VwGH 87/05/0129

VwGH87/05/012915.12.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der XY OHG in H, vertreten durch Dr. Wolfgang Pils, Rechtsanwalt in Linz, Graben 19, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. Mai 1987, Zl. Bau-H-I-3246/1-1986/Gu/Rb, betreffend die Zulassung bestimmter Baustoffe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO OÖ 1976 §23;
BauO OÖ 1976 §24;
BauO OÖ 1976 §43;
BauRallg;
BauV OÖ 1985 §102 Abs1;
BauV OÖ 1985 §102;
BauV OÖ 1985 §103 Abs1;
BauV OÖ 1985 §103 Abs2;
BauV OÖ 1985 §103;
VwRallg;
AVG §13 Abs3;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO OÖ 1976 §23;
BauO OÖ 1976 §24;
BauO OÖ 1976 §43;
BauRallg;
BauV OÖ 1985 §102 Abs1;
BauV OÖ 1985 §102;
BauV OÖ 1985 §103 Abs1;
BauV OÖ 1985 §103 Abs2;
BauV OÖ 1985 §103;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 19. Juni 1986 begehrte die Beschwerdeführerin die allgemeine Zulassung nach § 102 OÖ Bauordnung (richtig: Bauverordnung) von ihr importierter und als Baustoffhändler vertriebener, in Beilagen angeführte Ziegel sowie deren Aufnahme in die vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung herausgegebene Ziegelklassetabelle. Hiebei handelt es sich um so genannte Poroton-Ziegel in sechs verschiedenen Formaten.

Das bautechnische Institut in Linz, eine staatlich autorisierte Versuchs- und Forschungsanstalt für Baustoffe und Baukonstruktionen, überprüfte die einzelnen Formate nach Druckfestigkeit, Masse, Außenstegdicke, Ziegeldichte, Scherbendichte und Saugvermögen und kam zu verschiedenen im einzelnen angegebenen Werten. Ein hochbautechnischer Amtssachverständiger des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung gelangte auf Grund dieser Prüfergebnisse in seinem Gutachten vom 29. Dezember 1986 zu der Auffassung, dass die Ziegel hinsichtlich vier bestimmter Formate die Prüfung nach bestimmten Richtlinien bestanden hätten, die Ziegel zweier Formate jedoch nicht. Obwohl hinsichtlich dieser Formate der Antrag zurückgezogen worden sei - diese Zurückziehung erfolgte ausdrücklich mit dem im Akt erliegenden Antrag vom 22. Dezember 1986 -, forderte der Amtssachverständige, wenngleich ohne nähere Begründung, auch den geänderten Antrag abzulehnen. Es wurde nur ganz allgemein ausgeführt, dass bei nichtporosierten Ziegeln nach den Erfahrungen der letzten Jahre die mittlere Druckfestigkeit immer höher als ein bestimmter genannter Wert liege, sodass es aus technischer Sicht nicht sinnvoll sei, den zulässigen Variationskoeffizienten in Abhängigkeit von der Ziegelart (porosiert oder nichtporosiert) festzusetzen. Aus diesem Grund sei auch die technische Richtlinie, die als Grundlage zur Erteilung eines Bescheides für eine allgemeine Zulassung herangezogen werde, "gekennzeichnete Ziegel mit garantierter Festigkeit" im Jahre 1986 neuerlich abgeändert worden. Dieser Änderung würden die beiden genannten Ziegelformate nicht entsprechen. Bereits in einem Aktenvermerk vom 9. Juni 1986 war festgehalten worden, dass eine Aufnahme in die Ziegelklassentabelle nur möglich sei, wenn sie die Prüfung für alle angeführten Formate nach der allgemeinen Zulassung für gekennzeichnete Ziegel mit garantierter Festigkeit entsprechend der genannten Richtlinie besteht.

In einem weiteren Gutachten vom 30. März 1987 begründete der Amtssachverständige seine Auffassung, dass trotz der Einschränkung des seinerzeitigen Antrages von sechs auf vier Ziegel eine Zulassung nicht erteilt werden könne. Er führte aus, die Bestimmungen der OÖ Bauordnung und auch der OÖ Bauverordnung seien ausdrücklich auf einen bestimmten Baustoff, nicht aber auf die Zulassung verschiedener Produkte aus diesem Baustoff abgestellt. Dementsprechend werde auch in den erläuterten technischen Richtlinien im Zusammenhang mit den Anforderungen und der Qualifikation ausdrücklich auf den Baustoff, nicht aber auf verschiedene Formate abgestellt. Nach Meinung des Sachverständigen sei es daher unzulässig, gerade für ein Einzelprodukt unter Außerachtlassung mehrerer, im gegenständlichen Fall erwiesenermaßen gleichfalls hergestellter Produkte aus einem bestimmten gemeinsamen Baustoff die Zulassung zu begehren, ohne dass gleichzeitig die Gesamtproduktion aus diesem "Baustoff" eine angemessene Würdigung zu finden habe. Dies werde nicht zuletzt damit begründet, dass die Ursachen für die mangelnde Qualifikation einzelner Produkte eines gemeinsamen Baustoffes in verschiedenen Umständen begründet sein können. Es könne dies einerseits von der mangelnden Eignung des Baustoffes, von einer unzureichenden Produktion (technische Anforderungen) oder von sonstigen von der jeweiligen Art eines Baustoffes typischen Ursache abhängen. So würden im Bundesland Oberösterreich im Falle der Neuzulassung von Baustoffen grundsätzlich sämtliche im jeweiligen Werk des Antragstellers mit dem betreffenden Baustoff hergestellten Produkte geprüft, um jene Grundlage zu finden, die eine ausreichende Beurteilung und Garantie der mit dem angetragenen Baustoff hergestellten Produkte biete. Bezogen auf den konkreten Antrag sei daher von ursprünglich sechs geplanten Produkten auszugehen, weil die Modifizierung des Antrages in fachlicher Sicht keinen Einfluss auf die Begutachtung und Beurteilung des Baustoffes selbst haben könne. Danach würden sich aber die vom Antragsteller hergestellten Produkte (Baustoffziegel) nur zu zwei Drittel den angeführten Bestimmungen entsprechend erweisen, wogegen ein Drittel nicht als qualifiziert anzusehen sei. Der Antrag sei daher mangels Erbringung der erforderlichen technischen Qualifikation abzuweisen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Oberösterreichische Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 103 OÖ Bauverordnung 1985 in Verbindung mit § 24 OÖ Bauordnung 1976 ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und hier maßgeblicher Rechtsvorschriften folgte die Oberösterreichische Landesregierung den Ausführungen des Amtssachverständigen und hielt die von diesem vertretene Auffassung über die Zurückziehung des Zulassungsantrages von zwei Ziegelformaten für zutreffend. Der Baustoff müsse in allen seinen Produktsvarianten einer Prüfung unterzogen werden. Es gehe nicht darum, ob etwa ein einzelnes Produkt zufällig den Anforderungen entspreche. Das Gutachten des Amtssachverständigen sei schlüssig und es liege weder eine unrichtige noch eine mangelhafte Befundaufnahme vor. Auch stehe das Ergebnis mit den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht in Widerspruch.

In der Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerdeführerin teilte im wesentlichen die Auffassung der belangten Behörde über die rechtlichen Grundlagen der Zulassung, sie erachtete sich aber dadurch beschwert, dass die belangte Behörde diese Bestimmungen unrichtig angewendet und ihnen einen Inhalt beigelegt habe, der dem Gesetz bzw. der Verordnung nicht zu entnehmen sei.

 

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 23 Abs. 1 und 2 OÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 82/1983, legen allgemeine Erfordernisse bezüglich baulicher Anlagen fest und nach Abs. 3 gelten diese Erfordernisse sinngemäß hinsichtlich der Baustoffe (einschließlich bauchemischer Mittel), Bauteile und Bauarten.

§ 24 OÖ Bauordnung enthält eine allgemeine Verordnungsermächtigung, die auch nähere Vorschriften über Baustoffe (einschließlich bauchemischer Mittel) umfasst. § 24 Abs. 3 des Gesetzes ermächtigt die Landesregierung ausdrücklich, nähere Vorschriften über die allgemeine Zulassung neuer Baustoffe, Bauteile und Bauarten zu erlassen. Die allgemeine Zulassung neuer Baustoffe (einschließlich bauchemischer Mittel), Bauteile und Bauarten kann auf Ansuchen des Erzeugers bzw. Importeurs von der Landesregierung mit Bescheid erteilt werden, wenn der Zulassungsgegenstand den Anforderungen des § 23 entspricht. Die näheren Voraussetzungen, denen das Ansuchen entsprechen muss, unter denen eine Erteilung der allgemeinen Zulassung in Betracht kommt und unter denen eine allgemeine Zulassung erlischt, sowie die Verpflichtungen des Zulassungsinhabers sind durch Verordnung zu regeln.

Mit der allgemeinen Zulassung neuer Baustoffe, Bauteile und Bauarten beschäftigt sich das fünfte Hauptstück der OÖ Bauverordnung 1985, LGBl. Nr. 5. Nach allgemeinen Regelungen im § 101 wird im § 102 Abs. 1 dieser Verordnung festgelegt, dass um die allgemeine Zulassung neuer Baustoffe (einschließlich bauchemischer Mittel), Bauteile und Bauarten vom Erzeuger des Zulassungsgegenstandes, wenn eine Erzeugung im Inland aber nicht stattfindet, vom Importeur des Zulassungsgegenstandes schriftlich beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung anzusuchen ist. Was das Ansuchen zu enthalten hat bestimmt sodann Abs. 2, weitere Regelungen enthalten die Abs. 3 und 4. Reichen die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen für die Beurteilung des Zulassungsgegenstandes nicht aus, so kann die Landesregierung nach § 103 Abs. 1 OÖ Bauordnung die erforderlichen weiteren Unterlagen und Überprüfungen vom Antragsteller verlangen oder mit dessen Zustimmung auf seine Kosten selbst einholen bzw. durchführen lassen. Die allgemeine Zulassung darf nach Abs. 2 nur ausgesprochen werden, wenn feststeht, dass der Zulassungsgegenstand den Erfordernissen des § 23 der OÖ Bauverordnung entspricht. Im Zulassungsbescheid ist festzulegen, für welchen Verwendungszweck bzw. Anwendungsbereich und unter welchen Bedingungen und Auflagen die allgemeine Zulassung ausgesprochen wird. Die weiteren Absätze dieses Paragraphen sowie die Verpflichtungen des Zulassungsinhabers und des Bauwerbers nach § 104 der OÖ Bauverordnung sind für den Beschwerdefall rechtlich unerheblich.

Auf Grund der wiedergegebenen Rechtsvorschriften steht fest, dass es sich bei dem Zulassungsbescheid um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt, dessen Voraussetzung das in § 102 Abs. 1 OÖ Bauverordnung genannte Ansuchen ist. Nach der Rechtsvorschrift des § 103 OÖ Bauverordnung geht es um die Beurteilung des Zulassungsgegenstandes, und zwar dahingehend, ob der Zulassungsgegenstand den Erfordernissen des § 23 OÖ Bauordnung entspricht. Was Gegenstand dieser Prüfung ist, bestimmt demnach nicht die Behörde, sondern, wie bei jedem antragsbedürftigen Verwaltungsakt, der Antragsteller. Wenn nun in dem durchgeführten Verwaltungsverfahren der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag auf Prüfung bestimmter Ziegelkategorien teilweise zurückgezogen hat, so ist Zulassungsgegenstand nur mehr jener Teil seines ursprünglichen Antrages, der nicht zurückgezogen worden ist. Diese Folgerung ergibt sich schon aus der allgemeinen Überlegung, dass das auch von der Zulassungsbehörde anzuwendende AVG 1950 für die Zurückziehung eines Antrages keine Formalerfordernisse vorsieht, sofern sie nur ausdrücklich ausgesprochen wird (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1976, 830/76, Slg. N.F. Nr. 9133/A. Dass aber die Modifizierung eines Antrages durch seine teilweise Zurückziehung und die damit gegebene Einschränkung des ursprünglichen Zulassungsgegenstandes nach den Bestimmungen der OÖ Bauordnung und der zitierten Durchführungsverordnung nicht zulässig wäre, kann den genannten Rechtsvorschriften nicht entnommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof teilt sohin die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde antragsgemäß die Zulassung für die vier vom aufrecht erhaltenen Antrag umfassten Ziegeltypen aussprechen hätte müssen, weil ein Abweisungsgrund der Aktenlage nach für diesen Zulassungsgegenstand nicht vorlag, die beiden weiteren im ursprünglichen Antrag genannten Ziegeltypen aber nicht mehr Gegenstand der Entscheidung der Behörde sein konnten. Da die von der belangten Behörde zu beantwortende Frage eine Rechtsfrage darstellt, hätte die Behörde in dieser Beziehung dem Gutachten des technischen Amtssachverständigen nicht folgen dürfen, wenn dieser von der rechtsirrigen Auffassung ausging, Zulassungsgegenstand seien in Wahrheit noch immer die ursprünglich genannten Formate, eine Rechtsansicht, die schon mit dem Wesen des antragsbedürftigen Verwaltungsaktes nicht vereinbar ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach den zitierten Rechtsvorschriften "neue Baustoffe (einschließlich bauchemischer Mittel)" Gegenstand der Prüfung durch die Behörde sind, ergibt sich, wie erwähnt, der Zulassungsgegenstand im Sinne des § 103 Abs. 1 OÖ Bauverordnung doch unmittelbar aus dem Vorbringen des Antragstellers, und ist eine Erweiterung der Prüfung, ob andere Produktsvarianten des Baustoffes nicht zuzulassen sind, nicht mehr Gegenstand der Prüfung durch die Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht die Auffassung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zu teilen, dass dann, würde man der Auffassung der Beschwerdeführerin folgen, streng genommen jeder einzelne Ziegel, der produziert werde, auf seine Eignung hin überprüft werden müsste, denn gerade dies will ja eine allgemeine Zulassung verhindern und dies würde auch dem Sinn eines derartigen Verfahrens widersprechen. Teilt man die Auffassung der Beschwerdeführerin, so wird damit entgegen der Meinung der belangten Behörde auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass ein Einzelprodukt Gegenstand der Prüfung ist, vielmehr handelt es sich um eine bestimmte Art von Ziegeln in bestimmten Varianten, sodass jedenfalls von einem Gattungsbegriff ausgegangen werden muss; alles andere wäre ja auch nicht sinnvoll, haben doch gerade die im Verfahren durchgeführten Prüfungen gezeigt, dass unterschiedliche Ergebnisse je nach Ziegelart gegeben sind. Die Rechtslage ist nicht anders zu beurteilen als dann, wenn von Haus aus nur um die Zulassung jener vier Ziegelarten angesucht worden wäre, für die der Antrag in der Folge aufrechterhalten wurde. Wäre für diese Ziegelarten das Prüfungsergebnis positiv verlaufen, so hätte die Behörde gleichfalls nicht den Antrag abweisen dürfen, weil andere Produktsvarianten des "Baustoffes" der durchgeführten Prüfung nicht standhalten würden. Aus dem Begriff des Baustoffes kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen der Meinung der belangten Behörde und ihres Amtssachverständigen die Berechtigung zu einer Abweisung des Antrages, wie dargetan, nicht abgeleitet werden.

Da schon auf Grund der aufgezeigten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß S 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war, erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 15. Dezember 1987

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