VwGH 83/06/0114

VwGH83/06/011415.12.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Unfried, über die Beschwerde der JK in I, vertreten durch Dr. Ernst F. Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 42, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. April 1983, Zl. Ve-550.-984/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. R und 2. M M, beide in E, beide vertreten durch Dr. Lisbeth Lass, Rechtsanwältin in Innsbruck, Museumstraße 21/III, 3. Gemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Tir 1978 §56 Abs2;
BauRallg impl;
LBauO Tir §46;
LBauO Tir §49;
LBauO Tir §51 Abs2;
LBauO Tir §8;
AVG §8;
BauO Tir 1978 §56 Abs2;
BauRallg impl;
LBauO Tir §46;
LBauO Tir §49;
LBauO Tir §51 Abs2;
LBauO Tir §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- sowie den mitbeteiligten Parteien R und M M Aufwendungen in der Höhe von S 8.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren dieser mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Juni 1967 hatte der Bürgermeister der Gemeinde E dem Erstmitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Baubewilligung für den Umbau des bestehenden Wohngebäudes auf den Grundstücken Nr. 187 und 41/2 der KG. E erteilt.

Mit Eingabe vom 21. August 1981 begehrte die Beschwerdeführerin die Zustellung der genannten Baubewilligung mit der Begründung, sie sei als Miteigentümerin und Nachbarin dem Verfahren nicht beigezogen worden. Nach Zustellung dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie, mangels ihrer Zustimmung als Miteigentümerin des Grundstückes Nr. 187, die Nichtigkeit der Baubewilligung behauptete. Darüber hinaus machte sie geltend, dass die gesetzlichen Grenzabstände nicht eingehalten worden seien. Sie beantragte, den erlassenen Bescheid aufzuheben und die Baubewilligung zu versagen.

Nachdem sie mit Anbringen vom 26. August 1982 die Entscheidung der Berufungsbehörde urgiert hatte, beantragte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 22. November 1982 den Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeinderat gemäß § 73 AVG 1950.

Mit Bescheid vom 24. Februar 1983 gab der Gemeinderat der Berufung keine Folge. Im wesentlichen wurde zur Begründung ausgeführt, nach der noch anzuwendenden Tiroler Bauordnung aus dem Jahre 1901 sei die mangelnde Zustimmung des Miteigentümers kein Aufhebungsgrund für eine Baubewilligung. Was die behauptete Verletzung von Grenzabständen betreffe, sei in der damaligen Bauverhandlung festgestellt worden, dass in öffentlich-rechtlicher Hinsicht keine Anstände obwalten.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung wies die Tiroler Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 6. April 1983 als unbegründet ab. Die Gemeindeaufsichtsbehörde ging zunächst auf Grund der Bestimmung des § 56 Abs. 2 der geltenden Bauordnung davon aus, dass für das Verfahren die Bestimmungen der Tiroler Landesbauordnung, LGBl. Nr. 1/1901, maßgeblich seien. Danach sei aber die mangelnde Zustimmung des Miteigentümers kein Aufhebungsgrund für die erteilte Baubewilligung. Soweit die Beschwerdeführerin übergangener Nachbar sei, besitze sie kein Recht auf Wiederholung der mündlichen Verhandlung. Eine Verletzung von Abstandsvorschriften sei deshalb nicht zu Recht behauptet worden, weil nach § 8 der Tiroler Landesbauordnung nur im Falle der Errichtung von Neubauten, nicht aber bei Um- oder Zubauten Abstände einzuhalten seien. Der Beschwerdeführerin sei daher kein Recht auf Versagung des Bauvorhabens zugestanden.

 

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid zur Gänze als rechtswidrig aufzuheben. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde sowie den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof teilt zunächst die Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, dass im Beschwerdefall noch die Bestimmungen der Tiroler Landesbauordnung, LGBl. Nr. 1/1901, anzuwenden sind. Dies ergibt sich aus der Übergangsbestimmung des § 56 Abs. 2 der geltenden Bauordnung (TBO), wonach Bauverfahren, in denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits eine Entscheidung der Behörde erster Instanz erlassen worden ist, nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen sind.

Wie auf Verwaltungsebene behauptet die Beschwerdeführerin zunächst, dass sie in ihren Rechten nach der Tiroler Landesbauordnung verletzt worden sei, weil die Baubehörde ein Vorhaben bewilligt habe, welches zum Teil auf einem Grundstück zu liegen komme, das in ihrem Alleineigentum stehe, und zum Teil auf Grundflächen, deren Miteigentümerin sie sei. Damit behauptet die Beschwerdeführerin, sie habe dem Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten nicht zugestimmt, diese Zustimmung sei jedoch eine Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung. So weit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde sei auf ihr diesbezügliches Vorbringen nicht eingegangen, übersieht sie, dass die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ein Recht des Grundeigentümers auf Versagung eines Bauvorhabens, dem er nicht zugestimmt hat, nach der Tiroler Landesbauordnung ganz allgemein verneint hat. Damit hat aber die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht, dass selbst dann, wenn durch die erteilte Baubewilligung Grundflächen der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen worden sein sollten, diese dadurch in dem geltend gemachten Recht nicht verletzt worden sei. Die belangte Behörde hat diesbezüglich zu Recht aus den Bestimmungen der Tiroler Landesbauordnung (insbesondere § 46) abgeleitet, dass - im Gegensatz zur geltenden Bauordnung - dem Grundeigentümer nach dem Gesetz von 1901 ein Rechtsanspruch auf Versagung eines bestimmten Bauvorhabens mangels seiner Zustimmung nicht zusteht. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass diese Auffassung der hier maßgeblichen Regelung widerspricht (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1972, Slg. N.F. Nr. 8161/A), und die Beschwerdeführerin selbst hat sich mit dieser Argumentation der belangten Behörde in ihrer Beschwerde überhaupt nicht auseinander gesetzt. Bei einer solchen Beurteilung der Rechtslage kann aber der belangten Behörde ein Verfahrensmangel nicht deshalb angelastet werden, weil sie, wie die Beschwerdeführerin behauptet, nicht festgestellt habe, dass sich der bewilligte "Neubau" auf die Grundstücke Nr. 41/2, 187 und 41/1 erstrecke.

Die Beschwerdeführerin behauptet weiter, Grenzabstände seien nicht eingehalten worden. Sie bringt vor, schon durch Einsichtnahme in den Lageplan und in die Baupläne hätte leicht festgestellt werden können, dass von einem bloßen Umbau überhaupt nicht gesprochen werden könne, weil das ursprüngliche Grundstück Nr. 41/2 lediglich ein Ausmaß von 20 m2 aufgewiesen habe, wogegen die nunmehr verbaute Fläche nach dem Plan 41,40 m2 betrage. In Wahrheit sei nicht ein Umbau, sondern, nach Abtragung des bestehenden Kleinwohnhauses, ein Neubau dem Bauverfahren zu Grunde gelegen.

Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, dass nach dem im Akt erliegenden bewilligten Bauplan der schon bestehende Altbestand um einen Zubau in horizontaler und vertikaler Richtung vergrößert werden sollte, wobei im Bereich des Altbestandes keine Unterkellerung vorgesehen war und das früher eingeschossige Gebäude nach Errichtung des Zubaues drei Geschosse aufweist. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann von einem vollständigen Abreißen der Grundmauern keine Rede sein, sodass die Bezeichnung "Zubau" bzw. "Umbau" nicht einer Berichtigung im Sinne des Beschwerdevorbringens bedurfte. Die Beschwerdeführerin bekämpft die Bezeichnung Umbau ja offensichtlich auch nur deshalb, weil die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausging, dass Abstände lediglich im Falle der Errichtung eines Neubaues, nicht aber im Falle der Errichtung eines Zu- oder Umbaues einzuhalten seien. In dieser Beziehung verwies die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1972, Zlen. 163, 165/72. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Einhaltung von Abstandsvorschriften gemäß § 8 der Tiroler Landesbauordnung die Aussage getroffen, dass im Falle der Errichtung eines Zubaues oder Umbaues eine Verpflichtung zur Einhaltung eines Abstandes nicht bestehe, weil diese Regelung nur für die Errichtung neuer Gebäude (Neubauten) maßgeblich sei. Mit dieser Argumentation der belangten Behörde hat sich die Beschwerdeführerin jedoch nur insoweit auseinander gesetzt, als sie behauptete, in Wahrheit sei zur Gänze ein Neubau vorgelegen. Dass dies nicht zutrifft, wurde schon dargetan. Gerade zu dem Grundstück der Beschwerdeführerin Nr. 41/1 erstreckte sich der Altbestand und in dieser Beziehung ist nach dem bewilligten Bauplan hinsichtlich der abgrenzenden Außenmauer keine Veränderung erfolgt. Dieser Altbestand ist aber mit dem Grundstück Nr. 41/2 offensichtlich ident und nach dem der Baubewilligung zu Grunde gelegten Lageplan sollte die Bauführung auf diesem Grundstück sowie auf einem Teil des damals noch ungeteilten Grundstückes Nr. 187 erfolgen. Nach dem in den Verwaltungsakten liegenden Teilungsplan aus dem Jahre 1972 ist dieses Grundstück Nr. 41/2 im Ausmaß von 20 m2 durch anschließende Grundstücke auf 46 m2 vergrößert worden und grenzt diesem Teilungsplan zufolge unmittelbar an das Grundstück der Beschwerdeführerin Nr. 41/1 an. Gerade dieser Plan aus dem Jahre 1972 wurde der Beschwerde zum Beweis der Richtigkeit des Tatsachenvorbringens angeschlossen. Dass aber die erteilte Baubewilligung sich auf das Grundstück Nr. 41/2 und das Grundstück Nr. 187 erstreckte, ergibt sich sowohl aus dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides als auch aus dem der Baubewilligung zu Grunde gelegten Lageplan. So weit nun die Bauführung auf dem Grundstück Nr. 187 selbst erfolgte, konnte die Beschwerdeführerin nicht zu Recht die Einhaltung eines Abstandes zu diesem Grundstück rügen, sodass nur die Einhaltung eines Abstandes zum Grundstück Nr. 41/1 Gegenstand einer Abstandsverletzung hätte sein können. In dieser Beziehung ging aber die Baubehörde davon aus, dass der Bau unmittelbar an dieses Grundstück angrenze, sodass die Einhaltung eines für die offene Bauweise typischen Abstandes im Sinne des § 8 der Tiroler Landesbauordnung gleichfalls nicht in Betracht komme. Das bedeutet aber im Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Nachbar nicht zu Recht die Verletzung einer (hier gar nicht zur Debatte stehenden) Abstandsvorschrift behaupten konnte.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt zwar die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass ihr gegenüber mangels Beiziehung zum Baubewilligungsverfahren der dieses Verfahren abschließende erstinstanzliche Bescheid vom 16. Juni 1967 nicht in Rechtskraft erwachsen war, jedoch bedeutet das Auftreten einer übergangenen Partei für sich alleine nicht, dass das durchgeführte Baubewilligungsverfahren sich als rechtswidrig erweist; vielmehr ist der übergangenen Partei (nachträglich) die Möglichkeit einzuräumen, ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Rechte geltend zu machen. Wie schon der Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen ist, hat die Beschwerdeführerin dementsprechend die Zustellung des Baubewilligungsbescheides begehrt und hat sodann gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung ergriffen. Bei einer solchen Situation kann zwar entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht die Rede davon sein, dass der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid (ganz allgemein) in Rechtskraft erwachsen sei, jedoch ist durch diese Aussage im angefochtenen Bescheid keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin erfolgt, weil die belangte Behörde ungeachtet dieser Aussage geprüft hat, ob die Beschwerdeführerin in ihren (rechtzeitig) geltend gemachten Rechten verletzt worden ist.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft einen den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden geltend gemachten Aufwand sowie zu viel entrichtete Stempelgebühren (richtig: S 100,- - pro notwendigen Schriftsatz).

Wien, am 15. Dezember 1983

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