VwGH 81/07/0215

VwGH81/07/021527.4.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in Wien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 16. September 1981, Zl. 14-A-8116/5, betreffend die Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Scharndorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §170 Abs8;
ForstG 1975 §18 Abs4;
ForstG 1975 §19 Abs3;
ForstG 1975 §5 Abs2;
VwGG §30 Abs3;
VwGG §33 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §170 Abs8;
ForstG 1975 §18 Abs4;
ForstG 1975 §19 Abs3;
ForstG 1975 §5 Abs2;
VwGG §30 Abs3;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Gemeinde suchte bei der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha um die Erteilung der Bewilligung für die Rodung hinsichtlich einer 500 - 600 m2 großen Fläche einer ihr gehörigen, 2931 m2 großen Waldparzelle mit der Begründung an, das Grundstück liege mitten in der Ortschaft und werde von den Einwohnern als wilde Mülldeponie benützt, Ersatzaufforstung im Ausmaß von 4 bis 5 ha werde angeboten. In einem dem Antrag beigefügten Lageplan, der keine Maßstabangabe enthielt, ist ein Teil des betreffenden Grundstücks durch rote Umrandung hervorgehoben. Dem in der Verhandlung über diesen Antrag erstatteten Befund des Amtssachverständigen für das Forstwesen ist zu entnehmen, dass die Fläche vielfach unzulässigerweise als Mülldeponie benützt wird, weshalb zu befürchten sei, dass der mitbeteiligten Gemeinde für Müllbeseitigung immer wieder Auslagen entstehen werden. Die Grundfläche sei, so wird in dem Befund weiter ausgeführt, seit 5 bis 6 Jahren an einen Zimmermeister verpachtet, der die Errichtung eines Holzhauses als Werbeanlage für Leichtbauweisen ohne wesentliche Fundierungen beabsichtige. Der vorhandene Waldbestand bestehe aus Robinien im Alter von 15 bis 20 Jahren und einigen Pappeln, dazwischen stünden Sträucher. Der Bestand sei gut bis sehr gut wüchsig. Der vom Wald bestandene Hang zeige "deutliche Anzeichen einer möglichen Rutschung". Weiters führte der Sachverständige aus, der vorhandene Wald habe im wesentlichen eine Schutzfunktion, die darin bestehe, den zu Rutschungen neigenden Boden zu binden und zu entwässern. Die Nutzwirkung sei als gering zu bezeichnen, weil das Holz hauptsächlich minderwertige Sortimente bringe. Auch die Erholungswirkung sei gering, weil durch den abgelagerten Unrat in einzelnen Teilen der Parzelle ein Betreten nicht möglich sei. Als wesentlich sei die Wohlfahrtswirkung zu bezeichnen, die hauptsächlich darin bestünde, den Staub zu filtern und den Lärm zu dämmen. In seinem Gutachten gelangte der Amtssachverständige zu folgendem Ergebnis:

Das geplante Haus in Leichtbauweise solle den schwierigen Fundierungsbedingungen in dieser Gemeinde entsprechen und die baulichen Probleme lösen. Die Rutschgefahr bestehe für einen Großteil des Ortes. Außerdem solle durch Anlage weiterer Baulichkeiten in der ferneren Zukunft der derzeit ungünstige sanitäre Zustand auf der Waldfläche endgültig behoben werden. Das öffentliche Interesse an der Verbauung überwiege nur dann das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Waldes, wenn "die oben vorgesehenen Maßnahmen" - damit ist wohl die Anwendung der Leichtbauweise zur Vermeidung von Hangrutschungen gemeint - eingehalten würden. Es seien jedoch noch Stellungnahmen der zuständigen Stelle für Wildbach- und Lawinenverbauung (Belastbarkeit des Baugrundes, Rutschung, Beeinträchtigung der Abflussverhältnisse) sowie der Abteilung R/2 beim Amt der NÖ. Landesregierung (derzeitige und beabsichtigte Flächenräumung) einzuholen. Die in der Folge beigebrachte Stellungnahme des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung lautete dahin, dass der "untere Teil der Teilfläche", der an die Verbauung des Ortsgrabens grenze und nur schwach geneigt sei, kaum Bodenbewegungen unterworfen sei, eine eventuell beabsichtigte Verbauung dürfe jedoch nur in Leichtbauweise gestattet werden, um den Untergrund nicht zu sehr zu belasten.

Die Abteilung Raumplanung des Amtes der NÖ. Landesregierung nahm zu dem Rodungsvorhaben wie folgt Stellung:

Die Gemeinde habe zwar ein örtliches Raumordnungsprogramm beschlossen, dieses jedoch bisher nicht zur Genehmigung vorgelegt. Für die betreffende Katastralgemeinde bestünde derzeit überhaupt kein rechtskräftiger Flächenwidmungsplan. Gegen die von der Gemeinde für die Parzelle der Rodungsfläche angestrebte Widmung als Bauland und Wohngebiet bestünden schwere Bedenken, da das betreffende Grundstück keine natürliche Baulandeignung im Sinne des § 15 Abs. 3 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-1, aufweise. Diese Bedenken würden durch ein negatives forsttechnisches Gutachten der Abteilung VI/11 des Amtes der NÖ. Landesregierung erhärtet. Dieses Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass vom forstfachlichen Standpunkt einer geplanten Umwidmung nicht zugestimmt werden könne, auch wenn nur eine Rodungsfläche von rund 500 m2 auf einer Geländeverflachung im nördlichen Teil der Parzelle beim Zusammenfluss der beiden Bäche für die Errichtung des Holzhauses benötigt würde. Der Gegenhang im nordwestlichen Bereich sei gleichfalls mit Wald bestockt und bilde mit der gegenständlichen Parzelle, von der er nur durch den Bach getrennt sei, einen größeren, geschlossenen Waldkomplex. Der Wald auf der gegenständlichen Parzelle habe die Funktion eines Schutzwaldes zu erfüllen. Für den Hang sei eine Rutschgefährdung nicht auszuschließen. Rund 200 m entfernt hätten unter ähnlichen Voraussetzungen Pilotierungsmaßnahmen zur Sicherung eines Baugeländes vorgenommen werden müssen.

Der von der Bezirksverwaltungsbehörde der Verhandlung beigezogene Amtssachverständige für das Forstwesen äußerte sich zu diesen Stellungnahmen ohne Angabe von Gründen dahin gehend, dass rein forstfachlich gegen die Rodung keine Bedenken bestünden.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (Beschwerdeführer) gestützt auf § 170 Abs. 8 Forstgesetz 1975, BGBl. 440 (in der Folge: FG), fristgerecht angefochtenen Bescheid erteilte die Bezirksverwaltungsbehörde (in der Folge: belangte Behörde) der mitbeteiligten Gemeinde die unbefristete Bewilligung zur Rodung einer Teilfläche der genannten Waldparzelle zur Errichtung eines Wohnhauses in Leichtbauweise (Musterhaus), nach Maßgabe des vorliegenden Lageplanes sowie der Verhandlungsschrift, die einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilde, sowie unter den darin vorgeschriebenen Auflagen und Einschränkungen. Zur Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde auf den geschilderten Verfahrensgang und die Tatsache, dass der Amtssachverständige nach Kenntnis der beiden Stellungnahmen sein Erstgutachten bekräftigt habe.

Der Beschwerdeführer behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. In dieser regt sie eine Prüfung der Frage an, ob im Hinblick auf eine Stellungnahme der mitbeteiligten Gemeinde Klaglosstellung im Sinne des § 33 VwGG 1965 vorliege.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1981 war dem Antrag des Beschwerdeführers, dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, stattgegeben worden. In der Begründung dieses Beschlusses war darauf hingewiesen worden, dass gemäß § 30 Abs. 3 VwGG 1965 der Beschluss die Wirkung habe, dass die mitbeteiligte Partei von der mit dem angefochtenen Bescheid erteilten Berechtigung zur Vornahme der Rodung und Verwendung der Fläche zu dem beabsichtigten Zweck bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde keinen Gebrauch machen dürfe. Dieser Beschluss wurde auch der mitbeteiligten Gemeinde zugestellt. Von ihr wurde hierauf der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Gemeinde die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Kenntnis genommen habe, die Rodung nicht durchgeführt werde und der Rodungszweck für die Gemeinde entfalle.

Durch diese Erklärung der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber der belangten Behörde ist Klaglosstellung nicht eingetreten; es wurde hiedurch nämlich der angefochtene Bescheid nicht beseitigt. Die Erklärung der Gemeinde machte die Beschwerde auch nicht gegenstandslos, selbst wenn man in der Erklärung der mitbeteiligten Gemeinde einen endgültigen Verzicht auf die Ausnützung der erteilten rechtskräftigen Rodungsbewilligung erblicken wollte; einer Rodungsbewilligung kommt nämlich gemäß § 5 Abs. 2 zweiter Satz FG die vom Willen des Inhabers der Rodungsbefugnis unabhängige Rechtswirkung zu, dass die Grundfläche bis zum Eintritt der Neubewaldung die Waldeigenschaf verliert. Abgesehen davon ist die dem Beschwerdeführer gemäß § 170 Abs. 8 FG eingeräumte Beschwerde ein Behelf, der die Kontrolle der objektiven Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zum Ziele hat. Dieses Ziel ist so lang nicht erreicht, als der Bescheid, dessen Rechtswidrigkeit behauptet wird, dem Rechtsbestand angehört. Durch die von der Gemeinde gegenüber der belangten Behörde abgegebene Erklärung wird der Rechtsbestand des angefochtenen Bescheides nicht beeinträchtigt.

Es war daher in die Erledigung der Beschwerde einzugehen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, dass es an Angaben über das genaue Ausmaß der Grundfläche fehlt, für welche die Rodungsbewilligung erteilt wurde. Gemäß § 19 Abs. 3 FG hat der Rodungsantrag das genaue Ausmaß der zur Rodung beantragten Fläche und einen Lageplan zu enthalten, dessen Maßstab nicht kleiner als der Katastermaßstab sein darf. Eine Bewilligung der Rodung kommt daher nur in Betracht, wenn der Antrag auch diesen Anforderungen entspricht. Der von der mitbeteiligten Gemeinde vorgelegte Lageplan entbehrt einer Maßstabsangabe. Aus ihm lässt sich auch dann, wenn durch die rote Umrandung die Rodungsfläche gekennzeichnet sein sollte, das Ausmaß dieser Fläche nicht entnehmen. Aber auch durch Worte wurde das Ausmaß der zu rodenden Fläche im Antrag nicht genau angegeben, heißt es in diesem doch, es werde um die Rodungsbewilligung "von cirka 500 bis 600 m2" ersucht. Die Bewilligung dieses hinsichtlich des Ausmaßes ungenauen Antrages war daher schon wegen der Missachtung der zitierten Bestimmung des Gesetzes inhaltlich rechtswidrig.

Eine Bewilligung zur Rodung kann gemäß § 17 Abs. 2 FG nur erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Der angefochtene Bescheid lässt ebenso wie das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche nicht erkennen. Zur Begründung des angefochtenen Bescheides wurde von der belangten Behörde auf die Feststellungen des Amtssachverständigen verwiesen. Diesen lässt sich nur entnehmen, dass durch die Rodung einerseits die Verwendung der Grundfläche als wilde Mülldeponie verhindert und andererseits die Errichtung eines Musterhauses in Leichtbauweise (Werbeanlage) ermöglicht werden soll. Zwar besteht an der Unterbindung wilder Müllablagerungen ein öffentliches Interesse. Die zu seiner Wahrnehmung anwendbaren rechtmäßigen Mittel sind jedoch durch die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Forstrechtes, Wasserrechtes, Natur- und Landschaftsschutzrechtes vorgezeichnet. Die Beseitigung von Wald zu dem Zweck, auf seiner Grundfläche wilde Müllablagerungen zu verhindern, kommt daher als rechtmäßiges Mittel, dem öffentlichen Interesse an der Reinhaltung entgegenzukommen, nicht in Betracht.

Soweit die belangte Behörde daher im öffentlichen Interesse an der Hintanhaltung wilder Müllablagerungen ein das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse erblickte, belastete sie den angefochtenen Bescheid ebenfalls mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Ein öffentliches Interesse des Siedlungswesens an der Errichtung des Wohnhauses in Leichtbauweise als Werbeanlage lässt sich den Ermittlungsergebnissen nicht entnehmen. Zur Beurteilung der Frage nach einem derartigen öffentlichen Interesse wäre auch der von der belangten Behörde dem Verfahren zugezogene Sachverständige aus dem Forstwesen nicht berufen gewesen. Bisher liegen daher nur die gegen ein solches Interesse sprechenden Ermittlungsergebnisse, nämlich die Stellungnahme der Abteilung Raumplanung des Amtes der NÖ. Landesregierung vor. Auch in diesem Zusammenhang wurde die Rechtslage daher von der belangten Behörde verkannt. Um die Frage nach dem Vorliegen eines öffentlichen Interesses des Siedlungswesens beantworten zu können, hätte es einer Klärung des Bedarfes nach Bauland in der betreffenden Gemeinde und einer Gegenüberstellung der hiefür zur Verfügung stehenden Flächen unter Berücksichtigung des Grades ihrer Eignung für Bauzwecke bedurft. Es wäre aber auch zu klären gewesen, ob das Gebäude, welches auf der zu rodenden Grundfläche aufgestellt werden soll, überhaupt dem öffentlichen Interesse am Siedlungswesen gilt, zumal nach den bisher vorliegenden Ergebnissen nur bekannt ist, dass es sich bei dem Wohnhaus um eine "Werbeanlage für Leichtbauweisen" handeln solle. Worin das öffentliche Interesse an einer solchen Werbeanlage des Pächters der Rodungsfläche gelegen sein soll, ist auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse unerfindlich. Sollte es sich jedoch um ein Experiment zur Ergründung der Haltbarkeit des von Rutschungen bedrohten Geländes gegenüber in Leichtbauweise hergestellten Wohnhäusern handeln, und ein öffent1iches Interesse an der Durchführung derartiger Versuche in der betreffenden Gemeinde bestehen, so hätte ebenfalls vorerst geklärt werden müssen, ob nicht unbewaldete Flächen vergleichbarer Beschaffenheit diesem Vorhaben zugeführt werden können; außerdem käme für Versuchszwecke wohl nur eine vorübergehende Aufhebung des Forstzwanges (§ 18 Abs. 4 FG) in Betracht.

Der angefochtene Bescheid musste daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Wien, am 27. April 1982

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