständige seine Auffassung aufrecht und verwies auch auf die in § 111 Abs. 4 WRG 1959 enthaltene Regelung betreffend die Entschädigungsansprüche.

Zu diesem Ergänzungsgutachten nahmen die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 10. April 1984 ausführlich im Sinne ihres schon bis dahin vertretenen Standpunktes Stellung, und zwar insbesondere durch Hinweise auf die Gesamtinanspruchnahme ihres Grundstückes Nr. nnn/n durch das Projekt der MB.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. November 1986 hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 AVG 1950 nicht Folge gegeben. Begründend ging die belangte Behörde dabei nach Darlegung des Verfahrensverlaufes von der Bestimmung des § 111 Abs. 4 WRG 1959 und von den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem schon mehrfach erwähnten Erkenntnis vom 24. Jänner 1980 aus. Danach habe die Bewilligungsbehörde festzustellen, ob die Voraussetzungen nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle im Bewilligungsverfahren erfüllt worden seien. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes sei es zulässig, auch nachträglich eine behördliche Feststellung gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 treffen, um gebenenfalls eine Exekutionsführung durch den Konsenswerber zu ermöglichen. Der LH habe daher zutreffend auf sachverständiger Ebene geprüft, ob mit der projekts- und bewilligungsgemäßen Errichtung des Nebenkanales in einer Länge von ca. 150 m zwischen den Schächten 49 und 135 auf dem Grundstück Nr. nnn/n objektiv eine für die Beschwerdeführer über einem unerheblichen Ausmaß liegende Grundinanspruchnahme verbunden sei. Dies habe der beigezogene Sachverständige, und zwar auch unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Regelung der Entschädigungsansprüche der Beschwerdeführer, verneint. Die gegen das eingeholte Gutachten erhobenen Einwendungen seien nicht geeignet, die Tatsache in Frage zu stellen, daß man es hier mit einer unerheblichen Grundinanspruchnahme zu tun habe. Die Einholung dieses Gutachtens sei zulässig, im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes sogar unumgänglich gewesen. Einen Grund zur Annahme einer Befangenheit des auch nach Ansicht der belangten Behörde überaus qualifizierten Sachverständigen hätten die Beschwerdeführer weder glaubhaft noch wahrscheinlich gemacht; sein schlüssiges Gutachten sei durch die Behauptungen der Beschwerdeführer nicht widerlegt. Aber auch die sonstigen Voraussetzungen gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 seien erfüllt. Die Beschwerdeführer hätten sich im Bewilligungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Vorhaben der MB einverstanden erklärt, durch entsprechende Bedingungen und Auflagen in dem im Instanzenzug ergangenen Bewilligungsbescheid sei sämtlichen von den Beschwerdeführern erhobenen Forderungen Rechnung getragen worden. In den Akten finde sich auch kein Anhaltspunkt dafür, daß von den Beschwerdeführern oder von der MB ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit. b WRG 1959 gestellt oder eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden wäre. Dies bedeute aber, daß alle nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 erforderlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt und somit die für das Vorhaben der MB notwendigen Legaldienstbarkeiten als eingeräumt anzusehen seien. Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen, insbesondere daß nachträglich die vorgeschriebenen Bedingungen von der MB nicht erfüllt worden wären, sowie nachträglich Anträge auf Einräumung eines Zwangsrechtes gestellt worden seien, gingen ins Leere, weil entscheidungsrelevant nur sein könne, daß im Zeitpunkt der Rechtskraft des Bescheides des LH vom 15. Dezember 1969 in der Fassung des Berufungsbescheides vom 13. April 1970 die Voraussetzungen für die Anwendung des § 111 Abs. 4 WRG 1959 gegeben gewesen seien.

Dies sei spruchgemäß festzustellen und eine dementsprechende Vollziehungsverfügung zu erlassen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der angefochtene Bescheid verletze Rechte der Beschwerdeführer einerseits dadurch, daß er gegen die formelle und materielle Rechtskraft des seinerzeitigen Bewilligungsbescheides verstoße, und andererseits dadurch, daß über Einwendungen der Beschwerdeführer nicht entschieden und Sachanträge der Beschwerdeführer nicht erledigt worden seien.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die MB hat sich in ihrer Gegenschrift den Entscheidungsgründen im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich angeschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 ist mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung, wenn sich im Verfahren ergeben hat, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt und weder vom Grundeigentümer eine Einwendung erhoben noch von diesem oder vom Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit. b WRG 1959 gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden ist, die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne des § 63 lit. b als eingeräumt anzusehen.

Im Beschwerdefall hat der längst in Rechtskraft erwachsene Bescheid, mit welchem das Vorhaben der MB wasserrechtlich bewilligt wurde, keinen ausdrücklichen Ausspruch über eine zugunsten der MB bzw. zu Lasten des Grundstückes Nr. nnn/n der Beschwerdeführer als im Sinne des § 111 Abs. 4 WRG 1959 eingeräumt anzusehende Dienstbarkeit enthalten. Da dieser Bescheid somit die zu vollstreckende Leistung oder Verpflichtung nicht eindeutig bestimmte, erwies er sich in der Folge im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 1980, Zlen. 2559, 2560/79, als Titelbescheid für eine Exekutionsführung gegen die Beschwerdeführer untauglich.

Die Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 im Falle der Inanspruchnahme von Grund der Beschwerdeführer durch das Vorhaben der MB zugetroffen haben und ob demnach ein dementsprechender Titelbescheid nachträglich erlassen werden konnte, war daher Gegenstand des auf Grund des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes fortgesetzten Verfahrens (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1976, Zl. 1425/76 = Slg. Nr. 9193/A). Ausgehend von diesen Erwägungen sind die Beschwerdeausführungen, wonach die Bewilligungsbehörde nur mehr feststellen hätte dürfen, daß diese Voraussetzungen bereits im Zuge des seinerzeitigen Bewilligungsverfahrens vorgelegen seien, nicht aber, ob überhaupt eine unerhebliche Grundinanspruchnahme vorliege, nicht recht verständlich. Hat doch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis keinen Zweifel daran gelassen, daß das Ergebnis der von ihm verlangten Verfahrensergänzung auch dahin lauten konnte, daß die Voraussetzungen für die Annahme der Einräumung einer Dienstbarkeit gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 nicht erfüllt gewesen seien und daher die MB das bewilligte Vorhaben ohne bescheidmäßige Einräumung eines Zwangsrechtes nicht verwirklichen könne. Dieser Prüfung stand die Rechtskraft des Bewilligungsbescheides nicht entgegen, weil dieser Bescheid gerade zur Frage einer allfälligen Dienstbarkeit zu Lasten des Grundstückes Nr. nnn/n der Beschwerdeführer keine klare Aussage enthalten hat.

Die Wasserrechtsbehörden beider Instanzen haben zur Klärung des streitgegenständlichen Sachverhaltes zu Recht die Einholung eines einschlägigen Sachverständigengutachtens für erforderlich erachtet. Allerdings hatten sie sich zufolge der unmißverständlichen Anordnung des § 52 AVG 1950 der ihnen beigegebenen oder zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen zu bedienen. Nur ausnahmsweise kann die Behörde andere geeignete Personen als Sachverständige heranziehen und beeiden, nämlich dann, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten erscheint. Was den LH veranlaßt hat, einen nichtamtlichen Sachverständigen zu bestellen, läßt sich den Akten nicht entnehmen. Auch ungeachtet der von den Beschwerdeführern gegen die Person des Sachverständigen erhobenen Einwände ist der angefochtene Bescheid daher schon deshalb mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil ihm ohne ersichtlichen Grund und entgegen der gesetzlichen Anordnung das Gutachten eines nichtamtlichen Sachverständigen zugrundeliegt und nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid gekommen wäre (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Mai 1969, Slg. Nr. 7567/A, vom 30. Juni 1969, Slg. Nr. 7615/A, und vom 3. März 1987, Zl. 85/07/0343)

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich noch zu dem Hinweis veranlaßt, daß den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen ist, daß Dipl.-Ing. N überhaupt bescheidmäßig zum Sachverständigen bestellt wurde, und in welchem Umfang ihm die Behörde einen Auftrag zur Begutachtung erteilt hat.

Einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesem Grunde geht aber jene wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes vor, welche aus den nachstehenden Erwägungen abzuleiten ist:

Die Beschwerdeführer haben im Verwaltungsverfahren immer wieder darauf hingewiesen und auch in ihrer Beschwerde geltend gemacht, daß die zugunsten der MB bewilligte Anlage ihr Grundstück nicht nur an der Südgrenze in Anspruch nimmt. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz vom 20. August 1980 wurden oben im Zuge der Sachverhaltsdarstellung wörtlich wiedergegeben. Die Wasserrechtsbehörden beider Instanzen sind auf dieses Vorbringen überhaupt nicht eingegangen und haben sich als Begründung für dieses Vorgehen mit dem Hinweis begnügt, die Behauptungen der Beschwerdeführer seien nicht geeignet, das eingeholte Gutachten zu entkräften.

Offenbar haben die Behörden dieses Vorbringen der Beschwerdeführer für rechtlich unerheblich angesehen, denn auch der von der belangten Behörde bestätigte Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nahm nur auf die Errichtung und den Bestand "des Nebenkanales der Ortskanalisation Frankenmarkt-Nord zwischen den Schächten 49 und 135" (dieser Nebenkanal verläuft entlang der Südgrenze des Grundstückes Nr. nnn/n) Bezug. Nach dem bewilligten Projekt (Lageplan und Verzeichnis der berührten Grundstücke) wird das genannte Grundstück jedoch in einem weiteren Ausmaß durch Anlagen betroffen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Beschwerdeführer, daß die im Beschwerdefall eingeschrittenen Behörden insoweit die Rechtslage verkannt haben. § 111 Abs. 4 WRG 1959 setzt nämlich nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt. Eine Prüfung der Grundinanspruchnahme in Ansehung lediglich des genannten Nebenkanales an der Südgrenze reichte daher für die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Einräumung einer Dienstbarkeit und die darauf gegründete Duldungsverpflichtung nicht aus; es war vielmehr auch die behauptete Inanspruchnahme desselben Grundstückes der Beschwerdeführer durch andere Anlagenteile des Vorhabens der MB zu prüfen und gegebenenfalls in das weitere Verfahren einzubeziehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei von der von den Beschwerdeführern beantragten Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2, 53 und 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 15. September 1987

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte