VwGH 87/06/0053

VwGH87/06/005315.10.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Ortmayr, über die Beschwerde des PS in G, vertreten durch Dr. Hans Paar, Rechtsanwalt in Graz, Kaiserfeldgasse 29, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. März 1987, Zl. 03-12 Ste 28-87/19, betreffend einen Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Stmk 1968 §73 Abs2;
BauRallg impl;
BauO Stmk 1968 §73 Abs2;
BauRallg impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesland Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.610,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. April 1980 hatte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz die Einstellung von Bauarbeiten auf dem Grundstück Nr. 744, KG X, betreffend "Umbauten im Erdgeschoß des Wohnhauses sowie Errichtung eines Wohn- bzw. Wirtschaftsraumes auf der bestehenden westl. Terrasse" verfügt. Gleichzeitig war angeordnet worden, die ohne baubehördliche Bewilligung hergestellten Bauten binnen drei Wochen zu beseitigen. Dieser an den Beschwerdeführer gerichtete Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Verwaltungsakt vom 31. Juli 1980 drohte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz dem Beschwerdeführer die Ersatzvornahme des genannten Beseitigungsauftrages an, wobei hier von einem ohne baubehördliche Bewilligung hergestellten Zubau die Rede ist. Mit einem Schreiben des Magistrates Graz vom 19. September 1980 wurde ein Amtssachverständiger ersucht, die Kosten der noch nicht durchgeführten Arbeiten für jeden Punkt getrennt festzustellen und zwecks Weiterführung des Ersatzvornahmeverfahrens bekannt zu geben. In seiner Äußerung vom 16. Oktober 1980 bezeichnete der Sachverständige die Kosten "der im Bescheid vom 11.4.1980" aufgetragenen Arbeiten mit rund S 84.000,-- (eine nähere Aufgliederung oder Begründung erfolgte nicht).

Mit Verwaltungsakt vom 22. Oktober 1980 erließ der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz den Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme im Ausmaß von S 84.000,--. Auch hier wurde als Gegenstand der durchzuführenden Maßnahmen die Beseitigung eines Zubaues genannt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und ersuchte um Aufschiebung der Vollstreckungsverfügung, da ein Ansuchen um Baubewilligung und Widmungsbewilligung eingereicht worden sei (ein Ansuchen betreffend Bau- und Widmungsbewilligung war in der Zwischenzeit tatsächlich eingebracht worden).

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 11. März 1987 wies die Steiermärkische Landesregierung die Berufung als unbegründet ab. Die Vollstreckungsbehörde zweiter Instanz vertrat in der Begründung die Auffassung, der maßgebliche Sachverhalt habe keine Änderung erfahren, die bloße Anhängigkeit eines Ansuchens um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung für ein konsenslos errichtetes Gebäude stelle keinen Hinderungsgrund für die Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens dar. Es liege somit keine Unzulässigkeit der Vollstreckung vor. Die mangelnde Übereinstimmung der Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid sei weder eingewendet worden noch liege diese vor.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt, dass seit dem Jahre 1980 ein Widmungs- und Baubewilligungsverfahren anhängig sei und es daher nicht nur rechtswidrig, sondern auch wirtschaftlich völlig unsinnig wäre, das Vollstreckungsverfahren durchzuführen. Der Beschwerdeführer beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

 

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Frage, ob ein baupolizeilicher Beseitigungsauftrag trotz der Anhängigkeit eines Ansuchens um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung vollstreckt werden darf, ist weder in der Steiermärkischen Bauordnung noch im VVG 1950 ausdrücklich geregelt. Zum Unterschied zu anderen Bauordnungen hat der Steiermärkische Landesgesetzgeber - ähnlich wie der Wiener Landesgesetzgeber - die Baubehörde bei der Erlassung eines Abtragungsauftrages nicht zur Prüfung verpflichtet, ob auf Grund der konkreten Sach- und Rechtslage die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung in Betracht kommt oder nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass ein Beseitigungsauftrag nach § 73 der Steiermärkischen Bauordnung auch bei Anhängigkeit eines Baubewilligungsverfahrens zulässig ist, dieser Auftrag jedoch erst nach Abschluss des Baubewilligungsverfahrens vollstreckt werden darf (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Jänner 1984, Zl. 83/06/0248, u. a., Bauslg. Nr. 174). In gleicher Weise hat der Gerichtshof die Rechtslage nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien beurteilt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. März 1985, Zl. 81/05/0092, BauSlg. Nr. 401, und die darin angeführte Rechtsprechung). Den Sinn dieser Rechtsprechung hat der Beschwerdeführer zutreffend dahin gehend zusammengefasst, dass es vollkommen unsinnig wäre, trotz eines anhängigen Baubewilligungsverfahrens einen Beseitigungsauftrag einer Vollstreckung zuzuführen, ohne auch nur auf das anhängige Bewilligungsverfahren Bezug nehmen zu müssen. Die Richtigkeit dieser Auffassung hat offensichtlich nunmehr auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift anerkannt, weil sie nunmehr versucht darzutun, dass Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens in Wahrheit ein vom Vollstreckungsverfahren verschiedenes Objekt sei. Mit diesem Vorbringen übersieht die belangte Behörde, dass eine allenfalls zutreffende Begründung nicht in der Gegenschrift nachgetragen werden kann, zumal in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich der vom Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung verworfene Standpunkt eingenommen worden war, ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren sei kein Hindernis für die Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens.

Da schon auf Grund dieser irrigen Rechtsansicht der belangten Behörde der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben war, erübrigte sich eine weitere Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung einer den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Umsatzsteuer sowie Stempelgebühren für eine dritte, nicht erforderliche Beschwerdeausfertigung samt Beilagen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 15. Oktober 1987

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