VwGH 85/08/0038

VwGH85/08/003828.3.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha, 1. über den Antrag des Dr. W in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 12. Dezember 1984, Zl. 2/2171/7-84, betreffend Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke, sowie 2. über die Beschwerde desselben gegen den eben zitierten Bescheid

Normen

ApG 1907 §29 Abs1;
ApG 1907 §29 Abs3 idF vor 1984/502;
ApG 1907 §29 Abs5 idF 1984/502;
VwGG §46 Abs2;
VwGG §46 Abs3;
ApG 1907 §29 Abs1;
ApG 1907 §29 Abs3 idF vor 1984/502;
ApG 1907 §29 Abs5 idF 1984/502;
VwGG §46 Abs2;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

zu 1. den Beschluss gefasst:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung

stattgegeben.

zu 2. zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus dem Wiedereinsetzungsantrag und der damit verbundenen Beschwerde sowie aus dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit Bescheid vom 12. Dezember 1984 nahm die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung die Bewilligung des Antragstellers und Beschwerdeführers zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in L gemäß § 29 Abs. 3 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 (im folgenden: ApG), wegen Entbehrlichkeit dieser Hausapotheke zurück. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 29. Juni 1981 sei nämlich die Bewilligung für eine öffentliche Apotheke mit dem Standort B rechtskräftig erteilt worden; diese öffentliche Apotheke habe ihren Betrieb nachweislich am 3. Dezember 1983 aufgenommen.

Zwischen den Nachbargemeinden L und B bestehe eine Straßenverbindung und eine Eisenbahnverbindung (Lokalbahn der Salzburger Stadtwerke). Die straßenmäßige Entfernung betrage 3,2 km, die bei Benützung der Eisenbahn maßgebliche Entfernung infolge der Wegstrecken von bzw. zu den Haltestellen etwas über 4 km (die Haltestelle L sei etwa 700 m von der Hausapotheke, die Haltestelle B etwa 650 m von der öffentlichen Apotheke entfernt). Die Fahrzeit mit dem öffentlichen Verkehrsmittel betrage rund 5 Minuten, bei Benützung eines Kraftfahrzeuges sei etwa derselbe Zeitaufwand für die Wegstrecke anzunehmen. Der Lokalbahn-Fahrpreis für die Hin- und Rückfahrt betrage S 18,--. Die Lokalbahn verkehre täglich zwischen ca. 5.30 Uhr und 23.00 Uhr, an Wochenenden bzw. Feiertagen mit entsprechend längeren Intervallen; das durchschnittliche Intervall an Werktagen betrage zur Stoßzeit eine halbe Stunde, sonst eine Stunde.

Bei der Prüfung der Entbehrlichkeit einer ärztlichen Hausapotheke sei lediglich auf die Entfernung dieser Hausapotheke zur nächsten öffentlichen Apotheke und auf die zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel Bedacht zu nehmen, nicht aber auch auf die Anmarschwege von entfernt gelegenen Siedlungen zur Ordination des Arztes. Die geringe Entfernung zwischen Hausapotheke und öffentlicher Apotheke sowie die für den nichtstädtischen Bereich als ausgezeichnet zu beurteilenden Verkehrsverbindungen seien nicht bestritten. Den Ausführungen des Beschwerdeführers über die Anmarschwege aus den meisten Gemeindeteilen, über die erhöhten Kosten (Fahrpreis) oder den vermehrten Zeitaufwand sowie über die Verschlechterung der Medikamentenverabreichung im Zuge von ärztlichen Visiten oder bei Injektionen oder Infusionen komme in Ansehung dessen keine rechtliche Relevanz mehr zu.

Dieser Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass eine Berufung zulässig sei.

1.2. Nach dem Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers und Beschwerdeführers in seinem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz vom 21. Februar 1985 sei der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdevertreter am 17. Dezember 1984 zugestellt worden; entsprechend der Rechtsmittelbelehrung habe der Antragsteller Berufung erhoben und diese am 31. Dezember 1984 zur Post gegeben. Mit dem am 11. Februar 1985 zugestellten Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 7. Februar 1985 sei die Berufung im Grunde des § 29 Abs. 5 ApG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 502/1984 als unzulässig zurückgewiesen worden.

Da der erstinstanzliche Bescheid - im Nachhinein gesehen - fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt habe und der Antragsteller nur deshalb das - unzulässige - Rechtsmittel ergriffen habe, beantrage er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

In den mit diesem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Beschwerdeausführungen gegen den angefochtenen Bescheid werden die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde ausdrücklich außer Streit gestellt, soweit sie die tatsächliche Betriebsaufnahme der öffentlichen Apotheke, die straßenmäßige und die eisenbahnmäßige Entfernung, die Intervalle des Lokalbahnverkehrs, die reine Fahrzeit und die Fahrtkosten betreffen. Bezüglich der straßenmäßigen Entfernung geht der Beschwerdeführer von einer um 200 m größeren Distanz aus. Der wesentliche Einwand des Beschwerdeführers geht dahin, dass die Frage nach der Entbehrlichkeit seiner Hausapotheke im konkreten Fall nicht bloß nach der Entfernung der beiden Gemeindehauptorte L und B beantwortet werden könne; vielmehr sei zu berücksichtigen, dass L praktisch der dem Standort der öffentlichen Apotheke nächstgelegene Ort sei, dass aber der Großteil der zum Gemeindegebiet L und damit zum Praxisbereich des Beschwerdeführers gehörigen W noch einmal 4 bis 6 km von L entfernt gelegen sei. Bei Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels komme zur straßenmäßigen Wegstrecke eine solche von ca. 1.350 m dazu, sodass die Distanz zwischen der Hausapotheke und der öffentlichen Apotheke in diesem Fall etwa 4,55 km betrage. Bei Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels sei mit einem Zeitaufwand von im günstigsten Fall 1 1/2 Stunden für die Besorgung eines Medikamentes zu rechnen. Schließlich wird auf den Vorteil für den Patienten hingewiesen, wenn er sogleich vom behandelnden Arzt mit Heilmitteln versorgt werden könne.

 

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e und Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1.1. § 46 Abs. 2 und 3 VwGG bestimmen:

"(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat.

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen."

Durch die Apothekengesetznovelle 1984, BGBl. Nr. 502, wurde in Angelegenheit der Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung eine Abkürzung des Instanzenzuges bei der nach § 44 Abs. 1 ApG vorgesehenen Behörde erster Instanz vorgenommen; § 29 Abs. 5 letzter Satz ApG in der Fassung der Novelle 1984 lautet:

"Gegen einen Bescheid, mit welchem die Hausapothekenbewilligung zurückgenommen wird, ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig."

2.1.2. Mangels einer abweichenden Vorschrift des ApG oder seiner Novelle hatte die angerufene Berufungsbehörde (Landeshauptmann von Salzburg), was ihre Zuständigkeit anlangt, ihrer Entscheidung die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage zu Grunde zu legen. Die Zurückweisung der Berufung erfolgte zu Recht.

Ist in einem vor Inkrafttreten der Apothekengesetznovelle 1984 erlassenen Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde betreffend die Zurücknahme einer ärztlichen Hausapotheke die Rechtsmittelbelehrung enthalten gewesen, dass gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung eingebracht werden könne, und hat die Partei daraufhin dieses Rechtsmittel tatsächlich ergriffen, ist aber später die angeführte Rechtsmittelbelehrung zufolge der Abkürzung des Instanzenzuges durch den letzten Satz im § 29 Abs. 5 ApG in der Fassung der Novelle 1984 unrichtig, die Berufung damit unzulässig und demzufolge die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den angeführten Bescheid versäumt worden, so stellt dieser Umstand einen Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 Abs. 2 und 3 VwGG dar (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Veränderung der Rechtslage durch die Agrarbehördengesetz-Novelle 1974, BGBl. Nr. 476: hg. Beschlüsse vom 24. Februar 1975, Slg. N. F.Nr. 8774/A, und vom 8. November 1978, Zlen. 2443, 2939/78 = ZfVB 1979/3/751).

Dem rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 Abs. 2 VwGG stattzugeben; hierüber war gemäß § 46 Abs. 4 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung zu entscheiden.

2.2. Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Eintritt der Versäumung befunden hat (§ 46 Abs. 5 VwGG). Es ist daher über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung zu erkennen, wobei als Prüfungsmaßstab die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltende Rechtslage zu Grunde zu legen ist.

2.2.1. § 29 Abs. 3 ApG in der Fassung vor dem 1. Jänner 1985 lautete:

"Die Bewilligung ist zurückzunehmen, wenn die Hausapotheke infolge der Errichtung einer öffentlichen Apotheke am Standorte der Hausapotheke oder in der Umgebung entbehrlich geworden ist......"

2.2.2. Standortidentität der ärztlichen Hausapotheke des Beschwerdeführers und der neu errichteten öffentlichen Apotheke liegt im Beschwerdefall nicht vor; daher bedurfte es trotz des im ApG verankerten grundsätzlichen Primates der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch die öffentlichen Apotheken Feststellungen darüber, ob weiterhin ein Bedarf der Bevölkerung nach dem Bestand der ärztlichen Hausapotheke des Beschwerdeführers bestand.

Der Beschwerdeführer ist nun auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach ein allgemeines Bedürfnis am Wohnort des Arztes nach einer Hausapotheke bereits dann verneint werden muss, wenn - bei einer Wegstrecke zwischen der Ordination und der öffentlichen Apotheke, wie sie hier unbestritten ist (höchstens 3,4 km) - die bestehenden Verkehrsverbindungen die Möglichkeit eröffnen, mehrmals am Tag den Ort, an dem sich die öffentliche Apotheke befindet, zu erreichen, wobei die Frage, ob dies unmittelbar anschließend an die Ordination möglich ist, keine Rolle spielt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 24. März 1964, Slg. N. F. Nr. 6277/A, und vom 28. April 1983, Zl. 81/08/0063 = ZfVB 1984/1/9). Das Vorliegen ausreichender Verkehrsverbindungen ist im Beschwerdefall jedoch nicht bestritten.

Dass die Entfernung vom Ordinationssitz zur öffentlichen Apotheke 3,4 km beträgt, wird vom Beschwerdeführer selbst zugestanden. Entgegen seiner Rechtsauffassung kommt es hingegen auf die bei Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsmittels (Lokalbahn) zurückgelegte - längere - Wegstrecke, die mit etwa 4,55 km angegeben wird, nicht an, erweisen sich doch die im angefochtenen Bescheid genannten Entfernungen der beiden Haltestellen der Lokalbahn (ca. 700 m von der Ordination einerseits bzw. 650 m von der öffentliche Apotheke anderseits) im Zusammenhalt mit den sehr guten Verkehrsverbindungen nicht als so groß, dass ihretwegen weiterhin ein aufrechter Bedarf nach der Hausapotheke des Beschwerdeführers im Sinne des Gesetzes angenommen werden müsste (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1983, Zl. 08/2970/80 = ZfVB 1984/5/1898, betreffend Entfernung von ca. 1 km zwischen Ordination und Haltestelle).

Schließlich ist auf die Anmarschwege von entfernter gelegenen Siedlungen zur Ordination des Beschwerdeführers bei der Prüfung der Bedarfsfrage nicht Bedacht zu nehmen, sondern lediglich auf die Entfernung der öffentlichen Apotheke in B zur Ordination des Beschwerdeführers in L (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 30. März 1953, Slg. N. F. Nr. 2919/A, das vorhin zitierte Erkenntnis vom 24. April 1983 sowie das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1983, Zl. 08/2970/80 = ZfVB 1984/5/1898).

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung den Primat der Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln durch die öffentlichen Apotheken betont (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. Februar 1958, Slg. N. F. Nr. 4555/A) und ausgeführt, dass dem Arzt für dringende Fälle der ärztliche Notapparat zur Verfügung steht, wodurch für Fälle, in denen die Verabreichung von Medikamenten durch den Arzt notwendig werden sollte, weil die Beschaffung der Heilmittel von der öffentlichen Apotheke nicht mehr rechtzeitig möglich wäre, ohnedies durch § 13 des Ärztegesetzes 1949, BGBl. Nr. 92, vorgesorgt sei.

2.2.3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen (§ 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG).

Wien, am 28. März 1985

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