VwGH 84/07/0206

VwGH84/07/020626.6.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Müller, über die Beschwerde der LK in L, vertreten durch Dr. Eckhard Pitzl, Rechtsanwalt in Linz, Hauptstraße 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 13. April 1984, Zl. 15.555/01-I5/84, betreffend Entschädigung nach dem Wasserrechtsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §114 Abs1;
WRG 1959 §115 Abs1;
WRG 1959 §60 Abs1 litc;
WRG 1959 §63 bis §70;
WRG 1959 §114 Abs1;
WRG 1959 §115 Abs1;
WRG 1959 §60 Abs1 litc;
WRG 1959 §63 bis §70;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde läßt sich in Verbindung mit dem angefochtenen Bescheid folgender Sachverhalt entnehmen:

Mit Bescheid vom 18. Dezember 1974 erklärte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft das Bauvorhaben der Stadt Linz betreffend die Errichtung der Regionalkläranlage für den Zentralraum Linz einschließlich des Umleitungskanals als bevorzugten Wasserbau. Mit Bescheid derselben Behörde vom 15. März 1976 wurde das Vorhaben wasserrechtlich bewilligt. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1982 verpflichtete der Landeshauptmann von Oberösterreich als die gemäß § 114 Abs. 1 WRG 1959 zuständige Behörde auf Grund eines von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages die Stadtbetriebe Linz Gesellschaft m.b.H., als Sachentschädigung für die von ihrem bevorzugten Wasserbau "Umleitungskanal und Regionalkläranlage" ausgehenden negativen Einwirkungen auf die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Liegenschaft EZ. 17, KG. Lustenau, eine Hebeanlage zu errichten, die künftig einen Rückstau von Kanalwässern auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerin verhindern solle. Auf Grund der Berufung der Stadtbetriebe Linz Gesellschaft m.b.H. erhob der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 66 Abs. "2" AVG 1950 den Bescheid des Landeshauptmannes mangels dessen Zuständigkeit mit Rechtsmittelbescheid vom 13. April 1984. Er begründete die Behebung damit, daß das gemäß § 114 Abs. 1 WRG 1959 bei bevorzugten Wasserbauten dem Landeshauptmann übertragene Entschädigungsverfahren die Enteignung und Entschädigung betreffe; diese Entscheidung sei nicht trennbar, eine solche allein über die Enteignung sei ebenso ausgeschlossen wie eine Entscheidung lediglich über die Entschädigung ohne vorherige Begründung eines Zwangsrechtes. Der Landeshauptmann habe im Beschwerdefall - durch die Entscheidung allein über die Entschädigung - eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nach dem Gesetz nicht zukomme. Einer Geltendmachung des Schadens im Zivilrechtswege stehe andererseits nichts im Wege.

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Entscheidung der Berufungsbehörde in der Sache selbst verletzt erachtet. Sie weist darauf hin, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG 1950 aus dem von der belangten Behörde angenommenen Grund der Unzuständigkeit der Unterbehörde nicht vorlägen und ist im übrigen der Ansicht, daß die Wasserrechtsbehörde erster Instanz gar nicht unzuständig gewesen sei, weil gemäß § 115 Abs. 1 WRG 1959 keineswegs nur derjenige in seinen Rechten berührt werden könnte, bei dem eine Enteignung stattfinde; es treffe auch nicht zu, daß gemäß den §§ 114 und 115 WRG 1959 über Entschädigungen erst entschieden werden dürfe, nachdem enteignet worden sei. Der Hinweis auf den Zivilrechtsweg sei verfehlt. Die belangte Behörde habe das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten der Beschwerdeführerin nicht vorgehalten und ihr auch nicht angekündigt, daß eine Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides wegen Unzuständigkeit beabsichtigt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 115 Abs. 1 WRG 1959 haben die durch einen bevorzugten Wasserbau berührten Dritten grundsätzlich - also abgesehen von dem im Beschwerdefall nicht anzuwendenden Abs. 2 dieses Paragraphen - nur den Anspruch auf angemessene Entschädigung. § 115 WRG 1959 begründet nun keinen materiell-rechtlichen Anspruch besonderer Art, es gibt daher auch keinen unbeschränkten Entschädigungsanspruch der durch einen bevorzugten Wasserbau "berührten" Dritten; der Anspruch auf Entschädigung leitet sich vielmehr aus den wasserrechtlichen Vorschriften ab (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1969, Zl. 1052/69).

Gemäß § 114 Abs. 1 WRG 1959 ist im Verfahren über bevorzugte Wasserbauten (§ 100 Abs. 2) über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang von Zwangsrechten (§ 60) sowie über die den betroffenen Dritten zu leistenden Entschädigungen und Beiträge (§ 117) erst nach Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung - soweit nicht schon im Bewilligungsbescheid Übereinkommen beurkundet oder aus öffentlichen Rücksichten Verfügungen getroffen wurden - in einem gesonderten Verfahren (Entschädigungsverfahren) vom Landeshauptmann zu verhandeln und abzusprechen. Über die den durch einen bevorzugten Wasserbau berührten Dritten - das sind Personen, deren Rechte (§ 12 Abs. 2 WRG 1959) durch das Vorhaben berührt werden (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1968, Slg. Nr. 7324/A) - zu leistenden Entschädigungen hat der Landeshauptmann in einem einheitlichen Verfahren zu entscheiden, in dem eine Trennung nach Absprüchen nach Art des § 117 Abs. 2 WRG 1959 nicht zulässig ist (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1980, Slg. Nr. 10084/A). Die belangte Behörde ist daher im Beschwerdefall zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Landeshauptmann von Oberösterreich zu Unrecht, und zwar in Überschreitung seiner funktionellen Zuständigkeit, eine Sachentschädigungsleistung festgesetzt hat, ohne ein Zwangsrecht begründet zu haben. Die Beschwerdeführerin, welche die Entschädigung berührter Dritter gemäß § 115 Abs. 1 WRG 1959 nicht bloß auf den Fall von Enteignungen eingeschränkt wissen will, übersieht offenbar, daß zu den Enteignungen gemäß § 60 Abs. 1 lit. c WRG 1959 alle in den §§ 63 bis 70 WRG 1959 genannten Maßnahmen gehören, worunter sich auch die Enteignung bestehender Wasserrechte und Wassernutzungen (§ 64 Abs. 1 lit. c) befindet. Sie geht dabei möglicherweise von dem Mißverständnis aus, ein wasserrechtlich bewilligtes Vorhaben dürfte ohne Begründung von Zwangsrechten in fremde Rechte eingreifen (und sie daher in diesem Sinn "berühren"). Ein Projekt (Unternehmen) kann jedoch grundsätzlich nur dann wasserrechtlich bewilligt werden, wenn feststeht, daß die behauptete Verletzung wasserrechtlich geschützter Rechte nicht eintritt oder die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der allenfalls erforderlichen Enteignung dieser Rechte gegeben sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1980, Zl. 2184/78). Dies gilt mangels einer davon abweichenden gesetzlichen Regelung auch für bevorzugte Wasserbauten. Die Auferlegung von Verpflichtungen an den Bewilligungswerber, durch welche in Modifikation des Projektes der Eingriff in bestehende Rechte überhaupt vermieden werden kann, stellt keine Entschädigung, sondern eine Auflage dar, welche im Bewilligungsverfahren durch die hiefür zuständige Behörde - bei bevorzugten Wasserbauten gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft - vorzuschreiben ist.

War aber der von der belangten Behörde bekämpfte Verwaltungsakt unzuständigerweise erlassen worden - die Unzuständigkeit hatte die Berufungsbehörde jedenfalls aufzugreifen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1950, Slg. Nr. 1750/A, und vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A) -, dann durfte sie auf die Sachentscheidung des Landeshauptmannes nicht weiter eingehen. Somit ist durch die Unterlassung der Gewährung des Parteiengehörs zu Fragen der Entschädigung, die rechtens nicht den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens bilden konnten, die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt worden; zur Frage der Zuständigkeit mußte die Beschwerdeführerin nicht gehört werden.

Die belangte Behörde hat den vor ihr bekämpften Bescheid im Spruch ihres Bescheides - und hiermit stimmt dessen Begründung widerspruchslos überein - "mangels Zuständigkeit behoben". Der erstinstanzliche Bescheid ist somit ohne Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde erster Instanz ersatzlos aufgehoben worden. Daß die belangte Behörde bei ihrer kassatorischen Entscheidung irrigerweise den § 66 Abs. 2 statt richtig den § 66 Abs. 4 AVG 1950 angeführt hat, stellt keinen Eingriff in Rechte der Beschwerdeführerin dar.

Die sonach unbegründete Beschwerde - deren Inhalt bereits erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt -

war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren abzuweisen. Zur Frage der gerichtlichen Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches wird auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 14. Mai 1980, Zl. 1 Ob 10/80, SZ 53/76, Bezug genommen.

Soweit im vorstehenden auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen ist, die nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlicht sind, wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung dieses Gerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Wien, am 26. Juni 1984

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