VwGH 85/04/0165

VwGH85/04/016527.1.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Janistyn, über die Beschwerde des JT in G, vertreten durch Dr. Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, Rechbauerstraße 4/11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 29. Juli 1985, Zl. 46.205/10-IV/6/85, betreffend Darstellung eines Grenzverlaufes in der Katastralmappe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §32;
AVG §33 Abs3;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §32;
AVG §33 Abs3;
AVG §73 Abs2;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.316,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Anbringen vom 2. April 1984 richtete der Beschwerdeführer an das Vermessungsamt Graz den Antrag, die von dieser Behörde vorgenommene Änderung der Mappendarstellung des Grundstückes Nr. 772/7, KG. X, zufolge Unzulässigkeit dieser Änderung zurückzunehmen.

Die von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens enthalten eine Kopie dieses Anbringens. Die mitkopierte Einlaufstampiglie des Vermessungsamtes Graz enthält den 4. April 1984 als Eingangsdatum.

Mit Erledigung des Vermessungsamtes Graz vom 11. Mai 1984 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß das Schreiben vom 2. April 1984 abgelegt worden sei und eine weitere Stellungnahme nicht abgegeben werde, da es sich laut Schreiben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers um einen Streitfall handle.

Der in der Folge an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen gerichtete Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 26. September 1984 enthält, wie der Verwaltungsgerichtshof der ihm vorgelegten Fotokopie entnimmt, die folgenden beiden Eingangsstempel:

1.) "Ba-EV Präsidialkanzlei

- 3. Okt. 1984"

2.) "Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen

- 4. Okt. 1984

K 1/07804 Blg.: o".

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens gab der Beschwerdeführer am 3. April 1985 seinen weiteren, nunmehr an den Bundesminister für Bauten und Technik gerichteten Devolutionsantrag zur Post. Dieser Antrag langte laut Eingangsstampiglie am 4. April 1985 im Bundesministerium für Bauten und Technik ein. Nachdem der Antrag mit Erledigung vom 12. April 1985 dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 zur Ergänzung der fehlenden Unterschrift innerhalb einer Frist von zwei Wochen zurückgestellt wurde, langte er, nunmehr vom Beschwerdeführer unterfertigt, im Bundesministerium für Bauten und Technik neuerlich am 22. April 1985 ein.

Mit Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 29. Juli 1985 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 2. April 1984 auf Berichtigung der Katastralmappe hinsichtlich der Darstellung des Grundstückes Nr. 772/7, KG. X, nach den §§ 13 und 73 AVG 1950 in Verbindung mit § 52 Z. 5 des Vermessungsgesetzes, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 238/1975, als unzulässig zurückgewiesen.

Zur Begründung stellte der Bundesminister für Bauten und Technik zunächst den Gang des Verwaltungsverfahrens dar und verwies auf den Antrag vom 2. April 1984, eingelangt beim Vermessungsamt Graz am 4. April 1984, auf den Devolutionsantrag an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen vom 26. September 1984 und auf den Devolutionsantrag vom 2. April 1985, der nach Behebung von Formgebrechen am 22. April 1985 neuerlich beim Bundesministerium für Bauten und Technik eingelangt sei. Weiters wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer durch die auf § 73 AVG 1950 gestützten Anträge vom 26. September 1984 und vom 2. April 1985 Verletzung der Entscheidungspflicht geltend gemacht habe. Die Entscheidungspflicht der Behörde könne gemäß § 73 AVG 1950 nur von der Partei geltend gemacht werden, die ein Antragsrecht habe und einen auf Sachentscheidung abzielenden Antrag tatsächlich gestellt habe. Das Vermessungsamt Graz habe über den Antrag vom 2. April 1984 zwar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, eine bescheidmäßige Erledigung unter Hinweis auf die Streitverfangenheit jedoch abgelehnt und dies dem Beschwerdeführer formlos mitgeteilt. Das Vermessungsamt sei damit seiner Entscheidungspflicht nicht nachgekommen. Bei Vorliegen eines förmlichen Parteienantrages sei die Behörde zur Erlassung eines förmlichen Bescheides verpflichtet, wobei ein solcher Bescheid gegebenenfalls auch bloß dahin lauten könne, daß der Partei der erhobene Anspruch auf einen in der Sache selbst ergehenden Bescheid nicht zustehe. Der Sinn der Entscheidungspflicht liege darin, daß jeder unter Behauptung des Vorliegens der Voraussetzungen ausdrücklich erhobene Anspruch auf eine Entscheidung die Behörde verpflichtet, wenigstens über die Berechtigung dieses Anspruches zu entscheiden; soweit es sich um das Verfahren betreffend diese Entscheidung handelt, sei der Antragsteller als Partei anzusehen. Insoweit liege Säumnis der Vorinstanzen vor und sei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf Grund der schriftlichen Anträge vom 26. September 1984 und vom 2. April 1985 auf den Bundesminister für Bauten und Technik übergegangen. Die weiteren Ausführungen betreffen die Frage der Zulässigkeit des Antrages des Beschwerdeführers vom 2. April 1984, gemessen am § 52 Z. 5 des Vermessungsgesetzes.

Gegen den Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 29. Juli 1985 richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Unter ausdrücklich erklärter Abstandnahme von der Einbringung einer Gegenschrift unter Hinweis auf die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Begründung beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in dem auf § 52 Z. 5 des Vermessungsgesetzes gestützten Recht auf Zurücknahme der vom Vermessungsamt Graz vorgenommenen Änderung der Mappendarstellung seines Grundstückes 772/7, KG. X, verletzt.

Nach § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über eine Bescheidbeschwerde u.a. zunächst zu prüfen, ob Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde vorliegt.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 (Art. II Abs. 2 lit. C Z. 29a EGVG 1950, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 232/1977, und § 3 Abs. 1 des Vermessungsgesetzes) sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht im Grunde des § 73 Abs. 2 AVG 1950 auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen.

Nach § 13 Abs. 3, zweiter Satz, AVG 1950 gilt ein Anbringen, hinsichtlich dessen ein Formgebrechen auf Veranlassung der Behörde rechtzeitig behoben wird, als ursprünglich richtig eingebracht.

Im Grunde des § 32 Abs. 2 AVG 1950 enden u.a. nach Monaten bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monates, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Gemäß § 33 Abs. 3 AVG 1950 werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet.

Der Devolutionsantrag vom 26. September 1984 langte nach Lage der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen am 3. Oktober 1984 ein.

Demnach war das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen gemäß § 73 Abs. 1 und 3 AVG 1950 verpflichtet, spätestens sechs Monate nach dem 3. Oktober 1984, d.h. gerechnet nach § 32 Abs. 2 AVG 1950, spätestens noch am 3. April 1985 den Bescheid zu erlassen.

Die sechsmonatige Frist des § 73 AVG 1950 hat sowohl für die Behörde als auch für die Verfahrensparteien rechtliche Bedeutung. Diese Bedeutung besteht für die Behörde darin, daß sie innerhalb dieser Frist den Bescheid zu erlassen hat, für die Verfahrenspartei hingegen darin, daß sie vor Ablauf dieser Frist keinen zulässigen Devolutionsantrag einbringen kann. Während der Beginn des Laufes der Frist nach § 73 AVG 1950 im Abs. 1 und im Abs. 3 dieses Paragraphen ausdrücklich geregelt ist, unterliegt die Beurteilung der Frage, ob ein Devolutionsantrag vor oder erst nach dem Ende dieser Frist eingebracht wurde, den in den §§ 32 und 33 AVG 1950 vorgesehenen allgemeinen Regelungen über Fristen. Dem Grunde des § 33 Abs. 3 AVG 1950 werden "in die Frist" - d.h. mangels anderweitiger Regelung in die Frist nach § 73 AVG 1950 wie in andere Fristen - die Tage des Postenlaufes nicht eingerechnet. Daraus folgt, daß ein zur Post gegebener Devolutionsantrag nur dann unter Beachtung der Frist des § 73 AVG 1950 eingebracht erscheint, wenn die Postaufgabe nach Ablauf dieser Frist erfolgt. Wird hingegen ein Devolutionsantrag noch innerhalb der Frist des § 73 AVG 1950 zur Post gegeben, so ist er - selbst im Falle einer erst späteren Zustellung an die Behörde verfrüht. Im Hinblick auf § 33 Abs. 3 AVG 1950 kommt die Postaufgabe der Übergabe an die Behörde gleich (vgl. den hg. Beschluß vom 17. Oktober 1973, Zl. 1002/73, und den in Slg. N.F. Nr. 8484/A veröffentlichten Rechtssatz dieses Beschlusses).

Der Beschwerdeführer gab seinen - gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 rechtzeitig verbesserten und daher als ursprünglich richtig eingebracht geltenden - Devolutionsantrag vom 2. April 1985 bereits am 3. April 1985, also nicht erst nach dem Ende der Frist nach § 73 AVG 1950, sondern noch innerhalb dieser Frist zur Post, d. h. verfrüht. Schon dieser Umstand stand einem Zuständigkeitsübergang im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG 1950 auf den Bundesminister für Bauten und Technik entgegen.

Darüber hinaus hätte ein solcher Zuständigkeitsübergang auf den Bundesminister für Bauten und Technik durch den Devolutionsantrag vom 2. April 1985 in Ansehung des Antrages vom 2. April 1984 aus folgendem Grund nicht bewirkt werden können:

Nach Lage der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens langte der Antrag vom 2. April 1984 beim Vermessungsamt Graz erst am 4. April 1984 ein (§ 73 Abs. 1 AVG 1950). Selbst wenn der Devolutionsantrag vom 26. September 1984 nicht im Postweg an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen übermittelt, sondern unmittelbar dort überreicht worden sein sollte, liegt ein Einschreiten des Beschwerdeführers noch innerhalb der Frist des § 73 AVG 1950 vor, weil der Devolutionsantrag vom 26. September 1984 jedenfalls den Eingangsstempel bereits vom 3. Oktober 1984 trägt. Durch den Devolutionsantrag vom 26. September 1984 war die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag vom 2. April 1984 somit schon nicht auf das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen übergegangen.

Die belangte Behörde war daher nur zur Entscheidung über den bei ihr eingebrachten Devolutionsantrag vom 2. April 1985, nicht jedoch zur Entscheidung über den vom Beschwerdeführer an das Vermessungsamt Graz gerichteten Antrag vom 2. April 1984 zuständig.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war hinsichtlich der Eingabengebühr abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.

Wien, am 27. Jänner 1987

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