VwGH 81/05/0081

VwGH81/05/008126.4.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Unfried, über die Beschwerde des KJ in Wien, vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien I, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. März 1981, Zl. MDR-B III-6/81, betreffend ein Wiederaufnahmeverfahren in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
BAO §303 Abs1 litb impl;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
BAO §303 Abs1 litb impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 26. Jänner 1981 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des mit Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. November 1980 abgeschlossenen Bauauftragsverfahrens. Begründet wurde dieser Antrag im wesentlichen damit, dass neue Beweismittel in dem in die Steiermark verlagerten Archiv der J-Verwaltung am 20. Jänner 1981 aufgefunden worden seien. "Infolge der bei der Verlagerung eingetretenen verloren gegangenen Ordnung" sei es nicht möglich gewesen, diese Urkunden früher aufzufinden. Inhaltlich wurde vorgebracht, aus diesen Urkunden ergebe sich, dass der den Gegenstand des Bauauftrages bildende Kanal (zum Teil) in das Eigentum der Stadt Wien übergegangen sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Bauoberbehörde für Wien den Antrag auf Wiederaufnahme mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 nicht vorgelegen seien, weil keine Rede davon sein könne, die neuerlichen Beweismittel hätten im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden können. Es bestünde kein Anhaltspunkt dafür, "dass es nicht möglich gewesen wäre, die verloren gegangene Ordnung des Archivs durch geraume Zeit nicht wieder herzustellen".

 

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid "wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes" aufzuheben. Er erachtet sich in seinem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG 1950 verletzt. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden könnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Im Beschwerdefall ist entscheidend, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, es treffe den Beschwerdeführer ein Verschulden daran, dass die Beweismittel erst nunmehr hervorgekommen seien. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht erkennen, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer bei entsprechender Aufmerksamkeit nicht bereits zur Zeit des früher durchgeführten Verwaltungsverfahrens in der Lage gewesen sein sollte, die nunmehr vorgelegten Urkunden aufzufinden, wenn das nunmehr möglich war, zumal der Beschwerdeführer im wiederaufzunehmenden Verfahren nie geltend gemacht hat, längere Zeit zu benötigen, um entsprechende Unterlagen in seinem Archiv zu finden. Wenn in der Beschwerde in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, es bestünde, von einigen berufsrechtlichen Vorschriften abgesehen, kein allgemeiner Rechtssatz, wonach eine Verpflichtung zur Aufbewahrung oder Archivierung von Urkunden normiert werde, dann übersieht der Beschwerdeführer, dass er ja in seinem Interesse diese Urkunden nunmehr vorgelegt hat und es lediglich darum geht, aus welchen Gründen ihm dies nicht bereits im Zeitpunkt des baubehördlichen Auftragsverfahrens möglich gewesen ist. Auch der Hinweis auf die Rechtsprechung zur Zivilprozessordnung, wonach die nachlässige Aufbewahrung von Aufzeichnungen außerhalb eines Prozesses kein Verschulden darstelle, kann im Beschwerdefall nicht als Argument für den Beschwerdeführer herangezogen werden, geht es doch im Beschwerdefall um eine vom Beschwerdeführer angestrebte Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtskraft, also um ein Verfahren, in welchem die Prozessvoraussetzungen streng zu prüfen sind. Aus dem Zweck des Wiederaufnahmeverfahrens, einen unrichtigen Bescheid zu beseitigen, kann entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht der Schluss gezogen werden, "der Ausschluss des Rechtsmittels durch Verschulden" diene offenbar nur dem Zweck, eine Konzentration des Verfahrens herbeizuführen. Solche Überlegungen verkennen die Bedeutung der Rechtskraft, welche beim Hervorkommen neuer Beweismittel eben nur dann durchbrochen werden darf, wenn diese Beweismittel von der Partei ohne ihr Verschulden bisher nicht geltend gemacht werden konnten.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass auch der belangten Behörde, welche über ein Jahrhunderte altes, fachmännisch verwaltetes und betreutes Archiv verfüge, die Existenz der Urkunden nicht bekannt gewesen sei, kann gleichfalls nicht dazu führen, dass von seinem Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 auf Grund der bisher dargelegten Erwägungen nicht gesprochen werden könnte. Zusammenfassend vermag daher der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung des Beschwerdeführers zu teilen, dass die belangte Behörde die Bestimmung des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 unrichtig ausgelegt hätte.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 26. April 1984

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