VwGH 85/07/0257

VwGH85/07/025715.10.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert , über die Beschwerde 1. der Wassergenossenschaft XY, vertreten durch den Obmann Dr. F K, 2. des Dr. F K in A, beide vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 5. August 1985, Z1. 410.016/08-I 4/85, betreffend eine Wasserrechtssache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem durch eine Ausfertigung des bekämpften Bescheides belegten Beschwerdevorbringen steht folgender Sachverhalt fest:

Der Landeshauptmann von Tirol hat mit Bescheid vom 2. Juli 1970 der Stadt N das im Wasserbuch für den Verwaltungsbezirk Innsbruck unter Postzahl nnn eingetragene Wasserbenutzungsrecht zum Betrieb eines Elektrizitätswerkes am S-bach wieder verliehen. Dieser Bescheid wurde unter anderem auch an "die zu bildende Wassergenossenschaft XY-Z, zu Handen des Obmannes Ing. J G" zugestellt. Im Punkt 10 des Spruches dieses Bescheides wurde als Bedingung (Nebenbestimmung der wasserrechtlichen Bewilligung) aufgenommen, "das Maß der Wasserbenutzung wird mit maximal 1180 l/sec beschränkt. In diesem Zusammenhang behält sich jedoch die Wasserrechtsbehörde gemäß § 13 (4) WRG 1959 eine Wassermenge von 100 l/sec trinkbaren Wassers aus dem Einzugsgebiet des S-baches für Trinkzwecke der Gemeinde A, N und M vor. Bis zum genannten Ausmaß steht den Wasserberechtigten für die allfällige Verringerung der Trinkwassermenge kein Entschädigungsanspruch zu."

Dieser Bescheid gelangte dem Zweitbeschwerdeführer erstmals am 26. März 1985 zur Kenntnis, als er im Wasserbuch Erhebungen anderweitiger Art vorgenommen hat und ihm hiebei im Rahmen der zahlreichen Unterlagen, die sich im Wasserbuch befinden, auch der Bescheid vom 2. Juli 1970, der keiner Wasserbuchpost zugeordnet war, in die Hände gefallen ist. Da er sich als Obmann der Erstbeschwerdeführerin im Besitze aller Unterlagen, die die Genossenschaft betreffen, glaubte, wurde er auf den gegenständlichen Bescheid aufmerksam, da er diesen nicht kannte, wobei er erstmals den Inhalt dieses Bescheides zur Kenntnis nahm. Aufgrund dieser Situation wurde von den Beschwerdeführern am 29. März 1985 die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Juli 1970 erhoben. Diese wurde im wesentlichen damit begründet, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides die Erstbeschwerdeführerin rechtlich nicht bestanden habe, sie also nicht Trägerin von Rechten und Pflichten sein konnte und sie daher auch keine Möglichkeit gehabt habe, sich gegen diesen Bescheid zur Wehr zu setzen.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 5. August 1985 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, es seien zwei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen; entweder die Erstbeschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides aus dem Jahre 1970 bereits Partei gewesen, dann sei das Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen worden, da der Bescheid der in Gründung befindlichen Wassergenossenschaft zugestellt worden sei und sie dagegen nicht berufen habe; oder sie sei erst später - wie sie selbst angebe am 9. April 1976 - gebildet worden, dann müsse sie den Rechtsbestand eines rechtskräftigen Bescheides gegen sich wirken lassen. In beiden Fällen könne der Berufung nicht Folge gegeben werden. Auch wenn man die Möglichkeit in Betracht zöge, daß die Beschwerdeführer im Jahre 1970 Partei gewesen wären, aber diese dem Verfahren nicht beigezogen worden seien, so könnten solche Parteien nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung ihre Einwendungen bei der Verwaltungsbehörde vorbringen; spätere Einwendungen könnten nur mehr im ordentlichen Rechtswege bei Gericht geltend gemacht werden. Rechtskräftig sei ein Bescheid dann, wenn er gegenüber der letzten bekannten, d. h. im Verteiler des Bescheides aufscheinenden Personen in Rechtskraft erwachse. Es sei also auch in einem solchen Fall einer Berufung keine Folge zu geben. Abschließend müßten Zweifel geäußert werden, daß der Obmann der Wassergenossenschaft erst am 26. März 1985 vom angefochtenen Bescheid Kenntnis erhalten habe. Er sei nämlich zur Überprüfungsverhandlung betreffend den Bescheid vom 2. Juli 1970 eingeladen worden und habe diese Einladung nachweislich am 24. Mai 1984 übernommen. Im Überprüfungsbescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Juli 1984 sei ausdrücklich zum nunmehr angefochtenen Bescheid Stellung genommen worden; auch dieser Bescheid sei der Erstbeschwerdeführerin zugestellt worden. Das der Berufung angeschlossene Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis (Erkenntnis vom 20. Dezember 1976, Zl. 1547/75) regle einen anderen Fall, nämlich ein Erlöschensverfahren; im Gegenstand handle es sich um ein Bewilligungsverfahren. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich nach dem Beschwerdevorbringen in ihren Rechten dadurch verletzt, daß sie nicht dem Verfahren, das dem Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Juli 1970 zugrunde lag, beigezogen worden seien und sie im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides rechtlich nicht in der Lage gewesen seien, sich gegen den Inhalt dieses Bescheides zur Wehr zu setzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer begehrten im Verfahren die Aufhebung des 1970 erlassenen Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Juli 1970, weil durch diesen in ihre Rechte eigegriffen würde, ohne daß sie im damaligen Verfahren Parteistellung gehabt hätten, weil die Wassergenossenschaft erst am 9. April 1976 gegründet worden ist.

Die Mitteilung (Zustellung) eines von der Behörde ergehenden Bescheides hat an alle jene zu erfolgen, die in der Angelegenheit, die den Gegenstand des Bescheides bildet, im Zeitpunkt seiner Erlassung als Partei im Sinne des § 8 AVG 1950 in Betracht kommen. Nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführer konnte ihnen aber im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Juli 1970 - hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin mangels Rechtspersönlichkeit, hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit - keine Parteistellung zukommen. Der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol konnte daher in Rechte der Beschwerdeführer nicht eingreifen. Wer aber im Verfahren keine Parteistellung und daher auch keinen Anspruch auf Zustellung des Bescheides besessen hat, dem kommt auch kein Berufungsrecht (§ 63 AVG 1950) zu. Eine solche Berufung ist stets zurückzuweisen (vgl. unter anderem Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 23. November 1955, Slg. Nr. 3891/A). Aus der Begründung des bekämpften Bescheides ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die belangte Behörde die Berufung zurückgewiesen hat, wenn sie sich auch im Spruch des Bescheides einer nicht klaren Ausdrucksweise "der Berufung ... wird keine Folge gegeben" bediente. Die Beschwerdeführer sind dadurch in keinem Recht verletzt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Oktober 1985

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