Normen
AVG §42 Abs1;
BauO Tir 1978 §30 Abs4;
BauRallg impl;
B-VG Art119a Abs5;
ROG Tir 1972 §12;
AVG §42 Abs1;
BauO Tir 1978 §30 Abs4;
BauRallg impl;
B-VG Art119a Abs5;
ROG Tir 1972 §12;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 20.665,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. Juli 1974 hatte der Bürgermeister der Gemeinde NN die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit Doppelgarage auf den Grundstücken Nr. 492 und 493 der Katastralgemeinde O erteilt. Ein später im Akt erliegender Teilungsplan lässt erkennen, dass die Bauführungen ausschließlich auf dem Grundstück Nr. 493 zur Ausführung gelangten.
Mit Eingabe vom 11. Mai 1981 ersuchte der Beschwerdeführer um Bewilligung der Umwidmung des genannten Wohnhauses zu einer Imbissstube mit dazugehörigen Parkplätzen. Zu der für 16. Juni 1981 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden die Nachbarn - darunter die erstmitbeteiligte Partei - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 geladen. Bereits vor der Verhandlung hatten Nachbarn - nicht jedoch der Erstmitbeteiligte - schriftlich Einwendungen erhoben, in welcher sie zu befürchtende Lärmbelästigungen und unzureichende, enge Zufahrtswege geltend machten.
Anlässlich der Verhandlung wendete auch die erstmitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als Nachbar die mögliche Verstellung des Feldweges, Grundstück Nr. 1133, ein, und zwar durch Bezugnahme auf eine entsprechende Einwendung einer gleichfalls im Verfahren als Partei beteiligten Agrargemeinschaft. In der Verhandlungsschrift wurde sodann wörtlich, bezogen auf den Erstmitbeteiligten, festgehalten:
"Weiters erklärt er, dass durch das gegenständliche Bauvorhaben seine Parzellen südlich vom Objekt entwertet werden, was sowohl durch Lärmbelästigung als auch nicht möglicher Abwasserbeseitigung erfolgen kann. Er besteht weiters auf die derzeitige Einzäunung seiner Parzellen und erklärt, dass diese bis zum Zaun sein Eigentum ist. Er erklärt, dass er eine Grundstückseinfahrt besitzt und dass die Schneeräumung so zu erfolgen hat, dass sein Zaun nicht beschädigt und der Weg offen gehalten wird."
Der Beschwerdeführer erklärte in der Verhandlung abschließend, dass er den Parkplatz durch Leistensteine und entfernbare Plastikketten gegenüber öffentlichen Verkehrsflächen deutlich hervorheben und möglichst darauf achten werde, dass eine Lärmbelästigung durch Gäste seiner Imbissstube vermieden werde. Er werde weiter versuchen, die öffentliche Verkehrsfläche von parkenden Fahrzeugen freizuhalten. Er ersuche, dass über das Ansuchen im Sinne der bestehenden Gesetzeslage positiv entschieden werde. Schon vor Protokollierung dieser Ausführungen hatte der beigezogene Bausachverständige die Ansicht vertreten, dass das Bauvorhaben bei Einhaltung der baupolizeilichen Bedingungen nach den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung zulässig sei. In der Verhandlungsschrift findet sich oberhalb der Unterschriften der Vermerk "g.g.g.", was nach den übereinstimmenden Angaben des Bürgermeisters und des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bedeutet, dass die Niederschrift verlesen wurde.
Mit Bescheid vom 9. September 1981 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die angestrebte baubehördliche Bewilligung. Einwendungen einiger Nachbarn, darunter des Erstmitbeteiligten, wurden gemäß § 30 Abs. 2 TBO zurückgewiesen. In der Begründung des Bescheides vertrat die Baubehörde erster Instanz unter anderem die Ansicht, Fragen der Lärmbelästigung seien Angelegenheiten der orts- und landespolizeilichen Vorschriften; in diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich auf die Einwendungen des Erstmitbeteiligten bezuggenommen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Erstmitbeteiligte das Rechtsmittel der Berufung. Darin rügte er zunächst, er hätte bei der Bauverhandlung detaillierte Einwendungen erhoben, worüber nicht abgesprochen worden sei. Weiters verwies er insbesondere auf die Widmung "Wohngebiet" und die Frage der in einem solchen Gebiet zulässigen Lärmbelästigung.
Mit Berufungsbescheid vom 3. Dezember 1981 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung ab und schloss sich - nebst für den vorliegenden Beschwerdefall nicht bedeutsamen Ausführungen über die Wegverhältnisse der Rechtsauffassung der Behörde erster Instanz an.
Auf Grund der vom Erstmitbeteiligten erhobenen Vorstellung führte die Tiroler Landesregierung ergänzende Erhebungen und zwar Lärmmessungen an Ort und Stelle durch. In dem Gutachten eines Amtssachverständigen der Landesbaudirektion des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 23. März 1982 wird von Lärmmessungen am 2. März 1982 berichtet, welche einen Grundgeräuschpegel von 30 dB(A) ergeben hätten. Eine Simulierung von Zu- und Abfahrtsvorgängen mit dem Dienst-Pkw hätten einen Durchschnittspegel von 48 dB(A) ergeben. Nach weiteren Ausführungen über Messungen in einem vergleichbaren Fall (Speiserestaurant) vertrat der Amtssachverständige die Auffassung, dass im gegenständlichen Fall zumindest während der Nachtzeit eine Erhöhung des vorhandenen äquivalenten Dauerschallpegels bei dem Betrieb des Lokales zu erwarten sei, dies insbesondere dann, wenn die ungünstigste halbe Stunde zur Beurteilung herangezogen werde, wie dies im Lärmmesswesen üblich sei. Nehme man die gleichzeitige Abfahrt von vier Pkw mit einem Äquivalenzpegel von 53 dB(A) an, so ergebe sich für eine halbe Stunde, wenn sonst Ruhe herrsche, bei einer Lärmdauer von im Mittel 140 sec. ein äquivalenter Dauerschallpegel von 41 dB(A). Eine solche Berechnung solle jedoch nur als Hinweis aufgefasst werden, da ja stets verschieden hohe Pegel auftreten würden, insbesondere der Störpegel, den die Besucher durch Gespräche oder Gelächter vor dem Lokal hervorriefen. Hiebei würden vielfach auch Störpegel über mehrere Minuten festgestellt, da oft vor dem Einsteigen in Fahrzeuge noch geplaudert werde. Im gegenständlichen Fall komme noch hinzu, dass wegen des Stiegenaufganges zum Lokaleingang ein Aufenthalt der Gäste im Freien länger als sonst üblich notwendig sei.
Zu diesem Gutachten führte der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme vom 21. April 1982 aus, dass dann, wenn derart restriktive Maßstäbe, wie sie im vorliegenden Gutachten angedeutet werden, tatsächlich zur Anwendung kommen sollten, die praktische Ausübung nahezu eines jeden Gastbetriebes unmöglich sei. Er ersuche, dies bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 23. August 1982 gab die Tiroler Landesregierung der Vorstellung des Erstmitbeteiligten Folge, behob den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Die Gemeindeaufsichtsbehörde ging zunächst davon aus, dass der Erstmitbeteiligte mit seinem Vorbringen anlässlich der Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz eine bezüglich Lärmbelästigung dem Gesetz entsprechende, genügend spezialisierte und auf ein öffentliches Recht gegründete Einwendung erhoben habe, werde doch mit seinem Anbringen offenkundig die widmungswidrige Verwendung des Grundstückes geltend gemacht, wie dies auch die Ausführungen in der Berufung bestätigt hätten. Auf die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken stehe aber einem Nachbarn ein Rechtsanspruch nach § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung dann zu, wenn die betreffende Widmungskategorie nach einem Flächenwidmungsplan einen Immissionsschutz gewähre. Das zu verbauende Grundstück sei unbestrittenermaßen als "Wohngebiet" ausgewiesen, das Grundstück des Erstmitbeteiligten südlich vom Bauvorhaben zum Teil als Wohngebiet, und zwar als Wohn-Aufschließungsgebiet. Wenn auch die beantragte Imbissstube ihrem Typ nach im Wohngebiet als zulässig angesehen werden könne, so sei doch nach § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes die weitere Voraussetzung zu prüfen, ob durch die Benützung dieser Bauten keine unzumutbare Lärm-, Rauch-, Staub- oder Geruchsbelästigung sowie keine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Wohnbevölkerung zu befürchten sei. Ob eine solche Gefahr oder Belästigung zu befürchten sei, habe, im Gegensatz zur Auffassung der Gemeindebehörde, die Baubehörde im Ermittlungsverfahren festzustellen. Da der angesuchte Parkplatz eine Folge der Imbissstube sei, weil die Verpflichtung bestanden habe, geeignete Abstellmöglichkeiten zu schaffen, sei die Frage der Störwirkungen des Betriebes im Zusammenhang mit den Lärmquellen des Parkplatzes zu beurteilen. In analoger Anwendung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stelle in einem Wohngebiet der durch die Kraftfahrzeuge der Besucher der Imbissstube in den Nachtstunden bewirkte Lärm (Startvorgang, Zuschlagen der Autotüren, Wegfahren usw.) dann bereits für den Nachbarn eine unzumutbare Belästigung dar, wenn dieser Lärm auch nur geringfügig - Erhöhung des äquivalenten Dauerschallpegels um ein dB(A) - den Lärm des Straßenverkehrs übersteige. In diesem Zusammenhang wurde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1972, Slg. N.F. Nr. 8297/A, verwiesen. Nach dem fachkundigen lärmtechnischen Gutachten des technischen Amtssachverständigen des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 23. März 1982, so führte die belangte Behörde weiter aus, seien Störungen des Umgebungspegels zur Nachtzeit zu erwarten. Der Beschwerdeführer habe das Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen nicht durch Vorlage eines Gutachtens eines privaten Sachverständigen entkräftet. Die Aufsichtsbehörde habe keine Veranlassung gesehen, sich nicht dem Gutachten anzuschließen. Aus dem Gutachten folge aber, dass das angesuchte Bauvorhaben mit einer zulässigen Öffnungszeit bis 24.00 Uhr nach der vorhandenen Widmung "Wohngebiet" in öffentlich-rechtlicher Hinsicht nicht zulässig sei, weil eben der beantragte Gewerbebetrieb samt Parkplätzen eine unzumutbare Lärmbelästigung für den Erstmitbeteiligten hervorrufe. Diese Unvereinbarkeit mit der Widmung "Wohngebiet" hätte der Erstmitbeteiligte als Eigentümer einer Grundparzelle, die teilweise als Wohngebiet gewidmet sei, im Baubewilligungsverfahren mit Erfolg geltend machen können. Da schon nach den aufgezeigten Gründen der Gewerbebetrieb samt Parkplätzen wegen der unzumutbaren Lärmbelästigung in öffentlich-rechtlicher Hinsicht unzulässig sei, hätte die Einholung eines amtsärztlichen Sachverständigengutachtens zur Beantwortung der Frage, ob durch die festgestellten Immissionen eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Wohnbevölkerung zu befürchten sei, unterbleiben können.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit aufzuheben. Als Beschwerdepunkt macht er geltend, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aufgehoben habe, obwohl Rechte der erstmitbeteiligten Partei bei gesetzmäßiger Prüfung des durchgeführten Verfahrens nicht verletzt worden seien (§ 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung). Konkret habe die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei subjektive Rechte nach § 30 Abs. 4 TBO und § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes zugebilligt, obwohl ihr diese nicht zustünden. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der erstmitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung erwogen:
Zunächst wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie irre, wenn sie davon ausgehe, aus der Widmung "Wohn-Aufschließungsgebiet" könne ein Recht abgeleitet werden, welches sich aus der Widmung "Wohngebiet" nach § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes ergebe. Erst dann, wenn das Wohn-Aufschließungsgebiet in Wohngebiet umgewidmet sei, könne die erstmitbeteiligte Partei sich auf § 12 dieses Gesetzes berufen. Die erstmitbeteiligte Partei hätte daher auch keine Einwendungen betreffend Lärmimmissionen geltend machen können.
Diesen Ausführungen hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend, entgegen, der einzige Unterschied zwischen einem Wohn-Aufschließungsgebiet und einem Wohngebiet nach den Bestimmungen der §§ 11 und 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes sei darin gelegen, dass im ersteren Fall die Gemeinde nach § 16 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung im Gegensatz zu Abs. 1 leg. cit. keine Erschließungspflicht treffe und die Erschließungslasten der Bauwerber selbst zu tragen habe. Auch mit § 11 Abs. 4 des Tiroler Raumordnungsgesetzes lässt sich entgegen dem Beschwerdevorbringen eine gegenteilige Auffassung nicht begründen. Nach der genannten Gesetzesstelle können Aufschließungsgebiete ausgewiesen werden, soweit für deren widmungsgemäße Verwendung zum Zeitpunkt der Planerstellung kein allgemeiner unmittelbarer Bedarf besteht oder soweit deren Erschließung auf Grund der Finanzlage der Gemeinde erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Aus dieser Bestimmung lässt sich nicht ableiten, dass eine an sich als Bauland-Wohngebiet gewidmete Grundfläche den Schutz des § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes nicht genießen soll, wenn sie zunächst als Aufschließungsgebiet festgelegt worden ist. Es könnte eine Auslegung auch nicht als dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechend erachtet werden, wenn zwar eine Grundfläche mit der Widmung "Wohngebiet" einen Immissionsschutz besitzen sollte, nicht dagegen die Grundfläche mit der Widmung "Wohngebiet-Aufschließungsgebiet". Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich daher der diesbezüglichen Auffassung des Beschwerdeführers nicht anzuschließen. Die belangte Behörde konnte vielmehr zu Recht davon ausgehen, dass eine rechtzeitig geltend gemachte Lärmbelästigung unter dem Gesichtspunkt des § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes einer Prüfung zu unterziehen war.
Der Beschwerdeführer bestreitet allerdings auch, dass der Erstmitbeteiligte überhaupt eine Widmungswidrigkeit im Sinne des § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes geltend gemacht habe. Durch sein Vorbringen anlässlich der Verhandlung am 16. Juni 1981 "dass durch das gegenständliche Bauvorhaben seine Parzellen südlich vom Objekt entwertet werden, was sowohl durch Lärmbelästigung, als auch nicht möglicher Abwasserbeseitigung erfolgen kann", habe der Erstmitbeteiligte Einwendungen rein privatrechtlicher Natur erhoben. Erst in seiner Berufung bzw. in der Vorstellung habe er eine unzumutbare und gesundheitsgefährdende Lärmbelästigung behauptet und dieses Vorbringen sei nach § 42 Abs. 1 AVG 1950 als präkludiert zu beurteilen. Im Anlassfall bedeute dies, dass die belangte Behörde nicht mehr berechtigt gewesen sei, ohne zwingenden Grund einen Bescheid der Baubehörde zweiter Instanz zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Gemeindevorstand zu verweisen.
Diesem Vorbringen hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, dass das anlässlich der Verhandlung protokollierte Vorbringen des Erstmitbeteiligten als genügend spezialisierte Einwendung zu beurteilen sei, sei doch dem Verwaltungsverfahren übertriebener Formalismus fremd und könne dem Vorbringen zumindest entnommen werden, dass überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet werde. Mit diesem Vorbringen hätte der Erstmitbeteiligte als juristischer Laie offensichtlich die widmungswidrige Verwendung des Grundstückes, auf dem das Bauvorhaben des Beschwerdeführers bewilligt worden sei, geltend machen wollen. Diese Ansicht werde nach Meinung der belangten Behörde auch durch die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung erhärtet. Dem kann der Gerichtshof aus folgenden Gründen nicht beipflichten:
Nach § 42 Abs. 1 AVG 1950 hat die Kundmachung einer mündlichen Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen im Lande bestimmten Zeitung zur Folge, dass Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden. Nach § 42 Abs. 2 AVG 1950 erstreckt sich im Fall einer durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben. Letzteres trifft im Beschwerdefall zu. Wenn im allgemeinen auch der belangten Behörde darin zu folgen ist, dass dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz übertriebener Formalismus fremd ist, so ist doch das Vorbringen einer mit den Rechtsfolgen der Präklusion bedrohten Partei im Mehrparteienverfahren stets daraufhin zu prüfen, ob rechtzeitig bezüglich jener Frage Einwendungen erhoben wurden, welche nach der Lage des Falles entscheidungswesentlich ist. Wurde, wie im Beschwerdefall, ein Nachbar unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen, dann können von der Vorstellungsbehörde bezüglich der Prüfung ob Rechte des Nachbarn verletzt wurden, nur jene Fragen entscheidende Bedeutung besitzen, hinsichtlich deren der Nachbar rechtzeitig Einwendungen erhoben hat. Hat der Nachbar bezüglich einer bestimmten Frage keine Einwendungen erhoben, dann ist er hinsichtlich dieser Frage als präkludiert anzusehen und der Gemeindeaufsichtsbehörde ist es verwehrt, in einem solchen Punkt eine Rechtsverletzung des Nachbarn zu erblicken, ist er doch diesbezüglich dem Vorhaben als zustimmend anzusehen. Entscheidende Bedeutung kommt daher jenem Vorbringen zu, welches der Erstmitbeteiligte in der Verhandlung vom 16. Juni 1981 erstattet hat. Der Protokollierung in der Verhandlungsschrift zufolge hat er eine Entwertung seiner Grundflächen behauptet und hat hiefür als Begründung unter anderem eine Lärmbelästigung angeführt. Davon, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Bewilligung der Umwidmung sein Grundstück widmungswidrig im Sinne des § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes verwende, ist in diesem Vorbringen keine Rede. Ein späteres diesbezügliches Vorbringen in der Berufung kann aber, entgegen der Meinung der belangten Behörde, nicht als Erhärtung ihrer Auffassung angeführt werden, weil ein späteres Vorbringen jedenfalls als präkludiert anzusehen ist, es sei denn, es wäre das ursprüngliche Vorbringen nur näher ausgeführt worden; dies trifft im Beschwerdefall nicht zu. Hat aber der Erstmitbeteiligte, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, ausschließlich eine Entwertung seiner Grundflächen geltend gemacht, sohin also eine privatrechtliche Einwendung erhoben, dann war es der Gemeindeaufsichtsbehörde versagt, die Frage der Widmungsgemäßheit des Bauvorhabens des Beschwerdeführers im Sinne des § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes neu aufzurollen.
Da die belangte Behörde in dieser Beziehung die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Bemerkt sei noch, dass dadurch, dass die Einwendungen des Erstmitbeteiligten nicht auf den Rechtsweg verwiesen wurden, keine Rechtsverletzung eingetreten ist, weil die Geltendmachung vor dem ordentlichen Gericht nach Art. XXXVII EGZPO nur von der Erhebung einer privatrechtlichen Einwendung abhängig ist. Hinsichtlich der Einwendungen betreffend den Problemkreis der Wegverstellung steht dem Nachbarn nach § 30 Abs. 4 der Bauordnung für Tirol kein subjektiv-öffentliches Recht zu, weil es hiebei um rein öffentliche Interessen geht.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 3. März 1983
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