Normen
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §123;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwRallg impl;
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §123;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwRallg impl;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 15. April 1983 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, "zum Nachweis seiner Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B den für die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befund und zwar ein verkehrspsychologisches Gutachten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit binnen sechs Wochen nach Rechtskraft des Bescheides" vorzulegen. Die dagegen erhobene Berufung hat der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 2. Jänner 1984 abgewiesen. Gegen diesen Berufungsbescheid hat der Beschwerdeführer die zur Zl. B 140/84 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben; einen Antrag, dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, hat der Beschwerdeführer nicht gestellt.
Als Folge, der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens innerhalb der vom Eintritt der Rechtskraft des zitierten Berufungsbescheides an berechneten Frist hat sodann die Bezirkshauptmannschaft Lienz mit Bescheid vom 8. März 1984, dem Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 2 letzter Satz KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppe B entzogen und einer allfälligen Berufung gegen die Entziehung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat der Landeshauptmann von Tirol die dagegen erhobene Berufung abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Begründung seiner ausschließlichen Beschwerdebehauptung, in seinem Recht auf Entziehung der Lenkerberechtigung erst nach Eintritt der Rechtskraft der Aufforderung im Sinne des § 75 Abs. 2 KFG verletzt zu sein, verweist der Beschwerdeführer auf die Verfassungsgerichtshof-Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Jänner 1984; dieser Bescheid sei damit nur formell, nicht aber auch materiell rechtskräftig, sodass die Behörden mit der Entziehung der Lenkerberechtigung bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes hätten zuwarten müssen.
Gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 ist die Lenkerberechtigung zu entziehen, wenn der Besitzer einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, zur Erstattung des Gutachtens erforderliche Befunde zu erbringen oder die Lenkerprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge leistet. Für die Entziehung der Lenkerberechtigung nach dieser Bestimmung ist somit Voraussetzung, dass eine diesbezügliche Aufforderung mit Bescheidcharakter ergangen ist, in Rechtskraft erwachsen ist und die gesetzte Frist ungenützt verstrichen ist.
Strittig ist im vorliegenden Fall lediglich die Frage, ob in Ansehung der Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftiger Bescheid" gegeben ist oder nicht. Dazu ist zunächst festzustellen, dass der österreichischen Gesetzessprache die Unterscheidung von formeller und materieller Rechtskraft fremd ist. Unter Rechtskraft ist - mangels einer ausdrücklichen, ein anderes Verständnis gebietenden Regelung - immer die formelle Rechtskraft, also die Unanfechtbarkeit mit administrativen Rechtsmitteln, zu verstehen. Die so genannte materielle Rechtskraft - die Unabänderbarkeit - ist ein von der Lehre entwickelter Begriff, der in der österreichischen Verwaltungsrechtordnung verhältnismäßig wenig zum Tragen kommt, weil es zahlreiche Bestimmungen gibt, nach denen formell rechtskräftige Bescheide aufgehoben oder abgeändert werden können, die also den Eintritt der materiellen Rechtskraft verhindern (etwa die §§ 68, 69 f und 71 f AVG 1950, aber auch die die Beschwerdemöglichkeit an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts eröffnenden Art. 130 und 144 B-VG).
Unter "Rechtskraft" im Sinne des § 75 Abs. 2 KFG ist daher die formelle Rechtskraft zu verstehen. Diese ist bei letztinstanzlichen Bescheiden mit ihrer Erlassung jedenfalls gegeben. Ein Bescheid des Landeshauptmannes nach § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG ist ein letztinstanzlicher (Art. 103 Abs. 4 B-VG und § 123 Abs. 1 KFG). Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben keine aufschiebende Wirkung schon kraft Gesetzes (§ 85 Abs. 1 VerfGG 1953 und § 30 Abs.1 VwGG 1965). Die bloße Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde schließt somit die Annahme der Rechtskraft nicht aus. Ob im Falle, dass einer Beschwerde an einen Gerichtshof des öffentlichen Rechts die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist, eine andere Beurteilung geboten wäre, kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen, da der Verfassungsgerichtshof - schon mangels eines diesbezüglichen Antrages keinen derartigen Ausspruch getätigt hat.
Die Annahme der belangten Behörde, von einem rechtskräftigen Aufforderungsbescheid ausgehen zu können, entspricht daher dem Gesetz. Die behauptete Rechtsverletzung ist nicht gegeben. Die Beschwerde war daher nach § 35 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Wien, am 26. September 1984
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